Bayreuther Festspiele

"Tannhäuser" macht sich über Kulturstaatsministerin Claudia Roth lustig

"Dr. Claudias Kasperltheater: Hänsel und Gretel": In Wagners "Tannhäuser" geht Regisseur Tobias Kratzer im Bayreuther Festspielhaus auf die Vorwürfe von Claudia Roth ein, in Bayreuth doch nicht nur Wagner zu spielen

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Zwei Fronten: Le Gateau Chocolat, Venus (Irene Roberts) und Oskar (Manni Laudenbach) ringen im linken Bereich genau so wie Elisabeth (Elisabeth Teige rechts in Weiß) um Tannhäuser (Klaus Florian Vogt kniend). © Bayreuther Festspiele / Benedict Nawrath

Bayreuth. Jetzt kriegt sie es aber ab: „Dr. Claudias Kasperltheater“ steht da an der ländlich geprägten Hütte auf der Bühne - und darunter: "Hänsel und Gretel". In „Tannhäuser“ wird das natürlich von der autonomen Bande um Revolutionsführerin und It-Girl Venus sofort überklebt: „Frei im Wollen, frei im Thun, frei im Genießen". Urheber: „R.W.“ – ein gewisser Richard Wagner.

"Tannhäuser" von Regisseur Tobias Kratzer in Bayreuth: In die Verlängerung gegangen

Wir sind im "Tannhäuser" von Regisseur Tobias Kratzer. Eigentlich sollte er längst abgespielt sein, aber er gehört zu den Hits, die vermutlich auch zum Evergreen am Hügel werden könnten, was indes der Festspielidee krass widerspricht. Kinder, schafft Neues!  Kurzum: Er ist wider Erwarten in die Verlängerung gegangen. Doch Kratzers Leichtigkeit und Unterhaltungsfaktor, die Perfektion der Abläufe und dramaturgische Zerstörungskraft führt einem noch mal richtig eklatant vor Augen, wie tröge, langweilig und, ja, dilettantisch am Tag davor "Tristan und Isolde" waren, deren Konzept eines im Rückwärtsgang laufenden Liebens sicherlich gut durchdacht war, doch in der Theorie stecken blieb.

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Stefan M. Dettlinger
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Die gut fünf Stunden Gesamtspielzeit des „Tannhäuser“ wiederum, dieser romantischen Oper über den Sängerkrieg auf der Wartburg, vergehen so schnell und im Nu wie der Drohnenflug über die Wartburg zum Vorspiel. So muss Oper, muss Musiktheater gehen.

Natürlich ist mit Dr. Claudia Kulturstaatsministerin Claudia Roth gemeint, die neulich forderte, auch Opern anderer Komponisten als Wagner bei den Festspielen aufzuführen. Dass Kratzer seine Inszenierung derart kurzfristig aktualisiert hat (auch in der Ouvertüre, in der es für die Einblendung eines Stephen-Gould-Bildes Spontanapplaus gibt), zeigt, wie wichtig ihm der Bezug zu uns ist, zur Realität, zum Geist der Zeit.

Ein echter Coup in Bayreuth

Und eigentlich geht es Kratzer und Wagner ja auch um Zerstörung. Um Zerstörung von Konvention, um die schöpferische Kraft der Zertrümmerung an sich, um das Übertreten der Linie des Undenkbaren, des bislang Ungedachten. Insofern ist diese Inszenierung und Kratzers Arbeit insgesamt nicht weniger als ein echter Coup, der nur noch größer wird, wenn man hört, welch Wunder Nathalie Stutzmann mit dem Orchester vollbringt und wie Irene Roberts (Venus), Elisabeth Teige (Elisabeth), Klaus Florian Vogt (Tannhäuser) oder auch der frühere Mannheimer Markus Eiche (Wolfram) singen - oder wie Siyabonga Maqungo (Walther) und Günther Groissböck (Landgraf) Musik machen.

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Und die Versuchung, sich dem Team Venus und seiner Revolution anzuschließen mit Blechtrommler Oskar (Manni Laudenbach), der Drag Queen Le Gateau Chocolat, Tannhäuser und eben Venus ist recht groß. Und eigentlich müsste ihnen der (Konventionen) zerstörende Vorschlag von Dr. Claudia sogar gut gefallen. Auf Dauer bleibt eh nichts, wie es ist. Vielleicht schleichen sie sich nachts heimlich ins Festspielhaus und walten dort frei - in dem sie das Wagner-Zitat wieder abreißen und "Dr. Claudias Kasperltheater" bewundern...

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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