Mannheim. Herr Hormuth, Sie fahren das „Projekt Hormuth“ wieder hoch - heißt es auf Ihrer Homepage. Hat der Lockdown in Ihrer Wahlheimat Heppenheim länger gedauert?
Frederic Hormuth: Ja, bis letzte Woche, man hatte uns wohl vergessen. Nein: Auftritte und Publikum gibt es schon länger wieder. Dennoch waren die letzten drei Jahre eine Zäsur. Allein bei den Vorlaufzeiten für meine Tourneepläne zieht es sich, den alten Schwung wieder reinzubekommen. Die Zeit war auch familiär sehr herausfordernd. Bis ich gedanklich wieder bereit war für ein neues Programm, das hat gedauert. Ich musste erst wieder festen Boden unter den Füßen haben, um mich auf die nötige kabarettistische Betriebstemperatur zu bringen. Denn Kabarett ist natürlich ein Luxusproblem.
Als Erstes erscheint am 6. September ihr zweites Musikalbum „War was?“ mit zwölf Songs. Der Titelsong soll gleich zu Beginn schocken, oder?
Hormuth: Da sind Sie aber leicht zu erschüttern! Das ist doch nur eine kleine, beschwingt sarkastische Geisterbahn, oder?
Das Lied ist eine Art kabarettistische Dystopie. Die Zeilen „Björn Höcke ist jetzt Kanzler. Und er macht das gar nicht schlecht“, mit seiner Gattin Sara Höcke-Wagenknecht als Vize, lassen zumindest aufhorchen. Geht Ihnen das leicht über die Lippen?
Hormuth: Klar. Man muss doch auch mal gedanklich durchspielen, wo wir landen, wenn’s besonders arg verrutscht. Manchmal lacht man vor Entsetzen, das hat auch seinen Wert.
Neustart mit drei Projekten
- Frederic Hormuth ist als Kabarettist, Autor, Sänger und Pianist Dauergast auf Kleinkunstbühnen wie der Mannheimer Klapsmühl’ am Rathaus.
- Am 1. November 1968 in der Quadratestadt geboren, sammelt er ab 1992 im Trio Die Allergiker Erfahrung.
- Seit 1995 spielt er Soloprogramme. Hormuth lebt im südhessischen Heppenheim.
- Sein zweites Musikalbum „War was?“ erscheint am 6. September als Stream. Die CD ist bei den Live-Auftritten erhältlich.
- Das gleichnamige Programm feiert am Mittwoch, 13. September, 20 Uhr, Premiere in der Mannheimer Klapsmühl’ am Rathaus. Und läuft dort zunächst bis zum 17. September. Mehr Termine unter frederic-hormuth.de/tour
- Ab 19. November moderiert Hormuth den neuen „Talk in der Klapsmühl’“ mit jeweils drei Gästen. Jede Ausgabe soll ein eigenes Thema mit mehr oder weniger regionalem Bezug und Unterhaltungswert haben. Die Talkshow soll einmal im Quartal stattfinden. Der zweite Termin ist am 18. Februar 2024.
- Komplette Übersicht unter www.klapsmuehl.eu
Haben Sie schon eine Idee, wie Thüringen nach der Landtagswahl regiert werden kann, wenn Höckes AfD wirklich um die 30 Prozent bekommt?
Hormuth: Wenn ich das wüsste, würde ich es für mich behalten. Das müssen die Thüringer ausbaden. Und ich kann dann damit arbeiten.
Eine andere Zeile lautet: „Keiner hört hier keinem auch nur irgendwie noch zu.“ Das provoziert die alte Grundsatzfrage ans Kabarett: Helfen Sie nicht nur Ihrer eigenen Filterblase bei der Selbstvergewisserung? Heute mehr denn je?
Hormuth: Natürlich. Das gehört zur kabarettistischen Folklore. Abgesehen davon hinterfrage ich ja auf der Bühne gerne mein eigenes Weltbild und kann Selbstironie auch der Filterblase nur wärmstens empfehlen.
Ein weiteres schönes Bild von Ihnen ist die kreative Künstliche Intelligenz (KI), die sich selbst beklatscht. Sie haben ja sicher schon experimentiert - ChatGPT und Co. können viel, aber nicht witzig sein. Meinen Sie, das lernen die Maschinen noch?
Hormuth: Da hab ich mich erst neulich mit ChatGPT drüber unterhalten. Wir kamen überein, dass es noch ein sehr langer Weg ist. Vor allem, nachdem das Ding versucht hatte, mir einen Witz zu erzählen. Humor besteht grade aus dem Unberechenbaren und Unlogischen. Da sind wir Menschen besser. Wir dürfen nur nicht nachlassen.
Auch interessant: „Der letzte Pazifist“. Singen Sie in dem Lied über Konstantin Wecker? Oder konnten Sie sich den eigenen Pazifismus trotz Ukraine-Krieg erhalten?
Hormuth: Schöne personelle Assoziation! Ich stelle mir vor, dass irgendwann da draußen nur noch ein Pazifist übrig ist - ein trauriger und nostalgischer Gedanke. Für mich persönlich ist Pazifismus zurzeit gleichermaßen unverzichtbar wie unerreichbar.
Die ersten Songs „War was?“ und das live schon bewährte „Glory In Prevention“ sind Ihre stärksten Lieder seit langem. Gegen Ende wird es etwas künstlich, vor allem rhythmisch: Die ABC-Hommage „Der Ofen ist aus“ funktioniert ja noch, aber „Wir sind was am Ende bleibt“ ist mir musikalisch zu nah an Andrea Berg. Warum?
Hormuth: Deshalb. Da haben Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht gehört. Die Nummer ist aus dem letzten Programm. Ein ironisches Versöhnungs-lied fürs gespaltene Land in Form einer Schlager-Parodie. Die ist eigentlich so „over the top“, dass zumindest ich permanent dabei grinsen muss. Das Publikum auch, vor allem, wenn ich dazu getanzt habe.
Die Kinder geben mir Kraft, vor allem, wenn sie abends endlich im Bett sind.
Live hat das in der Tat gut funktioniert. Als Konserve tut es zumindest mir etwas weh. Die Pianoballade „Erschöpfter Optimist“ am Schluss ist dann wieder sehr gelungen. Wie lassen Sie Ihren inneren Optimisten Kraft tanken in diesen Zeiten?
Hormuth: Die Kinder geben mir Kraft, vor allem, wenn sie abends endlich im Bett sind.
Sie haben auf Spotify zehn monatliche Hörer - lohnt sich das? Oder verkaufen Sie genug CDs und LPs bei den Auftritten?
Hormuth: Wenn schon, dann mit Schellack-Platten. Im Ernst: Streaming spielt bei mir keine große Rolle, aber nach Auftritten verkaufe ich ganz gut CDs. Werden Sie als hipper Spotify-Hase gar nicht mehr kennen!
Als Bühnenprogramm startet „War was?“ am 13. September in der Klapsmühl‘. Das ist aber kein reines Musikkabarett, oder?
Hormuth: Nein, das sind wie immer 70 Prozent Wortanteil. Aber der Titelsong des Albums ist der Schlusssong des Programms. Und auch zwei bis drei andere der Kabarett-Pop-Nummern kommen als Klaviersong darin vor.
Es geht unter anderem um Toleranz und Cancel Culture. Vergeht einem als Satiriker eigentlich der Spaß, wenn man sieht, was sich Kollegen wie Nuhr, Eckart, Chappelle oder Gervais anhören müssen? Und wie sie dann wiederum auf die Kritik reagieren?
Hormuth: Da trifft es oft keine Falschen, die sollten schon auch einstecken können. Grundsätzlich finde ich die Frage, wie frei und verantwortungslos Kunst sein kann sehr wichtig. Moral kann da schaden. Muss aber nicht. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.
Kipppunkte sind ein spannendes Thema im Programm. Die Frage für einen künftigen Friedensnobelpreisträger: Wie kippen wir den ganzen Schrott wieder zurück?
Hormuth: Das ist ja der Witz am Kipppunkt, dass es danach nicht mehr zurückgeht. EIN Heiligabend mit der Weihnachts-CD von Helene Fischer und du fällst vom Glauben ab. EIN gekipptes Klima und die Erde sieht aus, als hätte Roland Emmerich Regie geführt.
Am 19. November starten Sie die Reihe „Talk in der Klapsmühl‘’, die Sie moderieren. Braucht die Welt wirklich noch eine Talkshow?
Hormuth: Nein, aber Mannheim vielleicht. Und die Klapsmühl’, denn wir wollen uns auf unsere pointierte Art und Weise ein bisschen mehr einbringen in die Debatten der Stadt.
Wer kommt da alles als Gast in Frage? Und was wäre Ihre Wunschbesetzung?
Hormuth: Heute dachte ich, ich würde gerne mit Dario Fontanella über das Geschäftesterben in der Innenstadt reden. Wenn er ein Spaghettieis mitbringt. So in die Richtung soll es gehen. Interessante Leute und aktuelle Themen der Region.
Und wann übernehmen Sie die ARD-Talkshow „Hart, aber fair?“
Hormuth: Jederzeit. Können Sie da was machen?
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