Was eine Pracht! Wie das glitzert – noch verstärkt durch die Lampen, die das hinter dickem Panzerglas verwahrte Teil anstrahlen. Immerhin 1769 Diamanten in unterschiedlichen Größen, Schliffen und Qualitäten funkeln dem Betrachter hier entgegen, dazu kommen weitere 682 Farbedelsteine wie Rubine, Spinelle, Saphire oder Smaragde sowie ganz viel Gold. „Lauter schöne Klunker“, sagt Jutta Dresch schmunzelnd, und fügt an: „Mit einem hohen Materialwert.“ Den Versicherungswert will die Konservatorin zwar nicht verraten. Schnell wird aber klar, dass man hier vor einem der wertvollsten Exponate des Badischen Landesmuseums steht.
Im Karlsruher Schloss wird es jetzt in der neu eingerichteten Ausstellung „Schloss und Hof“ präsentiert. Zusammen mit den anderen Kroninsignien sowie dem Thron-Ensemble ist die Krone der badischen Großherzöge erstmals nach mehrjähriger Unterbrechung und sehr aufwendiger Restaurierung wieder öffentlich zu sehen.
2007 waren die Kroninsignien einige Monate zur Eröffnung des Mannheimer Schlossmuseums dort gezeigt worden – bei Anfahrt und Ankunft scharf von der Polizei bewacht. Mit „mehrere Millionen Euro“ gab die Schlossverwaltung damals den Wert an. „Unsere Schatzkiste“ nennt diskret Jutta Dresch den Karlsruher Raum, den sie so beeindruckend authentisch eingerichtet hat, als würde jetzt gleich der Großherzog kommen und hier zur Audienz bitten.
Vergoldetes Wappentier
Nur zu diesem besonderen Anlass hat der – von 1803 bis 1918 auch über Mannheim herrschende – badische Regent nämlich auf dem Thronsessel Platz genommen. Er besteht aus fein geschnitztem sowie mit orangerotem, gold besticktem Samt bezogenen und mit Blattgold überzogenen Lindenholz. Damit er erhöht wirkt, steht er auf einer vorne halbrund ausladenden Sockelplatte. Jede Armlehne wird von einem vergoldeten Greif getragen – dem badischen Wappentier.
Das begegnet einem über dem Thron wieder. Unter dem 70 Kilogramm schweren Baldachin, der etwa 3,5 Meter über dem Thron schwebt, prangt in Form einer aufwendigen dreidimensionalen Stickerei das badische Wappen, mit silbernen und goldenen Fäden gestickt. Das Zentrum bildet das gelbe Wappenschild mit dem roten Schrägbalken, auch hier wieder flankiert vom Wappentier, dem Greif – einem Fabelwesen mit Löwenmähne sowie dem Kopf und den Schwingen eines Raubvogels. Darunter hängen drei Ordensketten mit dem Zähringer Orden, also dem wichtigsten Hausorden der Badener, dazu dem militärischen Karl-Friedrich-Verdienstorden sowie dem Hausorden der Treue.
Neuer Rang durch Napoleon
Über dem Wappen prangt die Krone. Und eine große Bügelkrone findet sich ebenso an der Spitze des Baldachins, dessen orangeroter Samtbezug von einem goldenen Netz mit großen Quasten überspannt wird. Dass die Krone als Symbol so oft auftaucht, ist Absicht – denn sie stellt den ganzen Stolz des Hauses Baden dar. „Sie betonen so Rang und Herrschaft“, erläutert Jutta Dresch.
Zunächst tragen die seit dem Jahr 1112 als Regenten belegten badischen Herrscher nur den Titel eines Markgrafen. Im Zuge der napoleonischen Zeit gewinnen sie aber gewaltig an Einfluss, Rang und an Fläche dazu. Beim Reichsdeputationshauptschluss 1803 werden unter Druck Napoleons alle Grenzen neu geordnet. Der Franzose macht Schluss damit, dass Kirchenoberhäupter auch weltliche Herrscher sind, löst in der Säkularisation geistliche Territorien auf und entschädigt damit deutsche Fürsten für ihren Verlust linksrheinischer Gebiete. So fallen etwa die rechtsrheinischen Besitzungen des bis dahin in Schloss Bruchsal residierenden Speyerer Fürstbischofs sowie mehrere Klostergüter wie Salem an den badischen Staat, ebenso die vorher zur Kurpfalz zählenden und damit von Bayern regierten Städte Mannheim, Heidelberg, Schwetzingen und Weinheim mit ihrem jeweiligen Umland.
Markgraf Karl Friedrich von Baden (1728-1811) wird zunächst die Kurwürde verliehen – er darf also den Kaiser mitwählen. 1806 erhält Baden zudem Gebiete der ehemaligen Reichsritter und Reichsstände. Zugleich folgt mit der Gründung des Rheinbundes seine Erhebung zum Großherzog. „Er schafft es damit zwar nicht, Königreich und selbst König zu werden, wie der Regent in Württemberg“, erläutert Jutta Dresch. Aber auch mit der Würde des Großherzogs ist die Anrede „Königliche Hoheit“ sowie die Erlaubnis verbunden, eine Krone im Wappen zu führen.
Entsprechend prachtvoll inszeniert sich der Großherzog. Das jetzt gezeigte mehrteilige Thron-Ensemble stammt aus dem Jahr 1838, als Großherzog Leopold (1790-1852) den im Obergeschoss des östlichen Mittelbaus gelegenen Thronsaal neu möblieren lässt. Dabei behält er den seinerzeit für offizielle Räume verbindlichen Empire-Stil des frühen 19. Jahrhunderts bei. Gepolsterte, mit Samt bezogene sowie reich bestickte Tabourets (Hocker), ein edler Konsoltisch sowie aus Holz gefertigte, weiß gefasste und mit dreidimensional gearbeiteten Verzierungen aus Gold versehene Guéridons als Ständer für Leuchter aus vergoldeter Bronze vervollständigen die Ausstattung – alles vom Feinsten.
„Aber der Thronsaal wanderte öfter durchs Haus, war nicht immer an der gleichen Stelle des Schlosses“, so Jutta Dresch. Bei Großherzog Karl (1786-1818) befindet er sich im Hauptgeschoss des östlichen Corps de Logis. Großherzog Friedrich I. (1826-1907) verlegt ihn ins Erdgeschoss des Ostflügels und ergänzt das Ensemble. Die Wände erhalten eine Bespannung aus rotem Brokatsamt mit goldenen Palmetten- und Kranzmotiven. Diese Einrichtung bleibt auch nach der Abdankung von Großherzog Friedrich II. (1857-1928) im Jahr 1918, als Baden Republik wird, das Schloss an den Staat fällt und nur noch als Landesmuseum dient, unverändert.
Freilich hat sich nicht alles im Original erhalten. Manches Teil ist zwar „bewahrt worden, aber nicht ausstellungsfähig“, wie Dresch formuliert. Doch weil der Karlsruher Fotograf Wilhelm Kratt (1869-1949) die Innenausstattung vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs gut dokumentierte, seien seine Überlieferungen nun eine sehr wertvolle Grundlage für die neue, zwei Jahre lang vorbereitete museale Aufstellung. Zudem verraten die Inventare viele Details. In der Liste von 1859 heißt es etwa: „Die Rückwand des Throns ist mit Hermelin und Seiden Peluche drapiert, worauf das Silber und Gold gestickte badische Wappen angebracht ist.“
Badisches Landesmuseum im Schloss
Anschrift: Badisches Landesmuseum, Schlossbezirk 10, 76131 Karlsruhe, Telefon: 0721/926-6514
Öffnungszeiten: Museum im Schloss/Sammlungsausstellungen: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.
Corona-Regeln: Derzeit besteht keine Test- bzw. Nachweis-Pflicht. Die Kontaktdaten der Besucher werden über ein Kontaktformular, alternativ mithilfe der Corona-Warn- oder der Luca-App erfasst. Es gelten die Hygiene- und Abstandsregeln sowie die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken im gesamten Museum.
Eintritt: Erwachsene 6 Euro, ermäßigt 4 Euro (inklusive der anderen Sammlungen des Museums).
Ausstellungen: Die neue Ausstellung „Schloss und Hof: Der Thronsaal – neu präsentiert“ wird gut ergänzt durch die Sammlungsausstellung „Schloss und Hof – Leben in der Residenz“, die ein Stockwerk höher das rund 200 Jahre andauernde höfische Leben der Markgrafen und Großherzöge von Baden anhand von Exponaten zur historischen Ausstattung sowie die Baugeschichte des Schlosses zeigt.
Digitaler Katalog: Der Digitale Katalog bietet detaillierte Informationen zu allen Objekten. Dabei gibt es auch eine spezielle Version zur Geschichte Badens für Kinder.
Buch: Gemeinsam mit dem J. S. Klotz Verlag hat das Badische Landesmuseum das Buch „Geschichte und Geschichten im Schloss Karlsruhe“ veröffentlicht, das Sammlungsführer und Porträt des Museums zugleich und im Online-Shop für 29,80 Euro erhältlich ist (shop.landesmuseum.de, 224 Seiten, rund 200 Abbildungen).
In der Nähe: Zusätzlich zum Besuch im Schloss bietet sich ein Besuch im weitläufigen Schlossgarten sowie im botanischen Garten der Großherzöge an (jeweils Eintritt frei).
Anreise: Mit dem Auto über die A 5 bis Karlsruhe, dort Parkgarage Schlossplatz 16 ansteuern. Mit der Bahn bis Hbf Karlsruhe, dort weiter (Blickrichtung rechts, Hbf im Rücken) mit den Bahnen 2, S 1, S 4, S 11 bis Haltestelle Marktplatz. pwr
Nur als Fragment blieb der Behang aus rotem Samt und Hermelinimitat übrig, der hinter dem Thronsessel zeltartig aufgespannt ist. Er musste ebenso wie die goldenen Brokatstickereien der floralen Ornamente der übrigen Textilien rekonstruiert werden. Thron und Möbel indes sind Original. Aber die hätten „einen riesigen Einsatz der Restauratoren“ erfordert, so Dresch. Gerade das Mobiliar sei durch Staub, Schmutz und Bohnerwachs beschädigt gewesen, bei einigen Teilen haben die Fachleute Polierweiß- und Goldfassungen reinigen, festigen, Fehlstellen schließen und retuschieren müssen. Den glanzvollen Höhepunkt der neuen Dauerausstellung bilden die badischen Kroninsignien. Doch kurios: „Die Großherzöge haben die Krone nie getragen!“, betont die Kuratorin. Während die Queen ihre 2,23 Kilogramm schwere Edwardskrone bei der Krönung auf den Kopf setzen muss und der bei der alljährlichen feierlichen Parlamentseröffnung vorgeschriebene royale Kopfschmuck („Imperial State Crown“) immerhin noch über ein Kilogramm wiegt, ist die 1,162 Kilo schwere Badische Krone nicht dafür gedacht, ein Herrscherhaupt zu schmücken.
„Sie wird allein bei Beerdigungen aus der Silberkammer geholt – als standesgemäße Dekoration“, erläutert Dresch. Dann ist es üblich, dass die Kroninsignien von prächtig uniformierten Höflingen auf Samtkissen im Trauerzug vor dem Wagen mit dem Sarg getragen werden. Diese Funktion erfüllt sie nur dreimal.
Kirchenschätze verwendet
Als das Großherzogtum 1806 das Recht bekommt, eine Krone zu führen, beeilt es sich zunächst gar nicht, solch ein kostbares Stück zu bestellen. Nachdem Großherzog Karl Friedrich 1811 stirbt, muss es aber schnell gehen – denn für die Beisetzungsfeierlichkeiten wird sie gebraucht. Hofjuwelier Karl Wilhelm Dreßler und der Hofgoldsticker Wolf, von dem kein Vorname überliefert ist, bekommen den Auftrag.
Auf eine Unterkonstruktion aus Pappe setzen sie acht breite Bügel aus Drahtgerüst, innen mit Samt, außen mit Silberblech oder mit gelber Seide bespannt. Sie ist mit einem Rautenwerk aus Goldfäden und Pailletten bezogen. An der Spitze befindet sich eine große Kugel aus blauem Glas, auf der ein mit Diamanten und Rubinen besetztes Kreuz sitzt. Dieser Reichsapfel stammt schon vom Kurhut Karl Friedrichs. Die Edelsteine und Diamanten indes sind aus Kirchenschätzen, etwa von Klöstern und aus fürstbischöflichem Besitz, den sich dank Napoleon das Haus Baden einverleiben durfte.
Auch beim 1,36 Meter langen Zeremonienschwert handelt es sich um Säkularisationsgut. 1730 hat es ein Augsburger Goldschmied für den Fürstbischof von Speyer, Damian Hugo von Schönborn, gefertigt. Als der entmachtet wird, fällt es an den Großherzog, für den Parierstange, Griff und Scheide mit Diamanten und Smaragden verziert werden.
Türkischer Streitkolben
Das Zepter indes stammt aus badischen Beständen, nämlich der „Türkenbeute“ der Türkenkriege. Dazu haben die Hofjuweliere einen gegen 1625 in Siebenbürgen entstandenen Buzogan (Streitkolben) umfunktioniert, den Knauf mit einem filigranen Krönchen versehen, den Schaft neu vergoldet und mit Diamanten aus dem Rastatter Hofkirchenschatz verziert.
Nur bei drei Beerdigungen, 1811, 1852 und 1907, werden die Kroninsignien gebraucht – dann wird 1918 Baden Republik und der kostbare Schatz der Staatsschuldenverwaltung, sprich dem Finanzministerium, überantwortet. Da liegt und liegt und liegt er lange im Tresor, ehe ihn das Badische Landesmuseum 2006 offiziell in sein Inventar aufnehmen, 2007 kurz in Mannheim und nun endgültig neu arrangiert in Karlsruhe zeigen darf.
Wenngleich Gold und Edelsteine die meisten Blicke auf sich ziehen, so ist doch auch die 14 Bildnisse umfassende Ahnengalerie der bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Karlsruher Schloss regierenden Herrscher den Besuch wert. Besonders lange, von 1852 bis zu seinem Tod 1907, residiert hier Friedrich I. mit seiner Frau Luise, der Tochter Kaiser Wilhelms I., denen in Mannheim Friedrichsring und Friedrichsplatz beziehungsweise der Luisenpark gewidmet sind. An sie erinnert ein Bildnis, das zu ihrer Goldenen Hochzeit 1906 gemalt wird.
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