Konzert

Liebesqual als Hörgenuss: Julia Lezhneva in Schwetzingen

Die Sopranistin Julia Lezhneva und Lautenist Luca Pianca verzaubern im Schwetzinger Schloss mit Arien von Monteverdi bis Händel.

Von 
Raimund Frings
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Hohe Kunst: die Sopranistin Julia Leszhneva mit dem Lautenist Luca Pianca. © Bianca Bapst

Schwetzingen. Was für ein Duo: Die Sopranistin Julia Lezhneva und der Lautenist Luca Pianca. „Goldene Zeiten“ ist ihr Programm überschrieben, erinnernd an die Ära von Elizabeth I. im 17. Jahrhundert. In der Tat sind es diese reinen, strahlenden Klänge, die beiden Virtuosen zaubern im Mozartsaal des Schwetzinger Schlosses. Mit welcher Leichtigkeit, trotzdem was für einer Ernsthaftigkeit, zugleich mit ganzem Temperament: Wie die Russin die Arien von Monteverdi über Vivaldi bis hin zu Händel interpretiert. Der Schweizer Luca Pianca an der Barocklaute neben ihr kommt selbst aus dem Staunen nicht heraus, Konzerte mit solch inniger Qualität erlebt auch er nicht jeden Tag.

Wohltuend menschlich und doch perfekt

Vier Lieder aus der Feder des Giulio Caccini bilden den Auftakt. Der Florentiner gilt als Erfinder der Monodie, ein Einzelgesang mit antikem Ursprung, der akkordisch von der Laute begleitet sind. Zart in den Raum setzt Lezhneva diese Lieder aus der Spätrenaissance. Immer wieder blitzt ihre unnachahmliche Fähigkeit vor, filigrane Koloraturen mit feiner Rhythmik zu veredeln. Selbst in diesen ruhigen Ayren gelingt ihr, Dynamik zu entfalten. Keine Zeile wirkt langatmig, jede Melodievariation öffnet sie mit neuen Klangfiguren. Luca Pianca hält sich in seiner Präsenz zurück, nur manchmal schaut er verschmitzt in die ersten Publikumsreihe. Freilich: Ohne ihn fehlte die Vorstellung, live und in Farbe den höfischen Kosmos aus dem Jahre 1600 zu erleben.

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In Claudio Monteverdis „Ecco di dolci raggi“ wird die Liedlyrik zupackender. Julia Lezhneva setzt auf erkennbar auf erhöhte Körperspannung, ihre Stimme bleibt klar, warm und beherrscht, ihr Ausdruck oszilliert zwischen Stolz, Kummer und Wut. Die Liebesqual als Hörgenuss, Verzweiflung wie das normalste der Gefühle. Spätestens bei einer Kantate von Giacomo Carissimi wird die Sopranistin als gefeierte Opernsängerin erkennbar. Artikulation, Modulation, Mimik und Gestik sind jederzeit wohltuend menschlich und doch perfekt aufeinander abgestimmt.

Die Koloraturen strömen und schillern natürlich, klar, kraftvoll

Die „Goldenen Zeiten“ schreiten ein paar Jahrzehnte voran und erleben eine weitere Steigerung: Antonio Vivaldis ohnehin schon beeindruckende Kantate „Sorge vermiglia in ciel bella aurora“ ist für die Sopranstimme gespickt mit auftürmenden Intervallen, der Refrain bringt sogar aneinandergereihte Oktavsprünge, die immer hoch in die Kopfstimme zu fliegen scheinen. Lezhneva ist davon unbeeindruckt, stets in Einigkeit mit Lautenist Luca Pianca, die Koloraturen strömen und schillern natürlich, klar, kraftvoll. Fast aggressiv beschimpft sie Silvia, in der Lieddramaturgie die „grausame Schäferin“, der bewussten Folter. Wünscht ihr die Vernichtung, die am Ende verklärend in Glaube und Heilung mündet. Hohe Kunst und faszinierend: Übergangslos wechselt Lezhneva von lyrischer Intimität zum tragischem Opern-Modus.

Als Zugabe garniert die Russin das Konzert noch mit der Arie „Lascia la spina cogli la rosa“ von Georg Friedrich Händel - ganz schlicht, kein bisschen sentimental und deswegen umso gefühlvoller. Luca Piana an der Laute hält stets das hohe Niveau dieser beeindruckenden Matinee.

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