Konzertkritik

Kiki auf der Mannheimer Sommerbühne: Härter, aber genauso euphorisch wie früher

Die lange als Nora OG bekannte Popakademikerin und ihre Band unterstreichen in der Alten Feuerwache ihren Ruf als Live-Attraktion

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Nora Seidel alias Kiki auf der „Herbstbühne“ der Alten Feuerwache. © Thomas Tröster

Mannheim. Mieser war das Wetter während der Mannheimer Sommerbühne noch nie. Dafür bietet die gefühlte „Herbstbühne“ der Alten Feuerwache 2023 wohl ihr bisher bestes Programm. Dazu trägt auch der Auftritt von Kiki, der fünfköpfigen Band um Sängerin und Rapperin Nora Seidel, am Sonntagabend bei. Der wegen der kühlen Witterung im etwa zur Hälfte - also gut - gefüllten Saal des Kulturzentrums über die Bühne geht.

Blick auf den eigenen Grabstein

Die 1994 in Unna geborene Absolventin des Master-Studiengangs der Popakademie kannte man zunächst als Nora OG. Neuerdings, zum Beispiel bei ihrem schlagkräftigen Auftritt im Vorprogramm von Jan Delay beim Zeltfestival Rhein-Neckar, nennt sie ihr Projekt Kiki. Erschließen will sich das eher fröhlich und nach Kinderkanal klingende neue Etikett inhaltlich nicht so richtig. Wenn es Unterschiede zur Nora-OG-Phase gibt, dann sind Optik, Inhalte und Sound eher härter, melancholischer und düsterer geworden. Dazu passt das K.I.Z.-artige Intro im dunkelblauen Stroboskop-Gewitter und die Zeile „Schlafen kann ich wenn ich tot bin“ verbunden mit dem Blick auf den eigenen Grabstein.

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Ansonsten läuft die Show gewohnt lebensbejahend: Seidel ist eine mitreißende Vokalistin, vor allem aber eine euphorische Stimmungskanone. „Kommt mal vor! Macht mal diese Lücke hier weg“, fordert die gelernte Dortmunderin lautstark. Das Publikum schließt daraufhin folgsam die Besucherritze.

Diese Band ist eine Live-Attraktion, egal ob sie rockt, oder (druckvolle) Balladen vertont.

Ansteckend wird die Euphorie auf der Bühne, weil die eingängige Mixtur aus Reggae, Rap, hartem R&B und Rock fulminant gespielt ist - und oft von einer hochenergetischen Choreographie des gesamten Quintetts flankiert wird, bei dem Headbanging eine zentrale Rolle spielt. Die Instrumentalisten sehen im Kontrast zu Seidels unverblümten Texten zwar brav aus, aber sie spielen wie klassische Popakademiker - in fast allen Fahrwassern perfekt.

Luca Dechert setzt die Tradition herausragender Schlagzeuger aus Udo Dahmens Mutantenschmiede beeindruckend fort. Wie er Wucht, Finesse und das Gefühl für Dub-Beats verbindet, ist eine Augenweide. Auch Keyboarder Yannick Ansohn kann glänzen und sich in das scheinbar monotone Gerüst des Reggae-Rhythmus einfühlen. Justus Fischer würde man diesbezüglich gern häufiger am Bass hören, dafür rockt er seinen Synthesizer, als wäre er ein Metal-Kind der 1970er. Gitarrist Tobias Stulz muss sich die meiste Zeit als Meister des Minimalismus’ bewähren, verblüfft dann aber plötzlich mit Arena-tauglichen Oldschool-Rock-Soli.

Diese Band ist eine Live-Attraktion, egal ob sie rockt, oder (druckvolle) Balladen wie „G“ vertont. Die Songs vom Nora-OG-Album „13“ überstrahlen das neue Material wie „North Face Jacke“ allerdings noch. Wie sich das weiterentwickelt, ist am 7. Oktober an gleicher Stelle zu hören, beim Release-Konzert zur Kiki-EP „Schlafen kann ich wenn ich tot bin“.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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