Mannheim. Was für eine Karriere: Mit 19 wird Inge Brück 1955 als völlig unbekannte Sängerin im Radio entdeckt. Und schon ein halbes Jahr später tritt sie vor 3000 Besuchern beim Deutschen Jazzfestival in Frankfurt auf. 1957 landet die Mannheimerin mit „Peter, komm heut’ Abend zum Hafen“ einen veritablen Top-Ten-Hit. Und zehn Jahre später vertritt sie die Bundesrepublik Deutschland beim Eurovision Song Contest, bei dem sie einen achten Platz belegt.
Heute kennt kaum noch jemand ihren Namen. Dabei war Inge Brück, die am 12. Oktober ihren 85. Geburtstag feiert, einst ein Star. 1970 hatte sie sogar die Titelrolle in einer 13-teiligen ZDF-Fernsehserie: In „Miss Molly Mill“ spielte sie eine Putzfrau, die den kriminellen Machenschaften ihrer jeweiligen Arbeitgeber auf die Schliche kam.
Vom Jazztalent zur christlichen Sängerin
- Inge Brück wurde als Inge Brückl 1936 in Mannheim geboren. Bereits im Alter von elf Jahren trat sie als klassische Pianistin auf.
- 1955 wurde sie als Jazzsängerin im Radio entdeckt und sang 1956 beim renommierten Deutschen Jazzfestival in Frankfurt. Daneben studierte sie an der Schauspielabteilung der Musikhochschule Heidelberg.
- Danach begann sie eine Karriere als Schlagersängerin, Musicaldarstellerin und Schauspielerin. 1967 vertrat sie Deutschland beim Eurovision Song Contest und wurde Achte. 1970 war sie Titelheldin in der 13-teiligen ZDF-Serie „Miss Molly Mill“.
- 1973 erlebte Brück eine religiöse Erweckung. Sie zog nach Bonn und studierte Theologie. Danach lebte sie abgeschieden in einer christlichen Glaubensgemeinschaft.
- Ab 1975 veröffentlichte sie mehre Platten mit religiösen Liedern. Mit Katja Ebstein und Peter Horton gründete sie die Initiative „Künstler für Christus“, mit der sie vor allem in Kirchen auftrat. Bis vor einigen Jahren moderierte Inge Brück Sendungen für christliche Privatsender.
Die Musik wurde Inge Brück in die Wiege gelegt: Ihre Mutter war Pianistin, ihr Vater Hans Brückl Konzertsänger; in Mannheim betrieb er das seinerzeit berühmte Musiklokal „Gambrinus“. Als Pianistin trat das begabte Mädchen schon im Alter von elf Jahren auf, spielte Schubert, Weber und Chopin. Ihr Spiel sei von „perlender Geläufigkeit“, schrieb Heinz Schneekloth, Jazz-Experte und damals Leiter der Lokalredaktion, 1956 im „Mannheimer Morgen“.
Ohne je eine Stunde Gesangsunterricht gehabt zu haben wurde Inge Brück (so lautete dann ihr Künstlername) im Südfunk Stuttgart vorgestellt - und danach habe es Auftrittsangebote „gehagelt“, so Schneekloth, der ihr ein authentisches „Blues-Feeling“ attestierte.
Karriere-Traumstart mit 20
Dann nahm die Karriere ihren Lauf: Aufritte in Fernsehsendungen wie Hans-Joachim Kulenkampffs Spielshow „Zwei auf einem Pferd“, erste Filmrollen und besagter Frankfurter Auftritt mit dem Erwin-Lehn-Orchester vor einem Publikum, das zuvor Caterina Valente (seinerzeit auch in Mannheim zuhause) bejubelt hatte. Inge Brück konnte einen Überraschungserfolg feiern. Prompt kam die gerade mal 20-jährige Sängerin beim deutschen Jazz Poll, einer Umfrage unter den Musikfans, als Vokalistin auf den zweiten Platz.
Wie die Valente wandte sich die junge Mannheimerin danach dem Show- und Schlager-Genre zu, darüber hinaus konnte sie auch als Musical-Sängerin reüssieren. Mit ihrer hellen, mädchenhaften, modulationsfähigen Stimme und jugendlicher Frische war sie ein oft gesehener Gast auf bundesdeutschen Fernsehschirmen. 1966 gewann sie das Internationale Songfestival in Rio de Janeiro mit dem Lied „Frag den Wind“. Ein Jahr später präsentierte sie den Titel „Anouschka“ beim Schlager-Grand Prix. Den Sieg trug damals die englische „Barfuß-Sängerin“ Sandie Shaw davon, mit dem Klassiker „Puppet On A String“.
Als Schauspielerin lockte Inge Brück 1970 in der Serie „Miss Molly Mill“ bei jeder Folge 19 bis 22 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Auch privat lief es gut; sie war bis 1969 mit Michael Pfleghar verheiratet, danach mit Klaus Überall (beides erfolgreiche TV-Regisseure). Doch tief im Inneren, so bekannte sie 1989 im Gespräch mit dieser Redaktion, stellte sie die Oberflächlichkeit ihres Lebens in Frage. Ängste und Orientierungslosigkeit hätten sie bedrängt, sagte sie damals.
Im Frühjahr 1973 hatte sie ein Erweckungserlebnis: Sie habe schlagartig das Wort Gottes und seine Bedeutung erkannt, erklärte sie im Interview. Fast über Nacht änderte die Sängerin ihr Leben: Sie sagte dem Show-Business ade, zog von Berlin nach Bonn, studierte zwei Jahre Theologie, schrieb Gedichte über ihre Umkehr zum Glauben.
Fortan trat sie nur noch mit religiösen Liedern auf. Zusammen mit Künstlern wie Katja Ebstein und Peter Horton gründete sie die Initiative Künstler für Christus, von der 1985 ein Live-Doppelalbum erschien, auf dem neben Brück und Ebstein unter anderem Sportreporter-Legende Dieter Kürten als Moderator und Popstar Barry McGuire („The Eve Of Destruction“) mitwirkten. 2002 nahmen Brück und Ebstein mit Kathy Kelly ein weiteres Album auf.
Rückzug in den 1970er Jahren
Seit den 1970ern lebt Inge Brück zurückgezogen, zunächst in einer Glaubensgemeinschaft im Westerwald, seit vielen Jahren im Sauerland. Ganz selten nur gab sie Interviews. In dem mit dieser Redaktion sagte sie über ihre Religiosität: „Hoffnung, Trost, Stärke, Orientierung - danach sehnt sich der Mensch. Und alles dies mündet in den Namen Christus.“ Sie wirkte damals, 1989, erfüllt von innerer Zufriedenheit. Das Scheinwerferlicht der Showbühnen schien diese Frau nicht zu vermissen.
Eine Passage jenes Gesprächs wirkt heute noch ungeahnt aktuell. Die Glaubensfrage sei aktueller geworden, meinte Inge Brück seinerzeit: „Die Menschen machen sich wieder mehr Gedanken über das Leben. Einen großen Einfluss hat dabei die Zerstörung der Umwelt.“ Das war 1989 - vor 22 Jahren.
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