Interview

Mighty-Oaks-Sänger Ian Hooper: "Die Probenarbeit in Mannheim tat saugut"

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Frontmann der Mighty Oaks und zurzeit einer der Hauptdarsteller bei „Sing meinen Song“: Ian Hooper (Mitte) mit seinen Bandkollegen Craig Saunders (links) und Claudio Donzelli. © Marco Fischer

Mannheim. Mister Hooper, im Booklet ihres neuen Albums „Mexico“ erklären Sie Musik zu einer mächtigen Allzweckwaffe: In einem nie dagewesem historischen Moment voller politischem Tumult, Rassenunruhen und einer globalen Pandemie habe sie als Schirm gedient – gegen den scheinbar unendlichen Shitstorm, gleichzeitig eröffne Musik einen Ausweg, all diese Belastung zu verarbeiten. Wie schreibt man mit so einer gewaltigen Erwartungserhaltung derart unbeschwert klingende Songs?

Ian Hooper: Ich habe nur meine eigenen Erwartungen zu erfüllen, wenn ich Lieder schreibe. Und denke nicht an die Resonanz. Das habe ich am Anfang oft gemacht. Dann liest du einen falschen Artikel über dich, das nervt dich dann drei Wochen lang (lacht). Da schaue ich jetzt drüber hinweg. Aber meine eigeneben Erwartungen sind auch ziemlich hoch.

Inwiefern?

Hooper: Dass die Lieder funktionieren – auch mit schweren Themen wie Sucht, psychischer Gesundheit oder  Gesellschaftskritik. Songs zu schreiben ist für mich die einzige Möglichkeit, mich mit solchen Themen in Ruhe auseinander zu setzen. Musik ist quasi meine Therapie. Sie soll aber nicht dazu dienen, dass die Leute in den schweren Themen wie in einem Sumpf versinken und trübsinnig werden. Meine Lieder sollen zum Nachdenken anregen. Idealerweise diskutieren die Leute über die Lieder und werden davon nicht depressiv (lacht). Deswegen halten wir es gern so, dass die Musik die Schwere des Inhalts nicht unbedingt wiederspiegelt – wie in „Ghost“, wo es darum geht, wie schmerzhaft Liebe auch sein kann, obwohl der Song so schön klingt. Oder die Suchtprobleme in „My Demons“. Letzteres kommt aber mit einem leichten Hip-Hop-Bounce und einer gepickten Akustikgitarre daher.

Das wird live gut funktionieren und mitreißen. Ist es für Sie nicht irritierend, wenn sie beim Singen solcher Songs intime und schwierige Inhalte, quasi ihr Herz aufs Silbertablett legen – und die ganze Halle hüpft dazu, weil deutsche Fans womöglich nicht so genau auf den englischen Text hören?

Hooper: Bei Mighty Oaks haben wir das Glück, dass die Leute auf unseren Konzerten die Lieder ziemlich gut kennen. Wenn nicht, hören sie so krass zu… es ist mir noch nie passiert, dass ich über meine tote Mutter singe, und die Fans rasten aus, weil sie denken, es ginge um irgendwas Positives. Aber man kann ja auch Wut und Trauer im Rock verarbeiten. Und wenn die Leute dabei mitmachen, ist es auch nicht unbedingt aus Freude. Eher durch Schmerz. Dann tut es gut, auch mal loszulassen und auszurasten. Dafür sind Live-Konzerte auch da. Die fehlen gerade sehr vielen Menschen, glaube ich.

Sind die Sucht-Dämonen in „My Demons“ autobiografisch? Das kann man sich bei Ihnen nur schwer vorstellen…

Hooper: In „My Demons“ geht es eher um Freunde von mir. Klar, ich saufe zu viel (lacht), aber ich habe zum Glück überhaupt keine Suchtpersönlichkeit. Ich bin einfach halber Ire und vertrage Alkohol ganz gut, kann aber auch problemlos einen Monat gar nichts trinken. Das ist easy für mich. Aber in den Staaten haben wir seit Jahren eine extreme Opioid-Krise mit vielen Toten, die mich sehr betroffen gemacht hat, als ich an der Highschool und auf der Uni war. Deswegen sitzen viele meiner Freunde im Knast, manche sind immer noch schwerstabhängig und bekommen ihr Leben nicht in den Griff, manchen konnte ich auch helfen. Anfangs war ich sehr wütend, wenn ich einem guten Freund nicht helfen konnte. Aber ich musste lernen, dass das nur funktioniert, wenn der andere bereit dafür ist und Hilfe akzeptieren will. Darum geht es in „My Demons“.

Sie kamen 2008 als Student nach München und leben seitdem in Deutschland. Wie froh sind Sie, dass Sie das letzte, extrem polarisierte Jahrzehnt in den USA nicht miterleben mussten?

Hooper: Es ist auch schwer, von so weit weg zuzuschauen. Die Probleme, warum das Land so abgefuckt ist, sind sehr komplex. Die USA schießen immer wieder ein paar Eigentore. Die unteren Schichten sind zum Beispiel nicht daran schuld, dass sie wenig Bildung bekommen. Das Land ist von Gier und Geld dominiert, es wird sehr viel gelogen - das ist sehr traurig. Ich habe Politik studiert und glaube, zu erkennen, wenn jemand nur aus Eigeninteresse agiert – wie Trump es eigentlich die ganze Zeit getan hat. Aber viele Leute in den USA haben nie gelernt, kritisch nachzudenken. Was wiederum an der Bildung liegt. Speziell in den vielen abgelegenen Orten in den USA.

Also schmerzt der Blick auf ihre Heimat eher?

Hooper: Es tut weh. Weil ich sehr romantisch bin, was die USA angeht. Es ist ein großartiges Land mit sehr vielen unfassbar guten Menschen. Religion spielt eine krasse Rolle, es gibt sehr viele, sehr konservative Menschen. Ich bin natürlich gern in Deutschland, weil ich hier meinen Traum verwirklichen konnte, als Musiker zu leben. Ich wäre auch gern in den USA, aber dort brauchst du viel Geld, um über die Runden zu kommen.

 

 

 

Sind uns die US-Amerikaner einfach nur ein paar Schritte voraus, was Spaltung und  Extremismus angeht? Oder können wir noch rechtzeitig von dem abschreckenden Beispiel lernen?

Hooper: Ich finde schon immer, dass die USA ein kleiner Test für Demokratie sind. Deutschland ist ein paar Jahre hinterher, beim Kino zum Beispiel (lacht). Aber es ist auch schwer zu vergleichen – allein schon wegen des Zwei-Parteien-Systems in den USA und den vielen Parteien hier. Aber im Endeffekt handeln auch deutsche Politiker aus Eigeninteresse – sie wollen ihre Jobs behalten. Bei den US-Republikanern konnte man zusehen, wie sie sich deshalb immer weiter von der Mitte weg entwickelt haben – einfach, weil sie gesehen haben, dass es plötzlich so viele potenzielle Wähler rechts von Rechts gegeben hat. Vor 15 Jahren drehte sich alles mehr um die Mitte. Jetzt ist es superpolarisiert.

Warum eigentlich Mexiko als Sehnsuchtsort im Albumtitel und als Song? Als Wahl-Berliner wären doch Mallorca oder die Toskana angesagter.– zumal die Welt dort auch alles andere als heil ist?

Hooper: Ganz und gar nicht. Trotzdem ist Mexiko ein supermagischer Ort. Das war das erste, woran ich beim Schreiben gedacht habe. Auch weil es ganz weit weg ist. Malle ist ja das 17. Bundesland. Wenn du wirklich weit weg sein möchtest, gehst du ja nicht in eine Finca auf Mallorca. Aber im Lied soll es einfach nur ein Sinnbild für die Flucht vor der Absurdität der Welt sein.

 

 

Ob die nachhaltig denkenden Millennials Fernreisen so gut finden?

Hooper: Dann müsstest du mit dem Fahrrad irgendwo hinfahren, was in der Nähe ist. Man hat ja alles rund um das eigene Zuhause, man muss einfach nur danach gucken. Ich kann das gut verstehen. Viele haben gefragt, ob ich traurig bin, dass unsere „Sing meinen Song“-Staffel als erste nicht in Südafrika gedreht werden konnte. Ich war eigentlich sehr froh, dass nicht die gesamte Produktion in Fliegern um die halbe Welt gekarrt werden musste, um in einem privaten, eingezäunten Gelände die ganzen Probleme Südafrikas auszublenden. Und weil es Scheiße für die Umwelt ist, und es keinen Grund gibt, das immer so zu machen. Und an der Ostsee war es auch schön. 

Was wäre denn Ihr nachhaltiger Sehnsuchtsort?

Hooper: Es kommt darauf an, wo man wohnt. Von der Westküste der USA aus kann man gut nach Mexiko fahren.

Das Album „Mexico“ ist am 7. Mai erschienen – und Sie machen sich quasi selbst Konkurrenz, denn parallel kommt das Album zur achten Staffel des TV-Tauschkonzerts „Sing meinen Song“ heraus.

Hooper:  Unser Termin stand vorher fest, das wurde hinterher entschieden. Zuerst war ich nicht begeistert. Aber ich glaube, unsere Fans kaufen beides – und viele Leute holen sich nach der „Song meinen Song“-Platte hoffentlich auch das Mighty-Oaks-Album. Bei der Sendung lernen viele Musikinteressierte Mighty Oaks und mich ja überhaupt erst kennen.

Wurde trotz Ostsee als Aufzeichnungsort noch in Mannheim geprobt?

Hooper: Ja.

Wie war die Arbeit im Probenstudio mit dem großartigen Arrangeur Mathias Grosch und seiner stilistisch extrem  vielseitigen Band? Sie sind ja selbst gestandener Musiker. Hat Ihnen die Zusammenarbeit trotzdem neue Türen eröffnet?

Hooper: Auf die Mighty-Oaks-Platte hatte es keinen Einfluss. Die hatte ich schon vorher aufgenommen und geschrieben, bevor die Proben in Mannheim losgingen. Die Zusammenarbeit mit Mathias und der Band war großartig. Ich bin als Songwriter jetzt seit einem Jahrzehnt im Geschäft und verstehe die Dynamik in einer Band. Die Erfahrung in Mannheim war deshalb so speziell, weil Mathias und seine Leute einfach null Ego mitbringen. Sie sind da, um die Künstlerinnen und Künstler happy zu machen – und möglichst gut aussehen zu lassen. Dabei haben sie aber auch immer wieder eigenen Input zu bieten.

Wie war’s bei Ihnen? Sie sind Kopf einer erfolgreichen Band und hatten doch sicher selbst genaue Vorstellungen.

Hooper: Ich kam schon mit vielen konkreten Ideen nach Mannheim: Ich will das, das, das, und zwar so, so und so. Ich habe Mathias schon vorher ein paar Demos per Mail hingepfeffert. Der dachte bestimmt „Was ist das für ein Streber?“ (lacht) Wir haben dann alles sehr schnell durchgeboxt. Aber bei den ersten Proben mit der Band – da habe ich viel von den vorher verabredeten Sachen aus dem Fenster geworfen. Denn da stehen einfach elf Leute da, die alle top sind. Und du hast Bläser, die Du einsetzen kannst. Und mit Mario Garuccio einen Drummer, der richtig rocken kann – aber auch Soul hat. Mit der Band hast du so viele Möglichkeiten, die du ausprobieren möchtest. Auf jeden Fall haben wir in den zwei Tagen in Mannheim sehr viel neu gemacht.

Ein schönes Gefühl, mitten in der Pandemie wieder arbeiten zu können, oder?

Hooper: Ey, das tat saugut. Noch dazu mit so einer großen Band. Das war viel besser, als ich erwartet habe. Was die Zusammenarbeit und die Qualität der Musiker angeht: so talentiert, dabei so bescheiden. Mir ist da schnell klar geworden: Ich bin hier der Untalentierteste im Raum (lacht). Ich habe auf jeden Fall Ahnung von Songwriting und bin vielleicht ein geborener Bandleader. So konnte ich Mathias‘ Band sagen: „Ich habe Ideen, kommt, lasst uns die umsetzen. Kommt, tragt mich dabei und lasst mich ein bisschen glänzen.“ Das hat so viel Spaß gemacht, weil die alle so cool waren. Und ich war einer der Letzten, der für zwei Tage kam. Ich hatte befürchtet, die hätten keine Lust mehr. Denn es ist hart, was sie da machen. Sie halten ein Tempo und einen Qualitätslevel – das ist Wahnsinn. Die hatten so viel Energie und Bock!

Sie gehen mit Grosch’s Eleven und den Stars der achten Staffel auch auf Tour, spielen am 28. April 2022 auch in Mannheim. Wo sie vorher am 25. August 2021 noch das Zeltfestival am Reitstadion eröffnen, wie mir Veranstalter Timo Kumpf gerade verraten hat.

Hooper: Ja.  Vor der "Sing meinen Song"-Tour sind wir noch mit Mighty Oaks auf Tour, mit einem Konzert in der Heidelberger Halle 02 am 26. März. Wenn das alles stattfindet – was ich sehr hoffe.

Wie ist Ihr Gefühl?

Hooper: Ich weiß es wirklich nicht. Die Zukunft ist immer noch sehr unsicher. Ich will mich jetzt nicht zu sehr auf Sachen freuen, die dann vielleicht doch nicht stattfinden.

Mighty Oaks eröffnen am 25. August das Zeltfestival in Mannheim

  • Ian Hooper,wurde am 10. November 1986 im US-Bundesstaat Washington geboren und wuchs in der Nähe von Seattle auf. Er studierte u.a. Politikwissenschaft in Portland und München. Seit 2008 lebt er in Deutschland.
  • 2010 gründete er das Indie-Folk-Trio Mighty Oaks mit dem gebürtigen Italiener Claudio Donzelli und dem aus England stammenden Craig Saunders.
  • 2014 erschien das Debütalbum „Howl“ mit dem Gold-Hit „Brother“. Danach traten Mighty Oaks beim Mannheimer Maifeld-Derby auf.
  • Ihr viertes Album „Mexico wurde gerade gleichzeitig mit der Platte zur achten Staffel von „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ (SMS) veröffentlicht, an der Hooper beim Sender VOX teilnimmt.
  • Mit Mathias Groschs Mannheimer „Sing meinen Song“-Band sowie den Tauschkonzertteilnehmern Joris, Johannes Oerding, DJ Bobo, Nura, Stefanie Heinzmann und Gentlemann geht er 2022 auf „SMS“-Tournee. Am 28. April steht die SAP Arena auf dem Programm.
    Mighty Oaks sollen am 25. August 2021 das corona-konforme Zeltfestival Rhein-Neckar am Mannheimer Reitstadion eröffnen. Am 26. März 2022 folgt ein Konzert in der Heidelberger Halle 02.
  •  
Diese sieben Sänger gehen 2022 gemeinsam auf Tournee und kommen auch in die SAP Arena (von links): DJ BoBo, Nura, Ian Hooper, Gentleman, Johannes Oerding, Joris, Stefanie Heinzmann. © TV NOW/Markus Hertrich

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen