Mannheim. Die gigantischen Bildwerke der diesjährigen Preisträgerin der Kunststiftung Rainer Wild drohen die Dimensionen der Studiogalerie der Mannheimer Kunsthalle zu sprengen. Über vier Meter hoch sind einige davon. Sie hängen, natürlich ungerahmt, von der Decke herab und wirken wie der Eingang zu einem vielfarbigen Labyrinth. Inspiriert wurden diese Formate unter anderen auch durch die Wandmalerei in Mexiko und an anderen Orten des lateinamerikanischen Kulturkreises, woher die Preisträgerin stammt. Ximena Ferrer Pizarro wurde 1994 im Lima, der Hauptstadt von Peru, geboren. Zu ihrem weiteren Kunststudium übersiedelte sie nach Deutschland und wurde an der Kunstakademie Berlin-Weißensee angenommen. Dies ist die zweite formale Voraussetzung für den mit 5000 Euro dotierten Preis der Rainer Wild Stiftung. Er wird an Kunstschaffende unter 35 vergeben, die in Deutschland leben und arbeiten.
Natürlich sind die Monumentalgemälde der Preisträgerin in der beengten Studioausstellung in Mannheim kaum erfassbar. Einige der ausgestellten Werke bräuchten eine Distanz von mindestens zwanzig Metern, um dem Betrachter überhaupt einen Überblick zu ermöglichen. Erst aus dieser Distanz heraus würde der Kontext lesbar, in den die Künstlerin ihre flächig aufgebauten Figuren mit den großen, staunenden Augen eingebettet hat.
Künstlerisches Nachdenken über Rollenzuschreibungen
Es ist die Welt ihrer Kindheit, als sie noch mit Babypuppen spielte und darüber staunte, dass die alle blond waren, dagegen die meisten Mädchen ihrer Umgebung dunkelhaarig mit bräunlichem Teint. In dieser Erkenntnis lagen die Anfänge ihres Nachdenkens über Rollenverhalten und Zuschreibungen, wie sie im Gespräch mit ihrer Mannheimer Kuratorin Dorothea Lorenz im Anschluss an die Preisverleihung bekannte und wie der Bildtitel „All The Times I Wanted To Be White“ verrät.
Die Anfänge ihrer Kunst waren abstrakt, so erfährt der Zuhörer. Auch in Mexiko-Stadt, wo sie einige Semester Kunst studierte, hat sie noch abstrakt gemalt, bis sie erkannte, dass sie eigentlich mit ihren Arbeiten etwas erzählen wollte, und das tat sie dann auf die beschriebene Weise in figurativem Kontext.
Allerdings sind ihre Figuren nach keiner stringenten Geometrie, sondern collagenartig aufgebaut. Diese Form der Bildfindung ist der Prähistorie des lateinamerikanischen Kontinents verankert. In der präkolumbianischen Kunst gibt es viele Beispiele für diese Art des bildnerischen Erzählens, das Ximena Ferrer Pizarro auf moderne Stoffe anwendet, wie eben auf die bereits erwähnten Babypuppen oder in dem Werk „Brains For A Better Future“, wo sich junge Frauen aus den Dörfern in den Anden die Zöpfe abschneiden und sie auf dem Markt verkaufen. Mit dem Geld dafür können sie sich eine Busfahrkarte nach Lima leisten, wo sie sich als Hausmädchen verdingen, der besseren Zukunft wegen.
„El Amor De Mi Visa“ greift eine Thematik auf, die Ximena Ferrer Pizarro aus eigener Anschauung kennt. Junge Frauen, die aus Angst vor dem Verlust des Aufenthaltsstatus einen Einheimischen heiraten, wobei Liebe und Zuneigung nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Ausstellung in der Studiogalerie der Kunsthalle Mannheim (Friedrichsplatz 4) ist bis 23. Februar 2025 zu sehen. Mehr unter kuma.art.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-peruanische-kuenstlerin-ximena-ferrer-pizarro-in-kunsthalle-mannheim-ausgezeichnet-_arid,2269198.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://kuma.art/de