Am Ende steht hier - Sorry, es geht nicht anders - ein schmutzig verpackter Damenhintern, der sagt: „Leckt mich doch!“ Mozarts „Idomeneo“-Musik - also das, was von ihr übrig geblieben ist - dreht noch schnell eine Kurve. Bratsche, Cello und Kontrabass flöten irgendwelche Leittöne von cis zu d oder von eis zu fis in die Luft, die nirgendwo mehr hinleiten als zu einem einsamen d (immerhin der Originalschluss), und über dem schmutzig verpackten Damenhintern prangt, sozusagen als Krönung dieses unverschämten Abends, ein Violinschlüssel. So endet also „Neo Dome I“, wie Macher Ariel Efraim Ashbel es nennt, „in den Tiefenströmungen von Mozarts ’Idomeneo’“.
Kulturelle Buntheit und schrille Kostümierung
Was für ein Abend! Man kann sich ihm im Rokokotheater nur locker nähern, am besten mit kurzer Hose, Humor und Freude daran, dass nicht alles Sinn haben muss, was Sinn haben kann. Das heißt nicht, dass „Neo Dome I“ (ein Anagramm aus IDomeNeo) ein Abend ohne Statement wäre. In seiner kulturellen Buntheit und schrillen Kostümierung schließt er gar direkt an die verrückten Launen des Genies (Mozart) an und proklamiert eine L’art pour l’art, die bisweilen fast dadaistische Züge annimmt. Ein Teil des Publikums, vor allem in den hinteren Sitzreihen, kann darüber herzhaft lachen.
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Optisch opulent geht es zu, in ständiger Bewegung befindet man sich, stets werden Prospekte von der Obermaschinerie rauf- und runtergefahren, gibt es Licht- und Schattenspiele, Bombardements mit tollen Bildern, werden Teile des Originals gesungen, gespielt oder eben verwurstet (Arrangement: Ethan Braun) - es ist wie in einer quietschbunten audiovisuellen Remix-Maschinerie. Die längste Sequenz ist eine Lebendskulptur, in der lebendige Brunnenfiguren (Tänzerinnen und Tänzer) mit Wasserspritzspielzeugen herumspritzen. Witzig? Vielleicht - ma non troppo! Jessica Gadani, Mezzo, der starke Marcel Brunner, Chor, Statisterie, Bewegungschor und NTM-Orchester machen das unter Clemens Heil bemerkenswert gut.
Dass dieser verschwenderische und sicher teure Abend nicht abwechslungsreich wäre, kann man ihm kaum vorwerfen, eher, dass im fast nervenden Dauerfeuer sprudelnder Variation schon wieder Monotonie eintritt. Viel bunt wird auf Dauer eben auch grau. Offenbar interessiert sich Ashbel für die „Tyrannei des Subjekts“ und das „Gewalttätige Vermächtnis des Humanismus“. All das kann man in dem Abend vielleicht lesen, vielleicht auch nicht. Er ist locker und flockig, bisweilen heiter, nie aber tiefgründig oder gar bedeutend. Am besten nähert man sich ihm ohne Erwartungen. Und vielleicht rückwärts. Zuerst der Hintern, dann das Hirn.
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