Mannheim. Wer weiß, wo die Mighty Oaks ohne die Pandemie heute spielen würden? Mit dem ohrwurmträchtigen Top-Ten-Album „México“ und einer in fast 15 Jahren mit exzellenten Live-Shows erspielten treuen Fangemeinde könnte man sich das in Berlin heimisch gewordene Folk-Trio auch in der SAP Arena vorstellen. Zumal Frontmann und Hitschreiber Ian Hooper mit eindrucksvollen Auftritten bei „Sing meinen Song“ 2021 auf dem besten Weg war, das nächste Everybody’s Darling mit niedlichem Akzent nach Rea Garvey und Samu Haber von Sunrise Avenue zu werden - und das ohne Dauerpräsenz im Jury-Stuhl bei „The Voice Of Germany“. Aber die Zugkraft der Mighty Oaks ist unverwüstlich wie eine mächtige Eiche: Fast 1100 Zuschauer füllen das ausverkaufte Mannheimer Capitol bis zum Rand - und das schon recht früh am Montagabend. Nähe ist hier Programm, die ganze Tour hat ein Akustik-Konzept, setzt auf Häuser mit schönem Ambiente, die Kraft der Songs, Mehrstimmigkeit - und nur Hooper spielt ein wenig Schlagzeug: eine einsame Bassdrum.
Das Vorprogramm ist ideal gewählt: Die 21-jährige Songwriterin Joya Marleen aus St. Gallen stellt sich der Menge solo, meist mit Gitarre, manchmal am Keyboard. Sie ist so stimmgewaltig und fesselnd, dass sie von den gesanglich verwöhnten Mighty-Oaks-Fans sogar Szenenapplaus bekommt. Die Schweizerin sieht eigentlich typisch irisch aus, vor allem klingt ihre Energie und Emotionalität so. Vor rappelvollem Haus nutzt sie ihre 30 Minuten im Vorprogramm ruhig und konsequent. Der Applaus ist triumphal - den Namen kann man sich merken.
Sechs Songs stammen vom neuen Album „High Times“
Die Hauptattraktion startet mit „Land Of Broken Dreams“ fast in klassischer Crosby-Stills-&-Nash Anmutung, nur mit tieferen Stimmen und einfacheren Worten. Das Trio harmoniert von Beginn an perfekt: Dass der US-Amerikaner Hooper, der gebürtige Italiener Claudio Donzelli (Klavier, Gitarren) und der aus England stammende Craig Saunders (Gitarren, Bass) sich eine Auszeit voneinander mit ungewissem Ausgang genehmigt hatten, merkt man zu keiner Sekunde. Nach der Hälfte des Frühwerks „You Saved My Soul“ nimmt das Konzert erstmals Fahrt auf. Es folgen die starken ersten beiden Songs vom gerade erschienenen Album „High Times“: „Tacoma“ und der Titeltrack.
Spätestens „Devil And The Deep Blue Sea” macht klar, warum diese relativ schlicht gehaltene Folk-Musik so viel Resonanz findet: Nur harmoniesatte Schönheit wäre auf Dauer sterbenslangweilig, aber Hoopers charmant und markant angeraute Stimme liefert den perfekten Kontrast zum Wohlklang. Dazu kommt er dem – altersmäßig erstaunlich gemischten - Publikum auch durch seine sehr persönlichen Texte über Wurzeln, Heimat, Eltern, Trennungen näher – zumal er alles mit dem Suchen und Finden von Identität referenziert. Das gipfelt im wunderschönen “The Great Northwest“.

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Als in diesem Moment der Gedanke aufkeimt, dass es langsam etwas zu gleichförmig wird, vor allem, was das Tempo angeht, beweist das Trio Gespür für Dramaturgie: „Wir werden jetzt die Energie etwas hochfahren.“ Und „Runaway Train“ löst das gekonnt ein – und die allgemeine Ergriffenheit etwas auf. „Ihr seid so still zwischen den Liedern“, merkt der Frontmann mehrfach verwundert an. Kein Wunder, die Menschen sind von der Schönheit des Dreiklangs der Mighty Oaks wirklich ergriffen bis verzaubert. Das erlebt man auch im Capitol in der Form selten.
Roadie Jan Schneider stimmt im Akkord Gitarren, als wäre die Bühne ein kleiner Guitar Summit
Hooper und Co. strahlen bei all dem viel am Lagerfeuer geerdete Bodenständigkeit aus. Was der Lead-Sänger noch unterstreicht, in dem er um Applaus für den wirklich hart arbeitenden Roadie Jan Schneider bittet. Der reicht den drei Musikern fast im Minutentakt frisch gestimmte Saiteninstrumente an – als wäre die Bühne ein kleiner Guitar Summit. Schon daran merkt man: Die vordergründige Folk-Einförmigkeit wird mit vielen Sound-Details konterkariert. Der Abend entwickelt sich zu einem gut hundertminütigen Gesamtkunstwerk, aus dem „Seven Days“ und die letzten fünf Songs herausragen.
Nach "Brother" kann nichts Anderes mehr kommen
„Kids In Love” wird besonders, weil Hooper und die zurückgekehrte Joya Marleen daraus ein einfühlsames Duett machen. „Mexico“ ist handwerklich eines der besten MO-Stücke und funktioniert live einfach großartig. So sehr, dass stürmisch drei Zugaben erklatscht werden. Das Publikum gibt schon den ganzen Abend Standing Ovations, nun stehen auch die Mighty Oaks beim aktuellen Hit „Endless Summer“, der fast eine Million Mal bei Spotify geklickt wurde, und „All Things Go“. Das Trio versprüht jetzt den Enthusiasmus von begeisterten Straßenmusikern. Was sich beim größten Hit der Band noch steigert: Nach „Brother” kann nichts Anderes mehr kommen. Jetzt kann auch der Winter kommen, so seelenerwärmend war dieses intime Konzert.
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