Neue Musik

Trickster Orchestra kommt ins BASF-Feierabendhaus Ludwigshafen

Seit dieser Woche proben in Ludwigshafen Musiker aus mehreren Ensembles. Die Musikerinnen und Musiker des Trickster Orchestras, das im BASF-Feierabendhaus spielt, hat stark internationale Wurzeln

Von 
Uwe Rauschelbach
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Proben für die Aufführung „ Amphiphilie“ im BASF-Feierabendhaus. Am Dirigentenpult steht Cymin Samawatie, die mit dem Schlagzeuger Ketan Bhatti das Künstlerische Leitungsduo bildet. © Manfred Rinderspacher

Ludwigshafen. Auf die Suche nach einem „gemeinsamen Wir“ hat sich das Trickster Orchestra begeben, das seit 2013 in wechselnden Besetzungen auftritt. Seit Anfang dieser Woche proben in Ludwigshafen Musiker aus mehreren regionalen Ensembles - der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, des Nationaltheater-Orchesters, des Kurpfälzischen Kammerorchesters, des Ensembles Colourage und des Klangforums Heidelberg - für ein Konzert an diesem Freitag. Es ist dem Grundgedanken des Trickster-Konzepts verpflichtet, eine neue Sprache zu finden, die unterschiedliche stilistische Herkünfte zueinander in Beziehung setzt.

Die Musikerinnen und Musiker, die auf der Bühne des BASF-Feierabendhauses sitzen, haben europäische, syrische, türkische, chinesische, japanische oder iranische Wurzeln. Die Instrumente entsprechen größtenteils traditionellen symphonischen Besetzungen. Doch am ersten Pult sitzt kein Geiger, sondern ein Flötist. Und neben Posaunen, Trompeten, Klarinetten oder Fagotten spielen eine Koto (japanische Zither), eine Sheng (chinesische Mundorgel), eine Kanun (orientalische Zither) und eine Oud (arabische Laute) mit.

Am Dirigentenpult steht Cymin Samawatie, die gemeinsam mit dem Schlagzeuger Ketan Bhatti das Künstlerische Leitungsduo des Trickster Orchestras bildet. Beide haben auch die Musik für „Amphiphilie“ geschrieben. So lautet der Titel für die Uraufführung am Freitag. Er bezeichnet einen chemischen Vorgang, bei dem sich Stoffe sowohl in Wasser wie in Fett lösen. Metapher für einen ästhetischen Prozess also, in dem aus vielfältigen musikalischen Elementen etwas Neues entsteht.

Demokratische Zusammenarbeit

Der Bezug zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen ist beabsichtigt. Das Trickster Orchestra versteht sich als ein Modell, mit dem sich die Utopie von einem friedvollen Zusammenleben zumindest im momentanen künstlerischen Akt realisieren lässt. Entsprechend demokratisch und unhierarchisch verlaufen auch die Proben. Musikerinnen und Musiker können eigene Vorschläge einbringen; an einigen Stellen wird auch die Partitur nach den Vorstellungen eines Instrumentalisten korrigiert.

Trickster Orchestra

  • Das Trickster Orchestra tritt am Freitag (23. Februar) im Feierabendhaus auf. Los geht es um 20 Uhr.
  • Karten sind zu unterschiedlichen Kategorien für 35, 30 oder 25 Euro erhältlich. Sie können online gebucht werden über die Website www.basf.com. Mit dem Stichwort Trickster Orchestra in der Suchleiste ist der entsprechende Link auffindbar.
  • Konzertbesucher können das Parkhaus in der Karl-Müller-Straße benutzen.

Weder Cymin Samawatie noch Ketan Bhatti haben damit ein Problem - wenn auch der Aufwand, ein derart diverses Projekt auf die Beine zu stellen, vergleichsweise hoch ist, wie Bhatti beim Gespräch am Rande der Proben einräumt. Zumal nicht nur nach Noten gespielt wird, sondern immer wieder auch Räume für Improvisationen geöffnet werden. Das „gemeinsame Wir“ entsteht so nicht nur als ästhetisches Ideal, sondern prägt bereits die Interaktion zwischen Musikerin und künstlerischen Leitern. Dirigentin und Instrumentalisten begegnen sich auf Augenhöhe, wenn auch die Proben durchaus mit einem hohen Anspruch an die Bereitschaft versehen ist, sich in ein Kollektiv integrieren zu lassen.

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Auf der Suche nach einer zeitgenössischen Musiksprache fließen klassische, traditionelle und moderne Klangformen zusammen. Ein vielstimmiges Ganzes, das Unterschiede wie Ähnlichkeiten gelten lässt. Dabei soll kein folkloristischer Flickenteppich entstehen, wie Ketan Bhatti betont. Vielmehr versteht sich die in „Amphiphilie“ dargestellte musikalische Vielfalt als Ausdruck einer Haltung der Akzeptanz und des gegenseitigen Interesses, die wiederum als Voraussetzung dafür gesehen wird, dem Gemeinsamen einen neuen Ausdruck zu verleihen. Als zusätzliche Inspirationsquelle dienen hierbei Libretti, die von der Mannheimer Autorin Seda Keskink?l?ç stammen. Sie hat Gespräche mit Menschen aus migrantischen Milieus bei Telefonaten, Spaziergängen oder in Cafés nach ihren Zukunftserwartungen befragt.

Libretto von Seda Keskink?l?ç

Daraus ist ein Libretto in mehreren Variationen entstanden, das sich für unterschiedliche musikalische Adaptionen anbietet. „Loskommen von alten Strukturen“ war auch die Erfahrung, die Seda Keskink?l?ç beim Schreiben der lyrischen Texte motiviert hat. Auch bei der Interaktion von Wort und Musik gehe es darum, „eine neue Sprache zu finden“. Ein Experiment mit offenem Ausgang, wie die Autorin im Gespräch jenen Moment beschreibt, in dem sie das 15-seitige Manuskript der musikalischen Anverwandlung anvertraut hat. Für Komponist Ketan Bhatti haben sich die Texte als reichhaltige Inspirationsquelle erwiesen. Sie werden von Vokalisten des Heidelberger Klangforums teilweise rezitiert, teilweise wurden sie aber auch klanglich assimiliert. Vielleicht jenem romantischen Ideal folgend, wonach Musik selbst dem Unaussprechlichen Ausdruck zu verleihen vermag.

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Die Proben geben einen Eindruck von der dynamischen und klanglichen Bandbreite dieser Musik, die traditionelle Hörgewohnheiten immer wieder konterkariert. Sechs-Achtel- wechseln unversehens mit Sieben-Achtel-Takten, die von Dirigentin Cymin Samawatie mit präziser und energischer Zeichengebung geschlagen werden. Dazwischen wird eine Pizzicato-Passage in der Partitur mit dem Einverständnis von Komponist Ketan Bhatti geändert.

Einen hör- wie sichtbar großen Anteil nehmen die Schlagwerker und Perkussionisten im Orchester ein. Groovende und soghafte Rhythmen verraten Einflüsse des Jazz, geräuschhafte Klänge die der zeitgenössischen Neuen Musik. Kammerformationen wechseln mit Tutti-Besetzungen ab. Und was passiert, wenn das Xylophon auf die Koto trifft? Oder die Kontrabassblockflöte auf die Kanun? Vielleicht tatsächlich so etwas, wovon die Trickster-Idealisten beseelt sind - ein „gemeinsames Wir“. Und ein Modell, das einer von Polarisierungen und Segregation strapazierten Gesellschaft wenigstens als Utopie anzuempfehlen wäre.

Freier Autor

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