Hundekot-Affäre

Nach Hundekot-Skandal: Mannheim zeigt Goecke-Stück doch nicht

Der aufsehenerregenden Dackelkot-Attacke des Choreographen Marco Goecke folgte der Rauswurf an der Staatsoper Hannover. Nun reagiert auch Mannheim und zeigt seine für Mitte April geplante Choreographie nicht

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Im Zentrum des Eklats an der Staatsoper Hannover: Choreograf Marco Goecke. © Gateau/dpa

Mannheim. Gut Ding will Weile haben … Besonders am Nationaltheater (NTM), wo insbesondere die Tanzleitung seit „dem Vorfall“ zwischen Choreograph Marco Goecke und „F.A.Z.“-Kritikerin Wiebke Hüster intensiv und lange diskutierte. Der diskret erwähnte „Vorfall“ war der Einfall des renommierten Choreographen, das Gesicht der ihm gegenüber hartnäckig kritischen Rezensentin mit dem Kot seines Dackels zu beschmieren.

Wir berichteten und stellten schleppend wie schmallippig beantwortete Fragen an Tanzintendant Stephan Thoss, auf dessen Spielplan im April auch eine Arbeit von Goecke angekündigt war. Zeigt er sie oder nicht? Das war eine unserer Fragen. Nun gab Thoss zusammen mit dem Geschäftsführenden Intendanten Tilmann Pröllochs bekannt: „Wir bedauern den justiziablen Vorfall sehr und verurteilen jegliche Form von Gewalt - ob verbal, körperlich oder anderweitig. Die als dreiteiliger Abend geplante Premiere „Young Lovers“ von NTM Tanz am 15.04.2023 wird ohne die Choreographie „Woke up blind“ von Marco Goecke aus dem Jahr 2016 stattfinden.“

Presse- oder Kunstfreiheit?

Die Aktion Goeckes hatte Thoss zuvor auf Anfrage mit dem Wort „Inakzeptabel“ bewertet, die Frage, ob die Staatsoper Hannover seiner Ansicht nach richtig gehandelt habe, indem sie Goeckes Vertrag aufgelöst hat (wir berichteten ebenfalls), mit einem knappen „Ja“ beantwortet. Der Mannheimer Grünen-Politiker Markus Sprengler hatte in Sozialen Medien vom NTM gefordert, dass der Goecke-Teil im April rausgenommen werden müsse.

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Im Rahmen der Bloomaulverleihung sprach Thoss mit dem Stadtrat im Tanzhaus, „um auch seine Meinung in unsere Entscheidungsfindung einfließen zu lassen“. Lediglich die Interview-Frage zu Sprenglers Anwürfen zum Komplex Kunst- versus Pressefreiheit sind Thoss mehr Worte wert: „Die Pressefreiheit ist für mich einer der wichtigsten Artikel des Grundgesetzes - gleichberechtigt neben Meinungsfreiheit. Im selben Artikel 5 steht unter Absatz 3 auch: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

In Absatz 2 steht: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Absatz 2 wird in einer Gerichtsverhandlung zwischen Marco Goecke und Wiebke Hüster wahrscheinlich im Fokus stehen.“

Wir bedauern den justiziablen Vorfall sehr und verurteilen jegliche Form von Gewalt - ob verbal, körperlich oder anderweitig
Stellungnahme des Nationaltheater

Kunstfreiheit und Pressefreiheit tanzen längst nicht nur juristische Tänzchen auf Messers Schneide. Verrohungsprozesse durch digitale, ungefilterte Meinungsabsonderungsmöglichkeiten, das Zusammentreffen meist starker Egos vermeintlicher Meinungshoheitsinhaber und eine zugunsten werbender Vorberichterstattung absterbende Rezensionskultur verstärken diese medienhistorisch seit jeher „innige Beziehung“ von Kritik und Kunst.

Wie Hannovers Intendantin Laura Berman kommt auch Thoss nicht ohne lobende Worte aus: „Es ist mir wichtig zu sagen, dass der Choreograph Marco Goecke mir und vielen anderen Kollegen künstlerisch weit voraus ist. Der Vorfall aber ist absolut inakzeptabel.“ Man will zurück zum Tagesgeschäft: „Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir auf sein Stück verzichten und wieder zur Ruhe finden, um unsere eigentliche Arbeit zu schützen und leisten zu können.“

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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