Mannheim. Der Verlobten Felice Bauer schrieb er mal, dass er „auch lachen“ könne. Sogar grundlos, in Momenten, als es eher kontraproduktiv war und für Ärger sorgen musste. Etwa, als Franz Kafka, der in seinem abgrundtief gehassten Brotberuf durchaus Karriere machte und in Prag aus Anlass einer weiteren Beförderung zum Chef der „Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt“ zitiert wurde, über den hohen Herrn und seine salbungsvolle Rede in ein schallendes Gelächter ausbrach.
Wie Franz Kafka in seinen Schriften die Absurdität der Bürokratie vorhersagte
Lustig war schon, wie der Chef mit seinem grauen Vollbart seinen Kopf nach vorn neigte, als sei er ihm zu schwer. Präzise diese Kopfhaltung kann man bei vielen Amtspersonen in den Büchern Kafkas wiederfinden, einschließlich der „Schloß“-Beamten in seinem womöglich rätselhaftesten Roman.
Das fiel schon Walter Benjamin vor 90 Jahren auf, in einem schmalen, aber epochalen Essay anlässlich des 10. Todestags des Schriftstellers. Und er verglich die „Schloß“-Beamten mit Atlanten, den Titanen aus der Mythen-Welt der alten Griechen - die den Kopf nach vorne neigen, weil die ganze Welt auf ihren Schultern lastet.
Kafka fürchtete diese Respektspersonen. Aber er bespöttelte sie auch. Das Komische an seinen Büchern wird inzwischen - da der Todestag schon bald das große Jubiläum nach sich ziehen wird: das 100-jährige - recht oft beschrieben. Auch bei einem lesen.hören-Abend in der ausverkauften Alten Feuerwache.
Jella Haase und Lena Gorelik enthüllen Kafkas vielschichtige Komik hinter dem bitteren Humor
Die Autorin Lena Gorelik gestaltet ihn mit der Schauspielerin Jella Haase. Und natürlich taucht auch die bekannte Anekdote auf, dass Kafka selbst, wenn er aus seinen Texten vortrug, wegen ungebremster Lachanfälle manchmal kaum noch weiterlesen konnte. Sogar beim „Process“-Roman, in der Verhaftungsszene zu Beginn. Das zeigt: Es ist häufig ein bitterer, fast sadomasochistischer Humor, der hier zutage tritt. Die bürokratischen Instanzen etwa prahlen regelrecht mit ihrer Korruption und Willkür.
Aber Kafkas Witz besitzt auch andere Facetten, wie den übertriebenen Detailreichtum, mit dem der Autor völlig surreale Phänomene schildert. Nicht nur, wenn in „Die Verwandlung“ der zu einem Riesenungeziefer aufgeblähte Gregor Samsa auf dem Rücken liegend hilflos strampelt, um aus seinem Menschenbett herauszukommen. Sprechen kann er kaum mehr. Er fängt an, zu piepsen.
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Jella Haase stellt das in der Mannheimer Veranstaltung so glaubhaft nach, wie es nur geht. Sie setzt auch sonst in ihrem Vortrag manchen trefflichen Akzent, die nicht besonders niedrige Versprecher-Quote fällt da wenig ins Gewicht. Haase beweist zum wiederholten Mal, dass sie die Filmklamotte „Fack ju Göhte“ (inklusive zweier Fortsetzungen) sehr weit hinter sich gelassen hat. Auch wenn sie zugibt, dass ihr die Lektüre der Franz Kafka-Vorlagen bisweilen etwas mühevoll geworden sei. Obwohl sie gleichzeitig „die Haken, Saltos, Loopings“ dieser Texte rühmt.
Auch Kafka selbst war manisch unentschlossen, überlegte endlos hin und her, verfing sich in den Fallstricken der Dialektik. Selbst das Terminieren der Zusammentreffen mit seinen Verlobten wurde ihm zur Staatsaktion. Die er am liebsten abblies. Lena Gorelik hat dafür gleich zwei Beispiele herausgesucht. Und zeigt damit, wie nah sich der private Kafka und die ohnmächtigen „Helden“ seiner Bücher häufig sind. Biografismus mag zwar in der Germanistik immer noch verpönt sein. Aber hier ist er berechtigt.
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