Das Interview - Hoffnung trotz Schicksalsschlag und Corona-Krise  

Mannheimer Sängerin Silke Hauck: "Wir sind gezwungenermaßen Sozialfälle"

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Genießt es sichtlich, wieder auf der Bühne zu stehen: Silke Hauck am 8. August auf der Seebühne im Luisenpark. © Rinderspacher

Mannheim. Silke Hauck hat es doppelt schwer getroffen: Erst verliert die Mannheimer Sängerin am zweiten Weihnachtsfeiertag ihren „Lieblingsmenschen“, Kreativpartner und Manager Michael Bundt (1949-2019). Dann entzieht ihr die Corona-Pandemie Mitte März die Geschäftsgrundlage. Doch beflügelt von ersten Open-Air-Auftritten unter Abstandsregeln in Weinheim, beim Kultursommer Käfertal und im Rahmen des „Jetzt erst recht!“-Festivals im Luisenpark zeigt sich Silke Hauck im Interview hoffnungsvoll, dass sie ihre Karriere auch in Eigenregie gut sortiert bekommt.

Frau Hauck, was überwiegt nach dem Verlust Ihres Kreativpartners und monatelangem Quasi-Berufsverbot: Zukunftsangst oder Zuversicht? Beziehungsweise „Running Scared“ oder „Big Girls Don’t Cry“ (große Mädchen weinen nicht), um mit zwei Titeln ihres jüngsten Albums zu sprechen?

Silke Hauck: Die Lage ist insofern schlimm, dass im Dezember mit Michael mein Lebensgefährte gestorben ist, der auch mein Manager und quasi Mädchen für alles war. Dann kam Corona, so dass ich Mitte März für Monate meinen letzten Gig gespielt habe. Bis zu den drei Konzerten in den letzten Wochen konnte ich nur ein paar Streaming-Sachen machen.

Dazu kommen vermutlich finanzielle Sorgen ohne die Einnahmen durch Konzerte.

Hauck: Ganz ehrlich: Da will ich mich nicht beklagen. Jetzt käme die zweite Auflage der Soforthilfe für Juni, Juli und August. Aber irgendwie habe ich jetzt keine Lust mehr, das in Anspruch zu nehmen. Ich muss das anders umschiffen. Die erste Soforthilfe hat ihren Zweck erfüllt, dann habe ich einen Vorschuss von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) bis 2029 bekommen. Und die verprasse ich jetzt (lacht).

Wie kann es denn kreativ weitergehen ohne Michael Bundt? Haben Sie schon Pläne für konkrete Projekte?

Hauck: Schwierig. Michael und ich waren ja ein echtes Kreativteam. Er hat alle Texte auf meinen Alben geschrieben. Er hatte das Glück, so viele Talente zu haben: Er hat die Albumcover gestaltet, fotografiert, er konnte zeichnen, Texte dichten, war ein toller Musiker. Aber so ganz langsam wächst der Wunsch wieder, zum Beispiel eine Platte zu machen. Wenn Sie mich das vor vier Wochen gefragt hätten, wäre ein klares Nein gekommen. Da war das noch ein absolutes No-Go für mich, weil der Mike im ganzen Kreativbereich so ein extrem wichtiger Teil war. Das willst Du dann auch einfach nicht ersetzen. Aber ich muss es irgendwann. Und das Schreiben ist wie das Singen einfach viel zu schön, um es zu lassen. Das macht ja am meisten Spaß.

Konnten Sie die unfreiwillige Pause wenigstens zum Schreiben nutzen? Oder, um neue Strukturen, ein neues Kreativteam aufzubauen?

Hauck: Neue Strukturen im Kreativbereich, auch Schreiben - dazu kam ich erstmal weniger. Weil ich ganz viel Arbeit damit hatte, mich in Michaels Büroarbeit hineinzufinden. Es mag sich naiv anhören, aber bis zu seinem Tod am 27. Dezember habe ich nicht eine einzige Rechnung geschrieben. Das musste ich mir alles beibringen, habe versucht die Homepage zu pflegen und interaktiv etwas zu starten - auf Facebook, Instagram und Co. Mir war es wichtig, weiterhin präsent zu sein.

Klingt etwas trostlos oder täuscht der Eindruck?

Hauck: Ach, das war ein gutes Seelenpflaster, zumal ich in den sozialen Medien wieder singen konnte. Das ist immer schön. So, dass du aufhörst Angst zu haben.

Die gab es also schon?

Hauck: Ja, am Anfang wusste man ja nicht, wie es weitergeht. Ich bin aus der großen Wohnung in den Quadraten in die Neckarstadt gezogen. Da war vieles neu.

Dazu kommt die fast schon etwas unheimliche Serie von Todesfällen in der Musikszene der Region.

Hauck: Zuletzt auch noch Horst Schnebel. Es fing mit Robbee Mariano an, Stephan Ullmann war für mich auch ganz schlimm. Das hat uns alle richtig ins Gebein getroffen.

Im Winter sollten die 99. und die mit Spannung erwartete 100. Ausgabe der Silke Hauck Nacht im Schatzkistl stattfinden. Laut Peter Baltruschat werden die Termine Pandemie-bedingt wohl mindestens um ein Quartal verschoben. Können Sie trotzdem schon etwas zu den Gästen sagen, zumindest beim imposanten Jubiläum?

Hauck: Zurzeit könnten wir nur 38 Leute ins Schatzkistl lassen, deshalb ist alles vertagt. Auch die Planung. 2021 ist einfach zu weit weg. Im Moment denkst du sowieso einen Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück. Alles ist abgesagt, neue Bookings kommen so gut wie nicht rein.

Trotzdem wirken Sie nicht resigniert, eher etwas hoffnungsvoll. Hat das die Rückkehr auf die Bühne bewirkt?

Hauck: Das hat mit Sicherheit dazu beigetragen. Ansonsten sage ich immer: „Don’t stop believing“ - höre nicht auf, zu glauben. Was wollen wir sonst machen? Man freut sich erstmal über jeden Schritt raus aus dem Lockdown, in die Normalität, in der wir wieder auftreten dürfen. Wenn wir das nicht können, sind wir gezwungenermaßen Sozialfälle. Aber wir wollen ja arbeiten!

Was ist Ihr Gefühl, wann es wieder „normaler“ werden könnte?

Hauck: Vielleicht 2021 im März.

Silke Hauck - beliebte Live-Künstlerin

  • Silke Hauck wurde in Zweibrücken geboren. Sie zog 1989 nach Mannheim und startete zunächst unter dem Pseudonym Chelsea ihre Gesangskarriere.
  • Seit der ersten Single „Diese Nacht noch ein Tag“ (1997) arbeitet sie unter ihrem eigenen Namen, unterstützt vom Mannheimer Produzenten Multiinstrumentalisten, Songschreiber, Produzenten und Manager Michael Bundt (1949-2019).
  • 1999 erschien Haucks erstes Album „Liederlichkeiten“ im Brecht/Weill-Stil. Danach verabschiedete sich sich mit „Mellow Blue“ (2004) weitgehend von deutschen Texten. Zuletzt erschien 2018 „Running Scared“.
  • Die vielseitige Sängerin mit einem Repertoire zwischen Jazz, Chanson, Rock, Pop, Soul, Funk und Blues gehört zu den beliebtesten Live-Künstlerinnen der Region.
  • Seit 2000 lud sie im Mannheimer Schatzkistl 98 Mal musikalische Gäste und Fans zur Silke Hauck Nacht ein. Die nächsten Termine (28. November und 19. Dezember) werden noch neu terminiert. jpk

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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