Mannheim/Hockenheim/Karlsruhe. Dass das neue Freigelände bei Karlsruhe am Sonntag seine Feuertaufe zumindest bei der Anfahrt von 75.000 AC/DC-Fans bestanden hat, könnte Folgen für den Konzertkalender in Mannheim und Umgebung haben: Das theoretisch für 90.000 Gäste ausgelegte Peter-Gross-Bau Areal in Rheinstetten ist jeweils nur eine gute Stunde Fahrzeit mit dem Auto entfernt von Hockenheimring und Mannheimer Maimarktgelände.
Große Open Airs zog es zuletzt ohnehin verstärkt nach Frankfurt in den Deutsche Bank Park und teilweise nach Stuttgart. Der Mannheimer Veranstalter Matthias Mantel (ATG Entertainment) hatte im Oktober 2024 für die AC/DC-Show vom Sonntag das Maimarktgelände angefragt – und nur eine Kapazität von 60.000 Gästen genehmigt bekommen.
Sorgen, wegen solcher Einschränkungen und der neuen Konkurrenz abgehängt zu werden, macht sich Jan Goschmann, Geschäftsführer der Mannheimer Hallenbetriebs-GmbH (MAHAB) aber nicht: „Der Standort und das Gelände sind gut aufgestellt. Wir haben 180.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche, 15.000 Parkplätze direkt am Gelände, die quasi direkt an der Autobahn liegen, wir sind eingespielt seit 1985 und haben eine gute Infrastruktur“, sagte er am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion. Es gebe ja nicht nur große Rock-Events: „Mit 50 Veranstaltungen pro Jahr sind wir gut gebucht.“
Maimarktgelände darf seine Kapazität an Werktagen nicht ausschöpfen
Er beobachte natürlich die neue Spielstätte im Raum Karlsruhe. „Aber das kann ja auch einen positiven Effekt haben.“ Nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft. Bis zu 75.000 Personen könne man aufs heutzutage auf das Maimarktgelände lassen. „Wobei hier in Mannheim im Einzelfall durch die Stadt geklärt wird, wie viele wirklich kommen dürfen.“ Zuletzt wurden aber nur deutlich geringere Kapazitäten genehmigt, abhängig unter anderem vom Wochentag und weiteren Veranstaltungen.
Über Jahrzehnte hat überwiegend die Mannheimer Agentur BB Promotion, heute ATG Touring, bei großen Open Airs das Maimarktgelände bespielt. Deren Geschäftsführer Matthias Mantel hätte das jetzige Open Air von AC/DC gern auch dort veranstaltet. „Die Anfrage gab es im Oktober 2024. Aber es wären wohl maximal 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen worden.“ Der Freiburger Veranstalter Vaddi Concerts holte die Australier dann nach Rheinstetten.
Er könne sich durchaus vorstellen, künftig selbst Großveranstaltungen auf dem neuen Freigelände anzusetzen: „Warum nicht? Die Stadt Karlsruhe ist halt etwas aufgeschlossener als Mannheim. Da muss man ständig über die Kapazität auf dem Maimarktgelände und den Verkehr Debatten führen – dann geht‘s halt an Mannheim vorbei.“ In Karlsruhe sei für das AC/DC-Konzert sogar eine Kreisstraße gesperrt worden, damit die Shuttle-Busse möglichst freie Fahrt haben.
Die Stadt Mannheim teilte dazu mit, dass sich die Anfrage für AC/DC auf einen Werktag bezogen habe: „An einem Werktag wären der Anreiseverkehr für das Konzert und der tägliche Berufsverkehr aufeinander getroffen. Daher hat die Stadtverwaltung den Veranstalter informiert, dass bei der geplanten Besucherzahl unter der Woche eine möglichst reibungslose und sichere Anfahrt zusätzlich zum Berufsverkehr nicht zu gewährleisten ist.“ Grundsätzlich sei das Maimarktgelände sehr gut zu erreichen.
Riehle fordert runden Tisch mit den Veranstaltern
Braucht eine Großstadt wie Mannheim solche Mega-Events überhaupt, wenn sie regelmäßig zu Verkehrsproblemen und Ärger führen? „Ja, definitiv“, befindet Kulturbürgermeister Thorsten Riehle. „Neben einer vielfältigen Kulturszene, diversen Live-Spielstätten und unterschiedlichen Festivals sind Großevents dieser Art ebenso wichtig für Mannheim als lebendiges Oberzentrum und UNESCO City of Music.“ Die geordnete An- und Abreise stelle bei Veranstaltungen dieser Art regelmäßig eine relevante Fragestellung dar.
„Meiner Einschätzung nach ist es daher wichtig, wenn wir uns als Stadt mit interessierten Veranstaltern frühzeitig konstruktiv auseinanderzusetzen, um innovative Lösungen zu entwickeln. So gibt es beispielsweise technische Möglichkeiten, den Kauf von Veranstaltungstickets an die Vorbuchung eines Parkplatzes zu koppeln – neben den Parkplätzen am Gelände können auch Park-&-Ride-Lösungen in der Umgebung in Betracht kommen“, empfiehlt Riehle das auch in Rheinstetten oder in Frankfurt praktizierte Konzept.
Auch mit Blick auf den Nutzen für Hotellerie, Gastronomie oder Einzelhandel will Riehle Konzertereignisse mit nationaler Strahlkraft ermöglichen. „Deshalb habe ich einen runden Tisch mit den Konzertagenturen, dem Maimarkt und den relevanten Fachbereichen vorgeschlagen. Mannheim muss wieder auf die Landkarte für diese Großereignisse.“
Genesis, Pink Floyd oder die Rolling Stones gaben sich früher in Mannheim das Mikro in die Hand
Früher waren auf dem Maimarktgelände regelmäßig Konzerte mit bis zu 90.000 Fans zu sehen. „Das geht heute schon allein wegen der Bäume nicht mehr, die hinten die Sicht einschränken“, erklärt Matthias Mantel. Ein Vorbuchungssystem für Stellplätze im Rahmen eines Park-&-Ride-Systems wie in Karlsruhe oder am Frankfurter Stadion mache natürlich vieles einfacher: „Aber das funktioniert auf der grünen Wiese, nicht so nah an der Stadt wie bei uns.“
Das letzte große Open Air auf dem Maimarktgelände haben am 26. Juni 2023 die Red Hot Chili Peppers gespielt. Sie mussten sich mit 35.000 Fans begnügen. Die Toten Hosen haben ihr zum Glutofen mutiertes Konzert am 24. Juli 2022 ohnehin kleiner dimensioniert – es kamen 28.000 Besuchende. Die Ärzte lockten im selben Jahr 30.000 Fans an. Vor der Pandemie hatten Metallica (60.000 Fans) im August 2019, wiederum die Toten Hosen (30.000) im September 2018 und Guns N‘ Roses (50.000) am 24. Juni 2018 kurz den Eindruck erweckt, Mannheim wäre wieder eine regelmäßige Anlaufstelle auch für die ganz großen Rock-Events.
Mitte der 80er Jahre hatte sich das Gelände mit Festivals um Deep Purple, Monsters Of Rock, Super Rock, das SWF Open Air 1986 u.a, mit Queen etablierten. Es folgten weitere Glanzlichter wie Genesis (1987/1992), Pink Floyd (1988), Guns N‘ Roses zu ihrer Hochzeit 1991, Metallica, Bon Jovi (1993), U2 (1997) oder den Rolling Stones 1998.
Zäsur nach Bon Jovi und Robbie Williams 2003
Nach dem starken Open-Air-Jahr 2003 folgte eine Zäsur: Bon Jovi entschieden am 1. Juni 2003 im abfahrbereiten Auto, die Sperrfrist zu für eine weitere Zugabe zu überziehen. Die Folge: zahlreiche Beschwerden wegen Lärmbelästigung. Und sechs Wochen später fand es jemand eine gute Idee, Robbie Williams in der Zugabe mitten im vorletzten Lied von der Bühne zu kommandieren, damit er nicht überzieht – und mehr als 65.000 Fans standen gleichzeitig im Dunkeln.
Eine äußerst brenzlige Situation, in der Mannheim Gottseidank nicht zum Vorgänger der tödlich endenden Duisburger Love-Parade wurde. Der anschließende Stau war historisch. Es wurde 2011, bis die Konzertveranstalter keinen Bogen mehr um das Maimarktgelände machten. Den Bann brachen – ausgerechnet Jon Bon Jovi und Co. am 16. Juli 2011.
Werden nach der gelungenen Premiere des Peter-Gross-Bau Areals die großen Bands, die zwischen Frankfurt und Stuttgart spielen wollen, alle dort landen statt auf dem Maimarkt oder dem Hockenheimring? „Das wird man sehen“, meint Mantel. Es gebe ja nicht so viele Bands, die an die 80.000 Besucherinnen und Besucher ziehen. Dass die Abfahrt aus Rheinstetten auch kein Vergnügen und mit Staus verbunden war, findet der altgediente Veranstalter völlig normal: „So ist es nun mal, wenn Zehntausende denselben Ort fast zur gleichen Zeit verlassen wollen. Aber die Verantwortlichen in Rheinstetten werden aus den Problemen bei der Abfahrt sicher ihre Schlüsse ziehen.“
Hockenheimring setzt auf große Kapazität und Stadion-Atmosphäre
Ähnlich wie das Maimarktgelände befürchtet auch der Hockenheimring kein systematisches Abwandern großer Open Airs Richtung Karlsruhe: „Nein, im Gegensatz zum Standort in Karlsruhe verfügen wir am Hockenheimring über eine feste Infrastruktur mit großzügigen Park- und Campingbereichen“, teilte das Geschäftsführer-Duo Jochen Nerpel und Jorn Teske auf Nachfrage mit. „Ein wesentlicher Pluspunkt ist unsere Kapazität: Wir können Veranstaltungen für über 100.000 Besucher ausrichten und dabei rund 18.000 Sitzplätze anbieten. Darüber hinaus sorgten die Tribünen für die bekannte Stadionatmosphäre und bieten zugleich Sitzplätze sowie exklusive VIP-Bereiche.“
Nicht zuletzt habe sich über die Jahre eine eingespielte und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Beteiligten entwickelt, die es ermögliche, Konzerte in Hockenheim besonders kosteneffizient umzusetzen. Im Konzertbereich stehe der Ring seit Jahren im Wettbewerb mit Fußballstadien und anderen Veranstaltungsflächen. „Daher lässt sich nicht eindeutig festlegen, welche Rolle eine zusätzliche Konzertfläche künftig einnehmen wird. Letztlich handelt es sich um unterschiedliche Konzepte von Spielstätten, über deren Einsatz in der Regel der Veranstalter oder der Künstler entscheidet. Ein wesentlicher Faktor bei dieser Wahl ist meist die Kombination aus Steh- und Sitzplatzangebot sowie die Gesamtkapazität, die für die jeweilige Produktion erforderlich ist.“
Vaddi Concerts sieht Rheinstetten mit 75.000 Fans als ausgelastet an
Ob Vaddi Concerts das neue Gelände künftig regelmäßig bespiele, werde sich zeigen: „Das war ja jetzt die Erstbespielung. Jetzt haben wir natürlich einen gewissen Wissensvorsprung, weil wir das Gelände schon genutzt haben“, erklärt Geschäftsführer Marcus Oßwald Er sehe Rheinstetten nicht unbedingt als Konkurrenz zu Mannheim oder Hockenheim: „Bands in dieser Größenordnung spielen ja jeweils einmal in Baden-Württemberg. Das betrifft also auch Stuttgart oder Freiburg. Karlsruhe komme jetzt halt dazu. Die für das Freigelände errechnete Kapazität von 90.000 Personen – „die schaffen wir in der Zukunft nicht mehr, glaube ich.“ Bei AC/DC habe man noch eine brachliegende Fläche nutzen können, die künftig wegfalle. Aber ohne diese sei man als Zuschauer oder Zuschauerin auf der schlauchartigen langen Fläche im hinteren Bereich irgendwann so weit entfernt von der Bühne, „dass man das eigentlich nicht mehr anbieten kann. Ich glaube, es kann ein Gelände für 75.000 Leute bleiben.“ Eine gute Nachricht für Hockenheim, weniger für das Maimarktgelände.
AC/DC - das Programm in Rheinstetten bei Karlsruhe
Hauptteil
1. If You Want Blood (You‘ve Got It) (1979)
2. Back in Black (1980)
3. Demon Fire (2020)
4. Shot Down In Flames (1979)
5. Thunderstruck (1990)
6. Have A Drink On Me (1980)
7. Hells Bells (1980)
8. Shot In The Dark (2020)
9. Stiff Upper Lip(2000)
10. Highway To Hell (1979)
11. Shoot To Thrill (1980)
12. Sin City (1978)
13. Dog Eat Dog (1977)
14. Dirty Deeds Done Dirt Cheap (1976)
15. High Voltage (1975)
16. Riff Raff (1978)
17. You Shook Me All Night Long (1980)
18. Whole Lotta Rosie (1977)
19. Let There Be Rock(1977)
Zugabe
20. T.N.T. (1975)
21. For Those About to Rock (We Salute You)(1981)
Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Messe Karlsruhe, wertet die Premiere auf dem messeeigenen neuen Gelände als vollen Erfolg: „Mit dem AC/DC-Konzert haben wir die Leistungsfähigkeit des Standorts für Open-Air-Veranstaltungen unter Beweis gestellt.“ Das Projekt setze wichtige Impulse für die TechnologieRegion Karlsruhe, die Stadt Rheinstetten und die Messe Karlsruhe. Zumindest die bei Events dieser Größenordnung ungewöhnlich problemlose Anfahrt kann sie als weiteren Pluspunkt verbuchen.
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