Nationaltheater

Theaterproduktion "Pigs" hinterfragt in Mannheim die Ernährung

Auf der Buga 23 wird die Theaterproduktion "Pigs" aufgeführt. Es geht dabei um Tierhaltung und Fleischkonsum. Neue Facetten des Themas werden aber kaum ersichtlich

Von 
Sibylle Dornseiff
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Von Schweinen und Menschen, vom Mit- und Gegeneinander: Szene aus der Produktion „Pigs“ mit Boris Koneczny (l.) in der Rolle eines Fleischessers und Rocco Brück, der einen Klimaaktivisten gibt. © Maximilian Borchardt

Der Aufbau in der dunklen Halle 5 erinnert an einen Schweinekoben mit 31 metallenen Gattern. Jeder Pferch hat einen drehbaren Hocker, im Rücken eine Ablagefläche und darüber einen Monitor. In der Mitte der Halle steht eine ebenfalls runde Podestbühne, auf der zwei (schauspielernde) Menschen in weißen, blutrot-gesprenkelten Anzügen versuchen, den Umsitzenden ein schlechtes Gewissen wegen ihres (Schweine)Fleischverzehrs zu machen. Oder aber die Vegetarier/Veganer unter ihnen zu bestärken.

Wenn sie keine Moderationsfragen stellen, dann streiten die beiden, aalen sich in der Badewanne oder singen auch das ein oder andere Lied. Der eine (Boris Koneczny) – ein bekennender Fleischesser – schlüpft auch gerne mal in die Rolle des Schweines. Rocco Brück dagegen vertritt die Gegenposition. Ziel der interaktiven Mischung aus Infotainment und Demokratiespiel ist es, einen Umdenkungsprozess in Gang zu setzen.

Gewissensbisse gefragt

Deswegen darf das aus 30 Menschen bestehende Publikum auch nicht einfach nur zuschauen, sondern ist aufgefordert, in jeder der insgesamt 90 Minuten mit zu agieren, Fragen zu beantworten oder Stellung zu beziehen. Einer anonymen Umfrage zufolge leben sieben vegetarisch, vier essen zu viel Fleisch, nur 15 sind freiwillig da, 14 kommentieren regelmäßig das Essverhalten anderer, nur zwei halten sich für gute Menschen, zwölf finden Moralisten anstrengend, 14 halten den Menschen für die überlegene Spezies, 17 glauben, das Stück „Pigs“ soll Gewissensbisse machen….

Es geht um Fragen wie: Wen oder was darf man essen oder auch nicht? Was unterscheidet die Menschen von den Schweinen? Ist der Mensch das bessere Tier? Überlassen es die Schweine den Menschen, die Welt zu retten, weil nur sie die Zusammenhänge verstehen und gezielt Pläne machen können? Hat deshalb das Schwein kein Recht auf Unversehrtheit? Und wenn der Mensch die Welt nicht rettet, darf dann das Schwein Menschen essen?

Koproduktion auf der Buga 23

  • „Pigs“ ist eine interaktive Installation von Miriam Tscholl (auch Regie). Die vor einemJahr in München uraufgeführte Mischung aus Infotainment und Demokratiespiel ist eine Koproduktion der Münchner Kammerspiele, des Jungen Schauspiel am Düsseldorfer Schauspielhaus, des Nationaltheater Mannheim, der Buga 23, des Schauspiel Hannover, des Schauspiel Stuttgart und des Theater an der Parkaue Berlin.
  • Regie, Bühnenbild, ja die ganze Einrichtung wandert von Stadt zu Stadt, nur das jeweils agierende Duo kommt von den kooperierenden Ensembles.
  • Die Mannheimer Premiere fand in der Halle 5 auf dem Spinelli-Gelände statt, dort gibt es bis 14. Mai noch weitere 33 Vorstellungen.
  • Der Zugang ist nur mit einer BUGA-Dauer- oder Tageskarte möglich. Da es nur 30 Platzkarten gibt, ist eine Vorbestellung notwendig.
  • Nächste Vorstellungen: 25.4., 11 und 19 Uhr; 26.4. und 27.4., je 9.30 und 12 Uhr; 28.4., 11 und 19 Uhr; 29. und 30.4., 19 Uhr.
  • Reservierung unter: https://tickets.buga23.de/shop/103.

Gedankenhilfe leisten 30 auf den Monitoren eingespielte Experten und Expertinnen aus den gesellschaftlichrelevanten Bereichen Politik, Kunst, Gewerbe, Industrie, Philosophie…. Das sind übrigens echte Menschen, keine Schauspieler/innen. Sechs zufällig ausgewählte Statements darf/muss sich jede/r anhören. Da lobt der ehemalige niedersächsische Agrarminister Christian Meyer die von ihm eingeführte und als Indikator fürs Schweinewohl dienende Ringelschwanzprämie und fordert die Reduzierung der Massentierhaltung um die Hälfte. Da erläutert der Islamwissenschaftler Ali, weshalb Muslime wegen der unklaren Trennung von verbotenem Schweine- und anderem Fleisch nicht bei deutschen Metzgern einkaufen können.

Da hält eine Philosophiestudentin ein Plädoyer für Tierethik; Schweinezüchter Robert propagiert eine das Tierwohl fördernde Öko-Linie, auch wenn die konventionelle Haltung wirtschaftlicher sei. Und Schweinehalterin Gisa bemängelt, dass Verbesserungen bei den Haltungsformen durch die Politik und durch das Baurecht ausgebremst werden. Mit dem Verhältnis von Gesellschaft, Mensch und Tier beschäftigt sich Maler Hartmut, in seinen Bildern begegnen sich Mensch und Tier auf Augenhöhe.

Nun wird die an jedem Platz ausliegende Menükarte geöffnet, mit der Aufforderung, sich gegenseitig darin aufgelistete Fragen zu stellen. Wie viele tierische Schimpfworte kannst du in 30 Sekunden aufzählen? Warst du schon einmal bei einer Schlachtung dabei? Wo ist deine Doppelmoral…..?

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Geeignet für Schulklassen

Ist „Pigs“ geeignet, einen Umdenkungsprozess einzuleiten? Vielen, die sich hier freiwillig in den Schweinekoben begeben, dürften die darin behandelten Themen schon bekannt sein. Auch die Zusammenhänge zwischen CO2-Emissionen und Nahrungsmitteln. Aha-Effekte fehlen, so richtig aufrütteln kann das Stück nicht. Zumindest nicht die Gleichgesinnten. Und ob „Unverbesserliche“ das Stück besuchen, ist fraglich.

Schulklassen – die ausdrücklich angesprochen werden – dürften da eher ein geeignetes Zielpublikum sein. Die werden an dem glücklicherweise nicht überpädagogisierten Spiel ihren Spaß haben.

Freie Autorin Spezialgebiete Sport und Kultur:Sport: Turnen, Tanzen, Leichtathletik, Kanu, Eiskunstlauf, Short-Track, Curling, Judo, Triathlon, Rope Skipping, Turf, Reiten, Volleyball.Kultur: Theater/Schauspiel, Tanz, Ballett

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