Bühne

Nationaltheater Mannheim stellt Spielplan vor

Von 
Stefan M. Dettlinger und Ralf-Carl Langhals
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© NTM

Mit über 40 Premieren startet das Nationaltheater am 3. September in die neue Spielzeit. Wenn Ende Juli 2022 der Vorhang nach „Götterdämmerung“ fällt, beginnt die Sanierung.

Schauspiel

Mit ganzen 17 Premieren startet Christian Holtzhauer ab 3. September in die neue Sprechtheater-Spielzeit, vierzehn sind es im Schauspiel, drei im Mannheimer Stadtensemble, der vormaligen Bürgerbühne, unter Anna Beata Schmutz. Je nach Zählart und unter Berücksichtigung noch offener Leerstellen sind mindestens zwölf davon Uraufführungen. Das ist viel. Mindest ebenso sensationell ist auch die Tatsache, dass der neue Spielplan ohne ein Stück auskommt, von dem man schon mal gehört hätte. Eigentlich kommt er fast ganz ohne Theaterstücke aus. Kanon und Klassik war gestern, hier gilt’s der Zukunft.

„Land ohne Worte“ heißt Dea Lohers (echter Theater-)Monolog, der nun in der Regie des einstigen Hausregisseurs Dominic Friedel aus dem Internet endlich auf die Bühne wandern darf. Wie in allen Sparten wird auch hier pandemiebedingt Ausgefallenes, Verschobenes oder bisher nur online zu Erlebendes nun endlich zum Zuge kommen. Der zweite Teil von Felicitas Bruckers Erfolgsproduktion „Meine geniale Freundin“ nach den Romanen von Elena Ferrante gehört ebenso in diesen Kreis wie Gernot Grünewalds „Versuch über die Klimakrise“ namens „2027 – Die Zeit bleibt“. Auch für des scheidenden Hausautors Necati Öziris Kleist-Operation „Gott Vater Einzeltäter“, die bisher nur im originellen „Post-Drama“-Projekt „Cecils Briefwechsel“ zum Einsatz kam, öffnet sich nun bald der Vorhang. Von seinem Hongkonger Nachfolger Pat To Yan gibt es gleich zwei Produktionen, eine noch gänzlich namenlose und eine in Form eines Librettos für die Kooperation mit der Oper: „The Damned and the Saved“. In Zusammenarbeit mit der Tanzsparte entsteht indes „Das Floß der Medusa“ nach dem Roman von Franzobel, zu dem Alan Barnes die Choreographie und Hausregisseur Christian Weise die Regie beisteuert. Zum Abschied von Mannheim gibt es noch eine weitere, ebenfalls noch gänzlich namenlose Inszenierung von ihm. Auch von Lukas Leon Krüger und Selen Kara soll es laut Ankündigung je eine Inszenierung geben. Was das sein könnte, wissen wir ebenfalls nicht. Fest steht aber für den Roman „Herkunft“ des Ex-Feuergriffels Sasa Stanisic die szenische Bearbeitung durch Johanna Wehner. Auch ein weiterer Höhepunkt scheint fix: „Kill Baby“, ein Sozialdrama um drei Frauengenerationen und ungewollten Nachwuchs von Kleist-Förderpreisträgerin Ivana Sokola in der Regie von Sapir Heller.

Das Stadtensemble kümmert sich in „body*“ zusammen mit dem queeren Mannheimer Sportverein mvd um gesellschaftlich normierte Körperbilder und danach umfangreich um partizipative Projekte.

Junges Nationaltheater

„Chrrrschhhh – in den Wald!“ geht es mit Daniel Cremers Familienstück und in Kooperation mit dem Schauspiel für Kinder ab acht Jahren. Intendantin Ulrike Stöck baut dann eine „Musikalische Versuchsanordnung“ auf und wird mit „Würfelgeklimper“ den Zufall zurück ins sonst durchgeplante Theater bringen.

Dem televisionären Serienzauber geht die Schreibwerkstatt mit „Kliffhänger“ auf die Spur. Während „Body Boom Boom Brain“ eine historische Geschichte der Scham, von Körperbildern, Verlockung und Abstoßungen für Pubertiere schreibt. Denen widmet sich auch die Junge Oper in „Der Sommer als ich unsterblich war“ und zwar im Werkstattcharakter und zu Kompositionen von Kornelius Heidebrecht.

In Kooperation mit dem Marchivum brechen Jugendliche in „Für alle Ewigkeit“ zu einer theatralen Begehung von dessen NS-Dokumentationszentrum auf. Zu alldem stemmt das Schnawwl noch seinen Teil der Imaginale als Internationales Festival animierter Formen (3. bis 13. Februar 2022) und das regionale 16. Festival Junges Theater im Delta, das sich diesmal endlich auch breiterem Publikum öffnen will (25. bis 29. Juni 2022).

NTM Tanz

„Mozart“ und seine 176 Mannheimer Tage kommen nun endlich – und doch wie derzeit alles vorbehaltlich erneuter pandemiebedingter Beschränkungen – in der Choreographie von Tanzchef Stephan Thoss unter Orchesterbegleitung auf die Bühne, der nach intensivem Online-Geschäft nun das Feld freien Kollegen überlässt. Etwa im – vom Solo über Pas de deux bis zu Compagnie-Stärke aufsteigenden – „Silvester-Spezial“ oder der Uraufführung „En Vogue“ von Paul Blackman und Christine Gouzelis. Titelgemäß temporeich, so verspricht Thoss, soll „Speed“ von Roy Assaf und Andonis Foniadakis werden. Als prominenter Gast kommt der Belgier Jeroen Verbruggen ans NTM und choreographiert – wieder unter NTO-Begleitung – „Amor&Psyche“, bevor traditionsgemäß die „Choreographische Werkstatt“ den Tanzpremierenreigen im Sommer 2022 beschließt.

Oper

Unterdessen würde man hier normalerweise aufschreien: Was? Ein neuer „Ring“ – wo wir seit Jahren auf die Wiederaufnahme der Deutung von Wagners Tetralogie durch Achim Freyer warten? Gemach: Es ist ein White-Wall-Opern-Zyklus, den GMD Alexander Soddy hier dirigieren wird, eine Inszenierung also vor weißen Wänden, die mit allerlei Video- und Bildkunst bespielt werden. Dennoch: eine große Sache, die zudem sicherlich in die entsprechende Ersatzspielstätte übernommen werden kann. Das macht Sinn.

Diese Spielstätte soll laut Intendant Albrecht Puhlmann dann auch ab September 2022 am Volksfestplatz gegenüber dem Benz-Stadion einsatzbereit sein. Elf Premieren hat Puhlmann insgesamt programmiert – und eine findet sinnigerweise auch schon im künftigen Ersatzspielort Rokokotheater Schwetzingen statt, wo am 14. Juli ein Da-Ponte-Zyklus mit Mozarts „Così fan tutte“ beginnt, den sich (Star-)Regisseurin des Jahres Tatjana Gürbaca vornehmen wird.

Los geht die Saison aber bereits am 3. September 2021 mit einem „Opernair“ auf der Seebühne des Luisenparks. Es folgen Premieren von Wagner, Rihm, Händel oder dem Schwetzinger Sidney Corbett, und ab 16. Juni 2022 wird es auch wieder das Festival „Mannheimer Sommer“ geben, das den Klimawandel thematisiert und unter anderem eine „Entführung aus dem Serail“ aus Prag nach Mannheim holt – inszeniert von Luk Perceval. Festliche Opernabende gibt es pandemiebedingt bis auf Weiteres nicht, dafür sieben Wiederaufnahmen – bis auf den Evergreen „Parsifal“ alle aus der Corona-Zeit stammend. Apropos: Corona kann mit irgendwelchen Varianten natürlich alles zunichtemachen, was auf dem Programm steht – von Delta bis Omega ist der Weg schließlich noch weit.

Einen richtig herben Verlust hat das Ensemble zu verkraften: Neben drei Opernstudiotalenten wird Sopranistin Eunju Kwon gehen – in ihre Heimat Korea. Das freilich ändert nichts daran: Die Oper von Albrecht Puhlmann bietet ein überaus großes Spektrum – es ist sicherlich nicht für alle etwas dabei, aber für sehr viele.

Info zum Kartenvorverkauf

Vorverkauf 1: Für Inhaberinnen und Inhaber von Umtauschscheinen oder Gutscheinen sowie für ruhende Abonnentinnen und Abonnenten läuft der Vorverkauf seit 23. Juli.

Vorverkauf 2: Alle anderen können Karten für die Oper, das Schauspiel und den Tanz ab Montag, 9. August 2021, erwerben.

Vorverkauf 3: Für das Junge NTM läuft der Kartenverkauf für alle bereits.

Telefonisch: Im August Mo bis Fr 10-16 Uhr, im September dann Mo bis Fr 9-19 Uhr und Sa 9-13 Uhr.

Kontakt: 0621/1680 150 / nationaltheater.kasse@mannheim.de

Tageskasse im Foyer: Die Kasse ist im August Mo bis Fr 10-16 Uhr geöffnet, im September dann Mo bis Sa 11-18 Uhr sowie an allen Vorstellungstagen im Opern- und Schauspielhaus von 18-20 Uhr sowie 60 Minuten vor Vorstellungsbeginn.

Weitere Informationen: www.nationaltheater.de dms

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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