Unaufgeregt, uneitel, fast ein bisschen schüchtern wirkt Friedhelm Ptok als wir uns im Zimmertheater Heidelberg treffen, wo er ab 29. September in Jeff Barons Tragikomödie „Besuch bei Mr. Green“ auf der Bühne stehen wird - mit stolzen 89 Jahren. Dabei hätte der Hamburger Material genug, um tönend Anekdoten aus einer großen Schauspielerkarriere voller namhafter Arbeitsbegegnungen zum Besten zugeben. Doch das ist nicht seine Art.
Vielleicht hat er diese Erdung nicht nur hanseatischer Zurückhaltung, sondern auch einer Buchdruckerlehre im elterlichen Betrieb zu verdanken, die er auf Bestreben des Vaters machen musste. Sein Handwerk sollte ein anderes - mit Mundwerk werden. Ptok hatte keine Vorbilder, die in ihm von der Bühne herab den Wunsch reifen ließen, selbst Schauspieler zu werden. Sein Erweckungserlebnis fand beim Krippenspiel in der Kirchengemeinde statt: Die Lust am Darstellen war geboren - er gründete eine Schultheatergruppe und hatte einen Berufswunsch.
Eine Schauspielschule besuchte er nie, nahm stattdessen neben der Arbeit privaten Schauspielunterricht. Ein Engagement erhielt er trotzdem, das war 1957 in Flensburg: „Neun Monate spielen, drei Monate stempeln gehen, so lief das damals.“
Mit funkelnden Augen taucht Friedhelm Ptok in eine so ferne wie große Theaterzeit: Kurt Hübner leitet in jener Zeit das Schauspiel Stuttgart und das Stadttheater Ulm, das unter ihm zur Experimentierbühne wurde. Nach abenteuerlichen 13 Stunden Bahnfahrt sprach er Hübner als „Don Karlos“ vor, reüssierte und spielte - noch bevor es zu den Proben hierzu kam - eine weitere Schiller-Figur, den „Räuber“ Kosinsky bei den Ulmer Sommerspielen.
Drei Peter in der Provinz
Eine große Zeit für Ulm und Friedhelm Ptok, der hier in der zur Nachkriegsspielstätte umfunktionierten Turnhalle der Wagner-Schule mit Kollegen wie Hannelore Hoger, Judy Winter oder „den drei Peter“ Peter Wackernagel, Peter Palitzsch und vor allem Peter Zadek Theater spielte. Wie kommt es zu solchen Provinzwundern? „Wenn der gemeinsame Geist und die Arbeitsatmosphäre stimmen“, sagt Ptok. Es entstand ein ganz anderes Theater als es prägende Staatsintendanten wie Boleslaw Barlog in Berlin oder Gustav Gründgens in Hamburg spielten, etwas völlig Neues, selbst Kritikerlegende Friedrich Luft reiste da aus Berlin an.
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„Hübner kam mehr von der Sprachbehandlung her, Zadek brachte den, wie man heute sagen würde, „Trash“ ins Theater und hat es auf den Kopf gestellt - ohne Texte zu zertrümmern. Zadek hasste Textänderungen und -ergänzungen auf den Tod“, erinnert Ptok daran, dass Zadek weit mehr sei „als Shakespeare in Unterhosen gewesen sei“, wie manche heute meinten.
1962 wechselte Ptok mit Kurt Hübner nach Bremen - auch hier wurde dessen Intendanz zur legendären Ära. Regisseure wie Peter Stein, Alfred Kirchner, Klaus Michael Grüber, Hans Neuenfels, Johannes Schaaf oder auch der provokante Rainer Werner Fassbinder schufen Referenzinszenierungen für Schauspielerinnen und Schauspieler wie Bruno Ganz, Jutta Lampe, Edith Clever, Rosel Zech, Traugott Buhre - und eben Friedhelm Ptok. Als Theaterfreund ist man da ehrfurchtsvoll ergriffen, Ptok bleibt freundlich gelassen, selbst das Thema „aktuelles Theater“ produziert bei ihm keinen Schaum vorm Mund.
Wenngleich er „das Rumfummeln im Text und die Notwendigkeit permanenter Überschreibungen“ nicht nachvollziehen könne, so habe ihn unlängst in einer „lauten Inszenierung“ am Berliner Gorki Theater sehr berührt, „wie junge Leute mit ihren Mitteln Liebesgeschichten“ erzählt hätten.
Wie es nun in der Rente sei, ist eine Frage, die man jemandem kurz vor 90 stellen kann. Die sei „halt irgendwann gekommen, aber mit Aufhören hat das ja nix zu tun“, meint der Vater einer 15-jährigen Tochter, der aus einer anderen Beziehung unter anderem auch einen Sohn hat, der sogar in er Region, in Flörsheim bei Worms wohnt.
Die Stimme des Imperators
Bekannt ist Friedhelm Ptok auch „Star Wars“-Freunden, die ihn bei Fan-Treffen und in Erlebniswelten feiern oder an der Kinokasse erstaunt aufschauen und verschwörerisch Kanzler Palpatines Senatsrede zitieren: „Meine Entschlossenheit ist niemals größer gewesen!“ Er lacht: „Da ist man ein ganzes Leben lang Schauspieler - und als Synchronstimmer erkennen einen die Leute.“
Dass er nun am Heidelberger Zimmertheater mindestens drei Monate fast täglich durchspielen müsse, sei ihm „wohl nicht so ganz klar gewesen“, bekennt er lächelnd. Aber das sei ja „eine schöne Urlaubsregion hier“, sagt er, verabschiedet sich freundlich und macht sich gemächlich auf zur Probe mit Kollege Peter Volksdorf und Regisseur Joosten Mindrup, wo er bald einen grantelnden 86-jährigen New Yorker spielt. Möge die Macht mit ihm sein...
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