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Der eine heißt Daniel, der andere Daniele. Der eine ist Mannheimer, der andere Italiener, so weit, so zufällig. Was sie noch gemeinsam haben? Einiges. Beide sind Musiker, die sich der Oper verschrieben haben, beide sind am Pfalztheater Kaiserslautern engagiert. Gemein ist ihnen auch ein Amt: Daniel Böhm und Daniele Squeo sind dort als Künstlerische Direktoren Teil einer interimistischen Intendanz. Ein Sänger und ein GMD als Leiter aller drei Sparten, also Oper, Schauspiel und Ballett - branchenunübliches Kuriosum oder vielleicht gar ein innovatives Zukunftsmodell?
Doch langsam, immer der Reihe nach ... Was verrückt klingt, ist Folge eines Prozesses, den die drei Träger des Dreispartenhauses - Land Rheinland-Pfalz, Bezirksverband Pfalz und Stadt Kaiserslautern - irgendwo zwischen unaufgeregt und zufällig auf den Weg brachten. Eine Wirtschaftlichkeitsstudie des sich am stärksten für das Haus engagierenden Bezirksverbandes brachte die Sache ins Rollen. Weniger die Studie selbst, solche Nachfragen sind im steuerfinanzierten Kulturbetrieb Usus, sondern die Art ihrer Durchführung war entscheidend.
Wechsel aus der Denkwerkstatt
Nicht nur auf Leitungsebene, sondern auch auf Mitarbeiterebene wurde hausintern nachgefragt: nach Schwierigkeiten, Belastungen, Kostenintensität, Ärgernissen, Verhältnismäßigkeiten, Kapazitäten und Bedarfen. In sogenannten „Denkwerkstätten“ entstanden Ideen, die für die Zukunft des Hauses entscheidend sein sollten. Das wohl Wichtigste dabei war, dass nichts einfach so von außen, von einer x-beliebigen Unternehmensberatung verordnet wurde, sondern die Theaterleute selbst - freilich im Rahmen bestimmter Möglichkeiten - an den notwendigen Veränderungsprozessen teilnehmen konnten. „Es war erklärtes Ziel, den ,Aus-eigener Kraft-Gedanke’ zu vermitteln und zu stärken“, umreißt Daniel Böhm den Vorgang. Schon während des Prozesses war klar, dass Urs Häberli nach zehn Jahren zunächst als Chefdisponent und zehn Jahren dann als Intendant am Pfalztheater nicht weiter machen würde. „Es stellte sich die Frage, wie das generell künftig hier laufen soll “, sagt Böhm und erklärt: „Es war klar, dass das nicht von einer auf die nächste Spielzeit gehen kann, weshalb Daniele Squeo und ich ganz bewusst ein Interims-Duo darstellen, das nur die kommende Spielzeit 2022/2023 in dieser Funktion verantworten wird.“
Beschlossene Sache ist eine neue Leitungsstruktur, ein Novum für das bisher nach klassischem Stadttheatersystem von einem Intendanten geführten Haus, unter dem dann für jede Sparte je ein Direktor stand. Anders als in Mannheim, wo sich 2013 für das Nationaltheater nach langem Ringen ein singuläres und teures „Fünf-Intendanten-Modell“ durchsetzen konnte, setzt man in „K-Town“ in der übernächsten Spielzeit, also ab 2023/2024, auf ein „Drei-Säulen-Modell“. Mittlerweile sind aus Säulen auch Namen geworden: Einem Künstlerischen Direktor (dem Erfurter Johannes Beckmann), steht mit Marlies Kink (Weimar) eine Betriebsdirektorin für Gewerke, Technik oder auch Marketing sowie in Simone Grub eine Verwaltungsdirektorin zur Seite.
Menschen zurückgewinnen
Ob es sich nicht komisch anfühle, sich so kurzfristig und dann nur für ein Jahr die Künstlerische Direktion zu teilen? „Nein, gar nicht, ich bin quasi die Stütze der Säulen“, lacht Böhm und fährt fort: „Es war von Anfang an klar, und wir konnten dennoch viel gestalten und bewirken für die Übergangsspielzeit“, sagt Böhm und sprudelt los, warum man dieses und jenes Stück zeige, es „After-Work-Vorstellungen“ gebe, das Ballett stärker in den Fokus rücke, lustige Abos wie „Blind date Abo“, „Gourmet-Abo“ oder „Mädelsabend-Abo“ anbiete. All das sei nötig, um das Publikum, vor allem das „im mittleren Alter“, wieder zurück ins Theater zu holen: „Viele Menschen hatten massiven Respekt vor Ansteckung, andere haben während der vergangenen zwei Jahre alternative Abendgestaltungen für sich entdeckt“, resümiert er die Corona-Spielzeiten süffisant.
Auf dem Spielplan gäbe es daher für jeden etwas, eben gerade auch viele Publikumslieblinge, die lange nicht gelaufen seien wie „Die lustige Witwe“, „Kiss me, Kate“, „Sunset-Boulevard“ oder „Woyzeck“ (in der Fassung von Tom Waits), oder „Faust“ im Schauspiel. Moment mal, der Opernsänger und das Schauspiel? In enger Absprache mit den Vorschlägen der Kollegen der anderen Sparten sei das alles entstanden, versichert er. Außerdem, klärt Daniel Böhm auf, habe er seine Rolle als Künstlerischer Co-Direktor weniger seinem Engagement als Bariton, sondern vielmehr seinem langjährigen Engagement im Personalrat zu verdanken, dessen Vorsitzender er seit 2017 ist. „Es ging darum, in der Übergangszeit ins Haus hinein Kontinuität und Vertrauen zu vermitteln.“ Dass auf dem Spielplanheft „Auf. Um. Bruch“ steht, sei nämlich buchstäblich Programm.
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