Mannheim. Die Herbst-Edition der Time Warp hat an diesem Wochenende insgesamt über 20.000 Freunde der elektronischen Tanzmusik auf das Maimarktgelände gelockt. Das teilte Veranstalter Cosmopop am Sonntagabend in seiner Abschlussbilanz mit. Das aus aller Welt angereiste Publikum feierte gemeinsam das Event, das unter dem Motto „Zwei Tage, zwei Bühnen“ mit satten Beats und eingängigen Melodien für Furore sorgte.
Auch der zweite Tag wird legendär: Während im Maimarktclub unter anderem Kilimanjaro und Chris Stussy die Menge zum Abfeiern bringen, geht es parallel dazu in der Maimarkthalle heiß her. Bei Stars von I Hate Models bis Cloudy ist Vielseitigkeit angesagt. Emotional wird es bei dem Niederländer Joris Voorn: Der DJ verbindet frische Electro-Sounds mit Techno-Beats und gibt eine ordentliche Portion eingängige Melodien dazu. Dazu zählt etwa „We Talk About Dreams“ von Einmusik & Solee bevor es bei Sven Väth eine Spur härter weitergeht.
Beim Altmeister Sven Väth wird es eine Spur härter
Der inzwischen 61-Jährige zählt nicht nur zu den Favoriten und Stammgästen unter den Time-Warp-Künstlern, sondern gilt auch als einer der deutschen Pioniere der Techno-Musik. Eine Time Warp ohne den international renommierten Diskjockey ist nicht mehr vorstellbar. Als Väth die Plattenteller in der Maimarkthalle von Joris Voorn übernimmt, ist es kurz vor 0.30 Uhr. Peitschende Rhythmen, die sich im Bereich 142 Beats pro Minute einpegeln, wummern durch die Halle, die sich in den letzten Minuten noch mal ordentlich gefüllt hat.
Das Set des in Offenbach geborenen DJ-Superstars wirkt wie ein Magnet auf Techno-Liebhaber jeden Alters. Väth beweist auch dieses Mal, dass er noch längst keine Ermüdungserscheinungen aufweist, sondern zu Recht als einer der besten DJs seiner Zeit gilt. Mit seiner unaufgeregten Art, an den Turntables für gute Stimmung zu sorgen, begeistert er die Menge auch bei dieser Herbstausgabe der Time Warp und wird seinem Ruf erneut gerecht. Im Vorjahr hatte er an dieser Stelle seinen 60. Geburtstag gefeiert – am Plattenteller natürlich. Viele Besucherinnen und Besucher lassen sich von dem facettenreichen Sound treiben und tanzen ausgelassen zu seiner Musik.
Passend zu seinen Sounds begeistern auch die Light-Show sowie die Clips, die auf der riesigen LED-Leinwand hinter der Bühne präsentiert werden. Zu Beginn ist diese noch dunkel, mit zahlreichen Lichtpunkten, die um eine blaue Pyramide zu tanzen scheinen. Väths Silhouette wird zum silberfarbenen Avatar aus unzähligen Kreisen, die sich durch ihre Bewegungen immer wieder auflösen und kurz darauf erneut zu einer Gestalt zusammenfügen. Grafische Elemente kommen ebenfalls dazu und gehen eine gelungene Symbiose mit der Musik ein.
Innovative Light-Show fasziniert
Die innovative Lichtshow sorgt mit Sirius-Wave-Technik ebenfalls für Faszination. Mal bringen die beweglichen Deckenleuchten blaues Licht in die Halle. Dann scheinen die horizontalen Lichterketten über der Menge Salsa zu tanzen und in Bewegungen wie eine anmutige Schlange auszuführen. Fast könnte man sagen, dass die visuellen Gimmicks der Musik zeitweise die Show stehlen. Aber im Fall von Väth eben auch nur fast, denn diesem gelingt es spielerisch, die Crowd gezielt nach seinen Sounds tanzen zu lassen, so dass es organisch wirkt – und die Lichter zum Teil der Bühnenshow werden. Viele Gäste zücken das Handy und filmen das LED-Spektakel mit, bei dem Audio und Optik eine wundervolle Verbindung eingehen.
Der zunächst minimalistische Stil auf der Leinwand unterstreicht die zunächst reduzierte, auf den Beat fokussierte Klangkulisse, die Väth am Anfang produziert. In kurzer Zeit wird die Musik reichhaltiger und bewegt sich in Richtung Trance, hinzu kommen bei dem Track „Blue Coast“ von Several Spirits vereinzelte Gesangspassagen, die ins Ohr gehen. Mitreißend wird es bei „No Rush“ von Alter Breed bei der gepflegte Techno-Sounds schnell über die Bühne gehen.
Wenn Väth von Trikk „Luxo“ spielt, scheint das kalte November-Wetter vergessen: Die emotionale Nummer klingt durch seine loungigen Elemente nach lauen Sommernächten in einer Strandbar auf Ibiza. Trikks Werk „Rigor“ erfüllt diesen Anspruch ebenfalls. So wird die Maimarkthalle kurzzeitig zum Partyhotspot am Mittelmeer. Und spätestens wenn Väth „Krystal Klear“ von dem französischen Duo Ofenbach auflegt, scheint der November-Blues endgültig Geschichte zu sein.
Der sommerliche Sound wärmt die Herzen der Feiernden auf, die sich gut gelaunt von den Hits treiben lassen. Melodisch und melancholisch wirkt der Song „Odyssee“ von EDE während „Yah“ von Jonathan Kaspar den Fokus auf den die wechselhaften Tempi legt. Kaspars Song „Power“ wummert gekonnt mit seinem besonderen Rhythmuskonstrukt und reduzierter Melodik und lässt das Herz schneller schlagen. Ein wohliges Gefühl von Old School herrscht, wenn Väth „It’s Like That“ von Run DMC & Jason Nevins anspielt, so dass ein bittersüßes Gefühl von Nostalgie den Raum einnimmt.
Nach Nina Kraviz geht es weiter bis zum Sonntagmorgen
Gegen Ende seines Sets spielt Väth auch etwas Eigenes, nämlich seinen ikonischen Hit „Dein Schweiß“, der von der Menge begeistert aufgenommen wird und mit seinen harten schnellen Beats für Furore sorgt. Zum Finale wird es nochmal melodisch. Die Fans jubeln als er „Magnetoencephalography“ von 01-N auflegt. Nach seinem Set gibt es lauten Beifall – doch es geht um 3 Uhr fast nahtlos weiter mit Nina Kraviz. Die DJane serviert bei ihrem Set an den Plattentellern eine herausragende Mischung mit Acid und Industrial und beweist sich als würdige Nachfolgerin des umjubelten Techno-Pioniers in dieser Nacht. Die endet erst am Sonntagmorgen mit Sets von Lilly Palmer und Novah.
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