Mannheim. Es dauert nur ein paar Sekunden und schlagartig ist diese gewaltige Energie spürbar, die Norbert Schwefel ausgezeichnet hat: das explosive Gitarrenspiel, der schreiend expressive Gesang. In seinem neuen Film „Norbert Schwefel. Musiker. Mannheim.“ dokumentiert Dieter Wöhrle die Karriere der 2015 verstorbenen Rock-Ikone aus der Quadratestadt. Viel Archiv-Material hat der Mannheimer Regisseur aufgespürt, das meiste selbst gedreht und in ein opulentes Werk gepackt. Die Länge von 156 Minuten ist auch der Tatsache geschuldet, dass er die Musik nicht – wie bei so vielen Dokus üblich – ausblendet, sondern ihr Raum gibt.
Mannheimer Underground-Rock-Legende
- Norbert Schwefel (1960-2015) war in den 1980ern die zentrale Persönlichkeit der vitalen Mannheimer Underground-Musikszene . Seine Debüt-EP „Schizophrenic Party“ sorgte 1986 bundesweit für Furore. Die LP „Hot In Hong Kong“ (1988) würdigten mehrere Magazine als Album des Jahres. Die große Karriere blieb ihm allerdings versagt.
- 2001 feierte er mit „Edge City“ ein gelungenes Comeback . Danach machte er vor allem mit ausgefeilten Multimedia-Projekten auf sich aufmerksam. 2015 erschien sein Opus Magnum „Die Schwefel Oper“.
- Der Film „Norbert Schwefel. Musiker. Mannheim.“ von Dieter Wöhrle feiert seine Premiere am 25. September , 19.30 Uhr im Cinema Quadrat in Mannheim, K1,2. gespi
Das ist gut so, denn großartige Musik gibt es zur Genüge in diesem Film, der auch die außergewöhnliche Blütezeit des Mannheimer Alternative-Rock in den 1980ern atmosphärisch aufleben lässt. Damals gab es über 300 Bands in der Stadt, ein gutes Dutzend davon besaß eine Qualität, die deutsche Konkurrenz nicht zu scheuen brauchte. Schwefel war der unangefochtene König der Mannheimer Szene – und er hatte internationale Klasse. Das damals führende Musikmagazin „Spex“ bildete ihn auf der Titelseite ab, „Bravo“ titulierte ihn gar als „Komet des Underground“.
Kollegen würdigen Schwefels Perfektionismus
„Wir orientieren uns nicht nach dem Markt“, verkündet Schwefel in einem Interview aus jener Zeit, in dem er mit Lederjacke, Sonnenbrille und Struwwelfrisur ausschaut wie ein Mitglied von Depeche Mode. Kompromisslose Kreativität war seine große Stärke. Der Film charakterisiert ihn in aufschlussreichen Interviews als Musiker, der stets ganz genau wusste, was er machte, wie seine Lebensgefährtin Susanne Kaeppele, Kunstkritikerin dieser Redaktion, betont. „Er war Perfektionist“, sagt Charles Lemming, mit dem Schwefel 1986 den Song „Schizophrenic Party“ aufnahm, der ihm einen Plattenvertrag einbrachte. „Norbert hatte immer eine sehr präzise Vorstellung davon, wie ein Song sein sollte“, würdigt Gitarrist und Produzent Markus Born. „Alles, was er machte, hatte immer Hand und Fuß“, lobt Drummer Erwin Ditzner.

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Anfangs verschmolz Schwefel, der damals mit dem Saxofonisten Martin Buchholz ein furioses Duo bildete, pochende Computer-Beats, krachende Rock-Riffs und schräge Saxofonklänge zu düster-aggressiven Hymnen wie „Metropolis“ oder „This Is For“, die noch heute erstaunlich frisch und mitreißend klingen. 1988 nahm die neu formierte Schwefel-Band die LP „Hot In Hong Kong“ auf, ein Meisterwerk, auf dem der Ladenburger Gitarrist Axel Ray Steuerwald mitwirkte. Während er danach in den USA Erfolge feiern konnte, kam für Schwefel „der große Durchbruch nie“. Warum das so war, bleibt ein Rätsel. Der Film spürt dem nach: Es hatte wohl damit zu tun, dass Schwefel sich allen kommerziellen Zugeständnissen verweigerte.
Regisseur präsentiert begeisternde Archiv-Funde
Gleichwohl blieb er nach Jahren des Rückzugs ungebrochen kreativ. Nachdem er 2001 mit dem Mannheim-Epos „Edge City“ ein großartiges Comeback in der Region feiern konnte, veröffentlichte er bis zu seinem Tod 2015 sieben weitere Alben, die ausführlich gewürdigt werden. Es sind stilistisch gänzlich unterschiedliche Werke: von Akustik-Folk („A Snare Ate Your Grandfather’s Hat“) über improvisationsfreudigen Krautrock („King Kong Proves That Larger Is Better“) bis hin zur Beatles-Hommage „Number 9“ an der Seite von Leroy Hartmann und dem nachtschwarzen Spätwerk „Kolk“, auf dem Schwefel, schon todkrank, mit Volker Hartmann-Langenfelder expressionische Gedichte vertont.
Einige Aufnahmen, die Wöhrle aus dieser Zeit aufgespürt hat und die selbst eingefleischten Fans kaum bekannt sein dürften, zeigen, dass Schwefel in den 2000er Jahren noch immer ein begeisternder Performer war. Im Video zu „Devil’s Bridge“ fasziniert er auf der Akustik-Gitarre als düsterer Folk-Barde in der Tradition eines Johnny Cash. Auf einem grandiosen Live-Mitschnitt aus dem Mannheimer Musikpark brilliert er bei einer Jam-Session neben seinem Gitarrenkollegen Kosho und dem Saxofonisten Olaf Schönborn als glänzender Jazz-Improvisator. Nicht zuletzt hat er posthum sein Opus Magnum hinterlassen, die „Schwefel Oper“, bei der er die Zerstörung und den Wiederaufbau Mannheims thematisiert; „das düsterste Stadtprojekt aller Zeiten“, wie er selbst sagte.
Bei aller Rasanz erlahmt Wöhrles Film allerdings in den letzten zwanzig Minuten. Etwas Raffung hätte der Dokumentation da gutgetan. Gleichwohl würdigt sie in angemessener Weise eine einzigartige Künstlerpersönlichkeit und bietet viel fesselnde Musik. Auf jeden Fall sehenswert.
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