Es gehe ihr darum, „eine Art Gerechtigkeit wiederherzustellen“, wird die ukrainische Theatermacherin Anastasiia Kosodii (Bild), Hausautorin am Mannheimer Nationaltheater (NTM), von der Dolmetscherin übersetzt. „Diese Gerechtigkeit besteht darin, dass man trauert um die Getöteten, Ermordeten. Dass man versucht, diese Gerechtigkeit im Namen der Toten wiederherzustellen“, fährt sie fort, in ihrer Antwort auf die Frage, welche Themen für sie und Yuriy Gurzhy - mit dem sie bei der Gesprächsrunde im Studio Werkhaus des Theaters von ihrer Arbeit und ihren Projekten berichtet - derzeit zentral in der künstlerischen Tätigkeit seien. „Es geht darum, dass man berichtet, dass man das alles bekannt macht“ und auch, um „die Wiedergutmachung, die wir dann nach dem Krieg, nach dem Sieg erwarten.“
Ein Jahr, in dem Unzählige starben
„Theater(machen) in Zeiten des Krieges. Ukrainische Perspektiven.“ lautet der Titel dieses Abends. „Ein Jahr ist vergangen, seitdem die russische Armee den Krieg vom Osten der Ukraine und der Krim auf das ganze Land ausweitete“, notierte das Theater in der Ankündigung dazu. Ein Jahr, in dem Unzählige starben, in dem Millionen von Menschen dazu getrieben wurden, ihr Land zu verlassen. Am 22. April wird im Studio Werkhaus des Nationaltheaters Kosodiis Stück „Wie man mit Toten spricht“ uraufgeführt, die Dramatikerin führt dabei selbst Regie.
Yuriy Gurzhy, Musiker, DJ, Produzent, Buchautor, Kolumnist (und zusammen mit Wladimir Kaminer Initiator der legendären Partyreihe „Russendisko“) schreibt dazu die Musik. Er lebe seit 27 Jahren in Deutschland und wisse, dass er und seine deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgerinnen die Möglichkeit haben, sehr viele Informationen über die Ukraine zu bekommen, wird Gurzhy übersetzt. Aber er wisse auch, „wie schwierig die Kontextualisierung dieser Informationen“ sei. „Und mir und meinen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, geht es darum, einen Zugang zu diesen Informationen, zu diesen Ereignissen zu verschaffen“, um ein Verständnis dafür zu ermöglichen, was derzeit mit seinen Freunden und Bekannten in der Ukraine jetzt passiere.
Beredtes Zeugnis des Geschehens
Eingangs lesen Schauspielerin Alina Kostyukova und NTM-Ensemblemitglied Annemarie Brüntjen - die beide gleichfalls in „Wie man mit Toten spricht“ mitwirken - aus Kosodiis Stück „Acht kurze Kompositionen über das Leben der Ukrainer*innen für ein westliches Publikum“, eine Arbeit, die im Sommer 2022 entstand und derzeit in Kiew aufgeführt wird.
Wechselnd in deutscher und ukrainischer Sprache vorgetragen (und jeweils in der anderen übertitelt), faltet sich das Stück wie ein gedankenvolles (Kultur-)Tagebuch auf, als Skizze der Familiengeschichte und persönlich räsonierende Chronologie des Kriegsgeschehens. Und wird damit zugleich zum beredten Zeugnis ukrainischen Lebens mit tiefen, von Raketen geschlagenen Wunden.
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