Mannheim. Der Zufall, die Liebe und die Mitgift seiner Frau – sie stehen 1873 Pate bei einer ungewöhnlichen Firmengründung. Das Deutsche Reich ist gerade erst entstanden, Seckenheim ein reiches, noch bis 1930 selbstständiges Bauerndorf. Da kommt der Schmiedegeselle Georg Lochbühler in dem Dorf vorbei. Diese Schmiede, die er gründet, hat sich zum angesehenen, erfolgreichen mittelständischen Familienunternehmen im Aufzugsbau gewandelt, das an diesem Samstag sein 150-jähriges Bestehen feiert.
Georg Lochbühler, 1847 geboren, stammt aus Großsachsen und hat dort das Schmiedehandwerk gelernt. Aber dann muss er auf die Walz, also als Handwerksbursche zu Fuß auf die Wanderschaft. Nun, die dreijährige Frist ist vorbei, will er nach Hause und mit der Fähre nach Ilvesheim übersetzen. Aber vorher fragt er noch einen Seckenheimer Schmied, ob er kurz Arbeit und Unterkunft haben könne. Und weil er Erfolg hat, bleibt er länger.
Liebe und Mitgift
Dann kommt die Liebe ins Spiel. 1873 heiratet Georg Lochbühler Barbara Hörner, die Tochter eines – schon verstorbenen – Landwirts. Mit Hilfe ihrer Mitgift macht er sich selbstständig und eröffnet eine Huf- und Wagenschmiede in der Hauptstraße 143 in Seckenheim. Wahrscheinlich war die Selbstständigkeit sogar Voraussetzung für die Hochzeit, denn in Seckenheim heiratet damals eine wohlhabende Bauerstochter einfach keinen abhängig Beschäftigten, wie der 2016 verstorbene Lokalhistoriker Hansjörg Probst in seiner Chronik schreibt.
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Seckenheim hat erfolgreiche Bauern, zugleich wächst im Umfeld die Industrie – etwa im bald darauf gegründeten Rheinauhafen oder bei der neuen Steinzug in Friedrichsfeld. Betreibt Georg Lochbühler anfangs noch nebenbei eine Landwirtschaft mit Kuhgespann, so wandelt er bald den Kuhstall in eine Werkstatt, die Scheune in eine Lagerhalle um. Er lässt auch seinen Sohn Georg das Schlosserhandwerk erlernen, erweitert seinen Betrieb um eine Mechanische Werkstätte und um eine „Eisenwaarenhandlung“. Öfen, Ofenschirme, Kohlenkästen, Wasch- und Nähmaschinen sowie Haushaltungsartikel offeriert er.
Lochbühler bietet mehr als eiserne Geräte
Schon Georg Lochbühler erkennt früh, dass er mehr bieten muss als nur eiserne Geräte für die Landwirtschaft und das Beschlagen der 350 Pferde im Dorf. Noch mehr sieht Ludwig Lochbühler die zunehmende Mechanisierung aller Bereiche als Chance – und nutzt sie. Er beginnt, nachdem er 1905 den Betrieb übernimmt, damit, die Elektrizität zum Antrieb von Werkzeugen zu nutzen: einen drei PS bietenden Elektromotor, der Drehbank, Bohrmaschinen und Federhammer antreibt. Und er baut als erster Seckenheimer eine eigene Wasserversorgung, mit Brunnen und Motorpumpe. Allerdings zwingt ihn die Gemeinde, als sie 1911 eine zentrale Wasserversorgung gründet, seinen Brunnen aufzugeben. Als Entschädigung darf Lochbühler die Schlosserarbeiten im Wasserturm übernehmen.
Die vergebliche Investition bringt das Unternehmen in eine Krise. Lochbühler muss Grundstücke verkaufen, seine Eisenwarenhandlung vermieten – aber er schafft es, sie wieder zurückzuholen. Er macht daraus das modernste Ladengeschäft Seckenheims, handelt nun auch mit Fahrrädern und repariert sie. Und weil es noch keine Kinderfahrräder gibt, baut Ludwig Lochbühler für seine Kinder welche – mit ihren sechs und sieben Jahren sind sie die jüngsten Radfahrer der Region. Lochbühler hat einfach ein Gespür, was ankommt. Es gibt bei ihm die ersten „Grammophos“, Nähmaschinen mit Motor („für Heimarbeit“) und neben Pflügen und Eggen auch Maschinen für Landwirte, etwa Rübenschnitzler und Jauchepumpen.
Expansion nach der Weltwirtschaftskrise
Nach dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise expandiert die Firma. Das Fahrradgeschäft wird um Leichtmotorräder erweitert, die erste Seckenheimer Tankstelle gegründet, Arbeiten für die nun zunehmende Elektrifizierung übernommen und erstmals ein Schweißtrafo eingesetzt – bei den Schlosserarbeiten für das Geländer der Ilvesheimer Neckarbrücke. Zugleich erfolgt 1925 der erste Schritt Richtung Aufzugsbau mit einem Lastenaufzug für Tabakscheunen. Bald bestellt die Tabakindustrie auch Sortierbänder, Ballenkarren und Maschinen.
Maschinen für die Landwirtschaft bilden lange den Schwerpunkt des Geschäfts, doch Aufzüge werden immer wichtiger. 1960, ab der Ära von Karlheinz Lochbühler, konzentriert sich die Firma ganz auf den Aufzugsbau, anfangs mit eigener Fertigung fast aller Komponenten. Heute werden von dem 2008 als „Dienstleister des Jahres“ geehrten Traditionsunternehmen mit über 70 Mitarbeitern im Jahr an die 100 Neuanlagen einschließlich Modernisierungen in Betrieb genommen und über 5000 Aufzüge im Service betreut. Qualität, Zuverlässigkeit und technologische Innovationen sind Senior-Chef Karlheinz Lochbühler und seinen beiden Söhnen Andreas und Stefan Lochbühler wichtig. Mit Marc-Steffen Lochbühler ist bereits der erste Sohn der sechsten Generation ins Unternehmen eingetreten, Dominic will folgen. 1981 wurde der Firmensitz in das Gewerbegebiet Friedrichsfeld verlegt, 2019 dort ein moderner Neubau bezogen. Zum Jubiläum investiert die Firma in die Mitarbeiter – mit der 37,5 Stunden Woche – sowie in die Einführung eines neuen Corporate Designs mit neuem Logo.
Familie hat Mannheim geprägt
Unverändert wichtig sind Familie und Firma das gesellschaftliche Engagement im Ort und in Mannheim. Die 1901 gegründete Radfahrgesellschaft Seckenheim geht auf Lochbühler zurück, der Badische Rennverein wäre ohne die Familie gar nicht denkbar und über 50 Vereine dürfen auf Mitgliedschaft, Spenden oder persönliche Mitarbeit in Gremien der Lochbühlers zählen. Schließlich hat die Familie 1978 den Seckenheimer Wasserturm erworben, ihn vor dem Abriss gerettet, mit großem Aufwand komplett saniert und 2012 dort Europas einziges Aufzugsmuseum eingerichtet.
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