Im Frühjahr 2023 saß ich abends auf dem Sofa und begann zum ersten Mal in meinem Leben einen Chat mit einer KI - einer Künstlichen Intelligenz. Ich dachte, das teste ich jetzt mal. Und zwar mit einem Thema, auf das die Computer wahrscheinlich nicht vorbereitet sind: Satire und ob sie die Welt verändern kann. Eine halbe Stunde später war ich im positiven Sinne erschüttert. Das „Gespräch“ war sinnvoller verlaufen als eine durchschnittliche Kneipendiskussion. Ich sagte zu meiner neben mir auf dem Sofa sitzenden Frau: „Schatz, unsere Kinder wachsen schon in diesem Moment in einer Welt auf, die nicht mehr unsere ist.“
Danach begann ich, in die technischen Zusammenhänge einzusteigen, und recherchierte, was diese KI-Dinger da eigentlich machen. Nein, sie interessieren sich nicht wirklich für Kabarett. Die Chance, dass Chat-GPT sich Karten für eine meiner Vorstellungen kauft, ist geringer, als dass König Charles mit beiden Söhnen zu mir ins Theater findet.
Im Grunde, Stand 2023, geht es um eine komplexe Form von Wahrscheinlichkeitsrechnung. So eine KI wird mit möglichst viel Texten, zum Beispiel aus den unendlichen Weiten des Internets, gefüttert und berechnet dann anhand dieser, aus welchen Wörtern die wahrscheinlich beste Antwort auf eine Frage besteht. Ob es um Kabarett, Raketentechnik, Kleintierzucht oder die Schnittmenge aus allen drei geht.
Frappierend gut
Das Ergebnis ist frappierend gut und brauchbar. Und lässt mich überlegen, ob wir unsere menschliche Intelligenz nicht unglaublich überschätzen, weil sie oft auch nur mit Wasser kocht - das ihr so eine KI mittlerweile durchaus reichen kann. Selbst im zwischenmenschlichen Umgang. Der Klassiker ist ja immer die Situation, in der dein Partner dich fragt: „Schatz, findest du mich eigentlich zu dick?“. Da sagt man lieber nichts. Dafür ist man als Mensch zu fehlbar. Das ist eine brenzlige Sache, wie wenn im Thriller der Agent entweder den roten oder den blauen Draht durchtrennen muss. Die KI hat mir als Antwort auf diese Frage folgenden Satz empfohlen: „Ich liebe dich so, wie du bist und ich möchte, dass du dich in deinem Körper wohlfühlst!“ Das ist nicht schlecht, oder? So dass man beinahe denkt: Besser, meine soziale Intelligenz ist künstlich, als überfordert.
Die Faszination für diese KI hat mich übers Jahr nicht losgelassen. Und in der Vorbereitung des Jahresrückblicks kam ich zum Schluss, dass es eines der wichtigsten Themen des Jahres ist. Über Wärmepumpen, Prinz Harry und die Berliner Ampel wird in 50 Jahren keiner mehr reden.
Also habe ich der KI dieselben Fragen am Ende des Jahres noch einmal gestellt. Die Antworten sind mittlerweile dreimal so ausführlich. Und eigentlich auch besser. Auf die Frage, ob Kabarett die Welt verändern könne, hieß es im Frühjahr noch: „Obwohl Kabarett in der Lage sein kann, die Aufmerksamkeit auf wichtige Probleme zu lenken, und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, ist es unwahrscheinlich, dass es die Welt im großen Maßstab verändern wird.“
Zu den Auftritten von Frederic Hormuth
- Frederic Hormuth geht seit 2005 mit dem satirischen Jahresrückblick „Wie war’s für dich?“ auf die Bühne.
- Mannheim-Premiere ist am Mittwoch, 20. Dezember, in der Klapsmühl’. Hormuth spielt jeweils um 20 Uhr en suite bis Samstag. Karten: 0621 / 22 4 88 (Mi/Do 22 Euro, Fr/Sa 24 Euro).
Inzwischen ist die KI da wesentlich optimistischer: „Kabarett kann sicherlich dazu beitragen, die Welt zu beeinflussen. Es ist Teil eines breiteren kulturellen Dialogs und kann Menschen dazu zu bringen, sich aktiv mit den Herausforderungen ihrer Zeit auseinanderzusetzen. Veränderung erfordert oft eine Kombination verschiedener Einflüsse, darunter politische Maßnahmen, soziale Bewegungen und kulturelle Ausdrucksformen wie Kabarett.“
Auf meine Frage, ob eine KI denn auch Kabarett machen könnte, hieß es Anfang des Jahres: „Es ist unwahrscheinlich, dass sie in naher Zukunft in der Lage sein wird, den menschlichen Humor vollständig nachzubilden. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass Kabarett oft politisch und gesellschaftlich kritisch sein kann und KIs unbewusst Unterstellungen in ihren Ergebnissen tragen. Deswegen ist es wichtig, die Ergebnisse zu überprüfen, bevor sie veröffentlicht werden.“ Das bedeutet doch im Grunde: Ja, es geht, aber es wird nicht menschlich-lustig. Dafür aber vielleicht so menschlich-polemisch, dass du damit nicht direkt auf die Bühne solltest.
Diese Bedenken hat die KI inzwischen nicht mehr. Jetzt heißt es: „Fortgeschrittene Modelle wurden mit großen Mengen an menschlichem Text trainiert und haben die Fähigkeit, Stil und Tonfall zu imitieren, einschließlich humorvoller Elemente. Oft fehlen die Tiefe der menschlichen Kreativität und das Verständnis für emotionale und kulturelle Nuancen. In der Welt des Kabaretts bleibt die menschliche Aufführung oft unersetzt, da sie eine einzigartige Mischung aus Kreativität, Emotion und persönlichem Ausdruck bietet.“ Das soll mich wohl beruhigen, doch frage ich mich angesichts der Formulierung „oft unersetzt“, welche Kollegen bereits vollständig KI-generiert sind.
Dann habe ich die Probe aufs Exempel gemacht und gesagt: „Ich bin beruflich Kabarettist. Erzähle mir einen Witz, der mich überzeugt.“ Im Frühjahr hieß es daraufhin: „Natürlich, hier ist ein Witz für Sie: Warum haben Bibliothekare immer kalte Hände? Weil sie so viele Bücher anfassen und nie ein Ende finden! Ich hoffe, dieser Witz hat Ihnen gefallen und Sie werden ihn in Ihrer nächsten Show verwenden!“
Ich habe geantwortet: „Ich habe den Witz leider nicht verstanden“. Und dann stand da auf dem Bildschirm: „An error occurred. If this issue persists please contact us through our help center.” Sah aus, als hätte die Herausforderung „Humor” einen Absturz herbeigeführt.
Auf den Fersen der Humoristen
Mittlerweile ist die KI auch da deutlich besser geworden und hat geantwortet: „Warum hat der Kabarettist immer einen Regenschirm dabei? Für den Fall, dass sein Humor zu trocken wird!“ Das fand ich zwar auch nicht lustig, aber ich hatte eine Ahnung, in welche Richtung das humoristisch gedacht gewesen sein könnte. Also habe ich konstruktiv nachgefragt: „Müsste er dann nicht ein Glas Wasser dabeihaben?“ Und das hier war die Antwort: „Gute Anmerkung! Hier ist eine angepasste Version: Warum hat der Kabarettist immer ein Glas Wasser dabei? Für den Fall, dass sein Humor zu trocken wird und er ihn verdünnen muss!“
Kein Absturz. Das ist ein halbwegs brauchbarer Witz. Die KI ist mir auf den Fersen. Und wenn sie dann einen wie mich eingeholt hat, ist hier keiner mehr sicher. Unsere Aufgabe wird es sein, zu beweisen, dass wir besser sind. Oder überhaupt erst einmal besser zu werden, je nach individueller Ausgangsbasis. Fürs erste schlage ich vor, Sie besuchen mich im Theater, solange es da noch human-komische Intelligenz von freilaufenden Gehirnen gibt.
Kabarettist, Musiker, Autor und Moderator Frederic Hormuth wurde 1968 in Mannheim geboren. Seit 1998 spielt er bundesweit Soloprogramme.
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