Heidelberger Frühling

Gabriela Montero verzaubert Heidelberg mit musikalischer Vielfalt

Die venezolanische Pianistin Gabriela Montero begeistert beim Heidelberger Frühling mit intensiven Interpretationen und spontanen Improvisationen.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Gabriela Montero unterlegt den 20-minütigen Stummfilm „The Immigrant“ von Charlie Chaplin mit Musik. © Nico Rademacher

Heidelberg. Wieder einmal liegt ihr Heidelberg zu Füßen. Und das mit einem Programm, das nicht auf unmittelbare Annahme ausgerichtet ist, vom cineastischen Finale einmal abgesehen. Vielleicht ist es diese Mischung aus Intensität und Selbstverständlichkeit, die das Musikalische bei Gabriela Montero so authentisch erscheinen lässt. Sie ist keine Sokolov’sche Auster, sie zündet kein Levit’sches Bühnenfeuerwerk, sie ist vielmehr ganz bei sich – und in der künstlerischen Darstellung zugleich weit nach außen geöffnet.

Nebenbei ist die venezolanische Pianistin auch eine stupende Technikerin. Woher sie die Kraft nimmt, ist ihr auf dem Stuhl in der Aula der Neuen Universität nicht anzusehen. Der Körper scheint völlig in Ruhe, aber die monumentalen Akkordballungen dröhnen dennoch wie schwere Glockenschläge aus dem Flügel, lediglich der Monitor, auf dem sie die Noten abliest, wackelt bedenklich. Mit Sergej Prokofjews „Sarkasmen“, der jeweils zweiten Sonate Prokofjews und Sergej Rachmaninows sowie der Sonate Igor Strawinskys stehen Werke auf dem Programm, die sich an der Nahtstelle von Alt und Neu behaupten und das Neue zugleich in vollem Sturm erobern. Das fordert auch von den Hörenden die volle Bereitschaft, sich auf Provokantes, Quergestelltes, durchaus auch Dissonantes einzulassen.

Virtuosität trifft auf Improvisationskunst beim Heidelberger Frühling

Doch Gabriela Montero unternimmt ihren Husarenritt durch die mit kalkulierten Grotesken versetzte Posttonalität, mit denen Prokofjews „Sarkasmen“ reichlich versehen sind, durchaus nicht Hals über Kopf. Dank der vielfältigen Anschlagsnuancen, die sowohl die suchenden Einzeltöne würdigen als auch impressionistisch flirrende Stimmungsbilder entwerfen können, hat diese Musik neben Struktur und Transparenz auch klangliche Schönheit.

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Monteros rhythmisch präzises Spiel wirkt auch bei Prokofjews Sonate überlegt und nachvollziehbar. Der Wechsel von verhangener Stimmung zu Passagen voller Witz und Esprit gelingt ihr ohne den leisesten Anflug einer Attitüde, und selbst Rachmaninows Sonate mit ihrem orchestralen Klangzauber liefert sie nicht dem Effekt aus. Im Finale mit seinen wahnwitzigen Wendungen und brachialen Verdichtungen hätte es ein zusätzliches Orchester schwer, sich hier noch Gehör zu verschaffen. In Strawinskys Sonate gelingt es der Pianistin, die unermüdlichen Bewegungsenergien aufzunehmen und etwa in Non-Legato-Bassläufe umzusetzen.

Für ihre Improvisationen bekannt, kommt Gabriela Montero bei diesem Heidelberger Frühling nun die Aufgabe zu, den 20-minütigen Stummfilm „The Immigrant“ von Charlie Chaplin spontan mit Musik zu unterlegen. Das schlingernde Schiff auf dem Meer, seekranke Passagiere, Würfelspiel, zarte Flirts, skurrile Slapsticks, drollige Szenen im Gasthaus – all das findet im improvisierten Klavierspiel unmittelbar Ausdruck. Das ist genauso treffend wie unterhaltsam, und auch Monteros abschließende Improvisation über einen zugerufenen Publikumswunsch verpufft nicht wirkungslos. Mit der Melodie des populären Standards „Over The Rainbow“ geht sie freilich weniger als Jazzerin um, denn als Musikerin, die mit barocken und klassischen Kompositionsmustern vertraut ist. Souverän ist auch das allemal.

Freier Autor

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