Computerkunst

Mannheimer Kunstverein: Wenn Computer Träume in Kunst umrechnen

Zwei Tage lang ging es im Mannheimer Kunstverein um ein spannendes, zukunftsträchtiges Thema: "Die Kunst der künstlichen Intelligenz" wurde in ergiebigen Vorträgen und anschaulichen Beispielen umkreist

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Martin Vögele
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Eine schöne, bunte neue Kunstwelt? So visualisiert der Kunstverein selbst das Thema seiner Veranstaltung. © Kunstverein

Mannheim. Der Mannheimer Kunstverein richtet ein zweitägiges Hybridformat aus Symposium und Ausstellung zum Thema „Die Kunst der künstlichen Intelligenz“ aus. Dabei gewähren die in der Rhein-Neckar-Region ansässigen Künstler Moto Waganari, Jo Jacobs, Gunnar Keppler und Stefan Schrön äußerst bemerkenswerte Einblicke in Prozesse und Ergebnisse der KI-Kunstschöpfung

Interview

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Martin Vögele
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Als KI habe sie zwar kein persönliches Empfinden und deshalb auch nicht die Fähigkeit zur Begeisterung. „Aber aus meiner objektiven Perspektive ist die Fähigkeit künstlicher Intelligenz, Kunst zu beeinflussen und zu erweitern, wirklich bemerkenswert“, entgegnet die ChatGPT-Stimme aus dem Computer auf Jo Jacobs Frage, was sie „am meisten an künstlicher Intelligenz in Bezug auf Kunst“ begeistere. Es erscheint nur folgerichtig, dass man den sogenannten Chatbot gleichsam als Experten in eigener Sache in der Diskussionsrunde zu Wort kommen lässt, mit der dieser - in der Tat äußerst bemerkenswerte - Abend im Mannheimer Kunstverein endet.

Zwei Tage lang, über jeweils vier Stunden, geht es dort um „Die Kunst der künstlichen Intelligenz“. Das geschieht in Gestalt eines Hybridformats aus Symposium und Ausstellung, das der Kunstverein zusammen mit den in Mannheim und der Region ansässigen Künstlern Moto Waganari, Jo Jacobs, Gunnar Keppler und Stefan Schrön entwickelt hat.

Ausstellung trifft Symposium: In Mannheimer Kunstverein ging es am Wochenende um die Kunst der künstlichen Intelligenz. © Kunstverein

Der Besucherandrang am Eröffnungsabend ist enorm, und was man im Ausstellungsraum zu sehen und hören bekommt, ist allenthalben überwältigend - visuell wie intellektuell. Auch in Mannheim gebe es Kunstschaffende, die sich seit langem mit dem Thema KI beschäftigen, „und insofern ist es auch unsere Aufgabe, diesem Thema ein Gesicht zu geben, versuchen zu vermitteln, zu erklären, darzustellen“, erläutert Vereinsvorsitzender Friedrich W. Kasten bei der Begrüßung.

Simulierte Intelligenz

Zum theoretischen Teil des Abends gehören zwei Vorträge, im ersten („Künstliche Intelligenz, was ist das eigentlich?”) erklärt der Medien- und Programmierkünstler Gunnar Keppler so detail- wie kenntnisreich Aufbau, Arbeitsweise und Wirkungsprinzip von künstlicher Intelligenz, wobei er grundlegend klärt: „Künstliche Intelligenz ist der Überbegriff, für simulierte Intelligenz mittels Computer“, sprich: „kein intelligenter Computer, sondern nur ein Computer, der simuliert, intelligent zu sein“, differenziert Keppler. Im zweiten Vortrag lässt sich Stefan Schrön, von Haus aus Designer, der auch zu den KI-Möglichkeiten forscht, auf die „(R)Evolution der Kunst in einer digitalisierten Welt“ ein. Für ihn ist die KI ein Mittel zur Umsetzung von Ideen, eine „Muse“, wie er sagt.

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„Das bedeutet, dass man sich eher auf die Inhalte konzentrieren kann.“ Und von diesen Inhalten gibt es im Ausstellungsraum allerhand zu sehen - etwa ein installatives Bildschirm-Element mit wechselnden KI-erzeugten Bildern und eine VR-Brille, für die Multimediakünstler Jo Jacobs ein 360-Grad-Landschaftspanorama auf Basis von Gemälden des Malers Max Slevogt kreiert hat. Oder Kepplers projizierte „Not Alive“-Installation, bei der die KI auf Grundlage des Bilderpools im Internet lernt, in Echtzeit errechnete Gesichter zu generieren.

Daneben finden sich indes auch zahlreiche klassische, physische Hängungen, die mit einer frappierenden Vielzahl von Stilen und Sujets aufwarten: Wir sehen Retrofuturismus, Surrealismus und den binär recodierten Geist alter Meister, erblicken Anthropomorphes und Mensch-Maschine-Verbindungen, 1980er-Jahre-Poster-Kitsch-Explosionen, grandiose Fotokunst-Mimesis und hyperrealistische Fantastik. Aufsplitten lassen sich diese Arbeiten in eine 16 Bilder starke, auratische Porträtserie des digitalen Bildhauers und KI-Künstlers Moto Waganari, der zudem mit seinen großformatig auf die Wand projizierten Bild-im-Bild-Arbeiten - bei denen Porträts nach Art einer Galerie in wundersame, hochästhetische Wohnlandschaften eingebettet sind - tief beeindruckt. Eine komplette Wand ist den Werken des sechsköpfigen Künstlerkollektivs „Unendlicher Verstand“ gewidmet, deren Biografien neben ihren so faszinierenden wie bisweilen verstörend unweltlichen Bildern gezeigt werden.

Unvorhersehbar und aufregend

Freilich sind weder sie noch das von ihnen geschaffene Oeuvre menschengemacht - die Kollektivmitglieder seien vom Computer generierte „Entitäten“, eröffnet ihr Schöpfer Stefan Schrön den Besucherinnen und Besuchern. Als wir den Kunstverein schließlich nachgerade schwindelig geschaut, gehört und reichlich begeistert verlassen, kommt das Gefühl, in einer Weltraumrakete zu sitzen, deren nächste Trägerstufe gerade gezündet wurde. Man weiß nicht, welche Geschwindigkeit sie entwickeln wird und wohin sie einen trägt: Was kommen mag, ist unvorhersehbar aufregend.

Freier Autor

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