Buchmarkt

Heidelberger Verleger Manfred Metzner: „Es geht ums Überleben“

Der Heidelberger Wunderhorn-Verlag hält an seinem Qualitätsanspruch fest. Aber haben unabhängige Akteure auf dem Buchmarkt überhaupt noch eine Chance?

Von 
Hans-Günter Fischer
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Der Heidelberger Verleger Manfred Metzner. © Wunderhorn-Verlag

Heidelberg. Die Probleme, die er früher hatte, würde er sich heute fast zurückwünschen: Da gab es nach den Worten Manfred Metzners einen „sogenannten bürgerlichen Buchhandel“, der einst, vor 50 Jahren, neu gegründete, politisch eher „linke“, unabhängige Verlage nicht ins Sortiment nahm. Sie nicht „listete“, wie es im Fachjargon genannt wird. Doch der „bürgerliche Buchhandel“ war lernfähig und änderte das peu à peu. Er ist für Metzner heute nicht mehr das Problem. Dieses besteht weit stärker darin, dass der „bürgerliche Buchhandel“ allmählich zu verschwinden droht, weil alles von den großen Buchkaufhäusern übernommen wird.

Das ist auch für den kleinen, aber feinen Heidelberger Wunderhorn-Verlag von Manfred Metzner schon rein deshalb eine schlechte Nachricht, weil er wieder einmal nicht „gelistet“ wird – denn nach den Maßstäben der Großverkäufer generieren solche Nischenanbieter einfach zu wenig Umsatz. Nur die Masse macht es für die Handelsketten im Geschäft mit der Kultur, die Einkäufe werden zum Teil bereits von Algorithmen vorgenommen, nicht mehr vom Fachpersonal. Und die Vertreter kleinerer Verlage werden in den großen Häusern gar nicht mehr empfangen.

Die Kurt Wolff Stiftung macht sich für unabhängige Verlage stark

Das klingt alles recht bedenklich. Fast dramatisch. Manfred Metzner gibt uns recht: „Es geht ums Überleben“, sagt er. Ein Verlagssterben sei schon im Gange, jedenfalls bei unabhängigen Akteuren, während mancher große Name (etwa Fischer oder Rowohlt) längst ein schützendes Konzern-Dach habe. Was die vielen Krisen dieser Welt ein Stück weit fernhalte. Bei Kleineren indes schlügen sie auf den Umsatz durch, ob es sich um Corona oder um die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen handele. Zurzeit läuft einfach eine ganze Menge gegen sie.

Doch wo die Not ist, wächst auch schon seit der Jahrtausendwende Rettendes: Da wurde die Kurt Wolff Stiftung gegründet, die sich systematisch für die unabhängigen Verlage starkmacht, ihnen auf den Buchmessen und mittels eines Katalogs zur Sichtbarkeit verhilft – und demnächst ihren 25. Geburtstag feiern wird (am 17. Oktober).

Manfred Metzner kann da viel erzählen, nach der Gründung führte er zehn Jahre lang den Vorsitz der Kurt Wolff Stiftung. Eine zentrale Rolle spielte auch der erste deutsche Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, gut bekannt mit Metzner. Dieser lobt zudem die Staatsministerin Monika Grütters – sie kam Jahre später – als bemerkenswerte „Aktivistin“, für die Stiftung habe sie sich immer eingesetzt. Auch durch ein Gutachten, das für die „strukturelle Förderung“ der kleineren Verlage eingetreten sei. Doch unter Claudia Roth sei dieses Gutachten leider in irgendeiner Schublade verschwunden. Ob der neue Staatsminister Wolfram Weimer es nun bald wieder hervorzaubert? Von dessen Absichten weiß Manfred Metzner noch nicht viel. Doch Weimer könne immerhin Verse von Hölderlin zitieren.

Die medialen Veränderungen tun ihr Übriges

Und das ist ja auch schon was, zumal in Metzners Augen, dessen Wunderhorn-Verlag sehr viel für Lyrik tut. Während die großen „Player“ dieses edle Genre häufig gar nicht mehr ins Sortiment aufnehmen, weil Berater, die sie sich ins Haus holten, doch tatsächlich errechnet haben, dass sich Lyrik finanziell kaum lohnt. Wer hätte das gedacht. Dass im Verlagswesen auch Renommee und ideelle Werte eine Rolle spielen könnten, wird gar nicht erwogen.

Die medialen Umwälzungen seit den Nullerjahren tun ein Übriges. Der Wunderhorn-Verlag spielt mit, so gut es geht: Bedient etwa, zumindest mit seinen Roman-Ausgaben, auch den E-Book-Markt („Das ist ein Muss“). Nutzt Instagram und Facebook. Einzig gegenüber der chinesischen Erfindung TikTok sind bei Wunderhorn gewisse Vorbehalte da. Aber die hergebrachten Plattformen in Presse, Funk und Fernsehen verlören leider an Bedeutung, und die Zahl an Rezensionen nehme deutlich ab. Diese seien zudem ans Anzeigengeschäft geknüpft – und diesbezüglich könnten kleinere Verlage meist nicht mithalten, denn ihr Etat für Werbung sei gleich null. Die Dringlichkeit zum Gegensteuern, auch durch öffentliche Gelder, sei also enorm, sagt Manfred Metzner.

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Und wie steht es um den Standort Heidelberg, bekannt für seine einzigartige Pro-Kopf-Verlagsdichte? Dass seit 2014 zusätzlich mit der UNESCO-Zuschreibung „City of Literature“ geworben werden kann, sieht Metzner rundum positiv. Das habe internationale Auswirkungen. Auch sein eigener Verlag fuhr seit der Gründung 1978 zweigleisig, das zeigt bereits der Blick auf seine Allzeit-Bestseller: Die regionale Note unterstreicht Michael Buselmeiers Heidelberg-Buch, doch noch besser waren die Verkäufe, als der Wunderhorn-Verlag 2008 als einziger in Deutschland etwas Aktuelles vom französischen Weltbürger Le Clézio parat hatte, als diesem der Nobelpreis zugesprochen wurde.

Qualitätsbewusstsein muss man eben haben. Und auch das Entdecker-Gen. Die kleineren Verlage haben häufig beides, und es wäre nicht nur für sie selbst betrüblich, wenn das kulturelle Artensterben nicht verhindert oder wenigstens verlangsamt werden könnte. Vorerst gilt – zum Glück – ein alter Satz von Manfred Metzner noch: „Wir sind der absolute Widerspruch zu allem, was die großen Buchkonzerne machen.“

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