Mannheim. Es ist schon ungewöhnlich: Wenn man die Innenhülle der Doppel-LP „KI – Keine Intelligenz“ von Marsimoto studiert, steht der Name Joana Emetz gleich am Anfang in einer Reihe mit den Kult-Produzenten The Krauts & Nobodys Face oder R&B-Sänger Yasha. Erstaunlich ist das, weil die Mannheimer Liedermacherin ihr kämpferisches Chanson „Für dich, du heile Welt“ vor mehr als 50 Jahren veröffentlicht hat. Nun kommt der von Joana gesungene Refrain im ersten Song des Abschiedsalbums von Marsimoto zu Ehren, im Jahr des 80. Geburtstags der Sängerin (hier unser Vorbericht dazu).
Über Generationengrenzen ähnelt sich der Blick auf das Elend dieser Welt
Wie passt sich das ursprünglich im energischen Folk-Stil von Hannes Wader interpretierte Liedelement in die spacige Stilistik des rappenden Aliens Marsimoto ein? hinter dessen Maske der Rostocker Rapper Marteria, bürgerlich Marten Laciny steckt. Vor allem inhaltlich sind sich der 41-Jährige und die 79-Jährige ziemlich nah: Die Kunstfigur protegiert die Farbe Grün auf allen Ebenen und staunt in vielen Songs aus der Perspektive des Außerirdischen über unseren Umgang mit der Erde. Joana steht für kämpferische Albumtitel wie „Trotz alledem“, „Ich staune bloß“ oder „Wir sind viele“ und hat bis heute ökologische Lieder wie „Auch die Dinos“ (1992) im Programm.

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Auf ihren von Marsimotos Produzententeam gesampelten Refrain „Dieses Lied sing’ ich für dich, für dich, du heile Welt / Du bist ein wilder Vogel, den man zu lang schon gefangen hält“ folgen erschreckend aktuell klingende Zeilen: „Auf Kongressen und Konferenzen versprechen sie: ,Wir machen Schluss mit diesen Kriegen!’ / Doch all’ diese Wünsche sind Utopie / Solange sie ihren Mohammed, Krishna, Johova, Jesus auf’s Schlachtfeld schicken zum siegen.“
Und von hier oben ist die Welt so schön / Ja, der Mensch, der war hier das Problem
Marsimoto rappt in diesen Kontext mit seiner wie mit Helium verfremdeten Stimme zu Beginn der ersten Strophe: „1000 Jahre her / Da hat der Mensch das hier bewohnt /Diesen blauen Planeten mit nur einem Mond, nur einem C.E.O / Wo es schon zu spät war, da gingen Gebete hoch / Doch es half keine Religion / Umsonst all die Munition / Man sieht noch die Spuren von der großen Invasion / Hier tobte sich das Böse aus.“ Sein postapokalyptischer Refrain aus Weltraum-Perspektive lautet: „Und von hier oben ist die Welt so schön / Ja, der Mensch, der war hier das Problem / Die Rettung kam zu spät, zu spät, für dich / Du heile Welt.“ Hier zeigen zwei Generationen nicht nur einen verblüffend ähnlichen Blick auf das von Dummheit und Ignoranz verursachte Elend dieser Welt, sie klingen auch noch gut zusammen.
Das liegt daran, dass die Produzenten um Vincent Graf von Schlippenbach, auch Joanas glockenklare Stimme aus dem Jahr 1971 zeitgemäß manipuliert haben: etwas tiefer gelegt und angepasst an den technizistischen Sound des Alien-Rappers. Schlippenbach, als Mitglied von The Krauts mitverantwortlich für die Erfolge von The Krauts oder Marteria und als DJ Illvibe lange Mitglied bei Seeed, hatte Joanas Stück vor über zehn Jahren bei einem befreundeten Vinyl-Händler in der deutschen 70er-Jahre-Schlagerkiste auf der Suche nach inspirierenden Platten zufällig gefunden, wie er auf Anfrage bestätigt. Nun habe der Kontext gepasst.
Sido ist ein weiterer Gast, aber man meint auch Joy Fleming zu hören
Tatsächlich meint man im anspielungsreichen „Ich küsse Eure Lieder“ einen Klangfetzen mit der Stimme von Joanas Freundin Joy Fleming zu hören (was aber nicht aufgelistet wäre). Zumindest klingt die Stelle stark nach der Mannheimer Gesangslegende. Aber in die insgesamt sehr anspruchsvolle, rhythmisch vertrackte, teilweise jazzangehauchte Produktion passt ja auch die Partynummer „Jacky“ mit Ex-Aggro-Rapper Sido als Gast. Einziger Wermutstropfen für Vinyl-Freunde: Die LPs klingen nicht viel besser als der Stereaming-Sound, für den das Album vermutlich primär gedacht ist. Und der Schnitt der 50 Minuten dauernden 17 Songs auf vier Seiten ist – wie so oft heutzutage – nicht ideal. Man ist also meist gerade im Fluss, dann muss man nach vier Tracks schon wieder umdrehen. Aber Hip-Hop ist ja Bewegungsmusik.
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