Interview

Im Interview träumt Mads Mikkelsen von einer Zombie-Rolle

Im Kino ist der dänische Schauspieler Mads Mikkelsen aktuell in dem Film "King's Land" zu sehen. Im Interview spricht er über seine Erfolge in Hollywood und welches Projekt ihn noch reizen würde

Von 
Ulrich Lössl
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Will die jütländische Heide urbar machen: Mads Mikkelsen als Ludvig Kahlen in dem Film „King’s Land“. © Plaion Pictures/Henrik Ohsten – Zentropa

Ludvig ist ein recht archaischer Typ. Er ist störrisch, brutal, unbarmherzig und geht schon mal über Leichen, um sein Ziel zu erreichen. Sie spielen ihn als einsamen, stoischen, sehr zwiespältigen Mann. War das Ihre Entscheidung?

Mads Mikkelsen: Zum Teil, aber Ludvigs ambivalenter Charakter war natürlich schon im Drehbuch fest-gelegt. Er macht im Laufe der Geschichte ja eine Entwicklung durch, die ihn dann doch auch als mitfühlenden Menschen zeigt. Der Film spielt im Jahr 1755. Damals waren die Leute noch aus einem anderen Holz geschnitzt. Auf keinen Fall wollten wir etwa Moralvorstellungen, wie wir sie heute haben, in den Film einfließen lassen. Ganz abgesehen davon versuche ich immer in jeder Figur, die ich spiele, Eigenschaften zu finden, die ich auch persönlich nachvollziehen kann. Denn nur dann kann ich der Person eine Seele geben und ihr Gewicht und Glaubwürdigkeit verleihen. Ludvig ist eine sehr komplexe Figur, die einen anzieht und gleichzeitig abstößt. Ich liebe es, solche Rollen zu spielen.

Es ist Ihr zweiter Film, den Sie nach „Die Königin und der Leibarzt“ mit dem dänischen Regisseur Nikolaj Arcel gedreht haben. Was gab dieses Mal den Ausschlag mitzumachen?

Mikkelsen: Die gute Erfahrung, die ich bei den Dreharbeiten zum ersten Film mit Nikolaj gemacht hatte. Außerdem war ich auch vom Drehbuch zu „King’s Land“ hellauf begeistert. Nicht nur von der epischen Gewalt der Geschichte, sondern auch von den Personen, die darin auftreten. Und zwar von allen Personen. Wenn ich ein Drehbuch in die Hand bekomme, schaue ich nicht nur auf meine Rolle, sondern versuche, mir ein Bild von dem gesamten Projekt zu machen. Das muss dann natürlich irgendeine Saite in mir zum Klingen bringen. Wenn ich mich dann noch beim Treffen mit dem Regisseur gut über den Film unterhalten kann und wir gegenseitig Ideen austauschen können, ist das die beste Voraussetzung dafür, dass die Dreharbeiten erfolgreich werden.

Man hat den Eindruck, dass Sie trotz Ihrer überragenden Erfolge in Hollywood doch am liebsten mit dänischen Regisseuren arbeiten.

Mikkelsen: Ach, ich gehe einfach dorthin, wo es interessante Projekte gibt. Natürlich fühle ich mich bei dänischen Regisseuren, die dänische Filme machen, sehr zuhause. Da kann ich meine Muttersprache sprechen, da habe ich einen sehr intuitiven und direkten Zugang zu den jeweiligen Themen. Und zu den Menschen, die da am Werk sind. Mit einigen dänischen Regisseuren, wie zum Beispiel auch Thomas Vinterberg und Nicolas Windig Refn, habe ich ja schon mehrfach zusammengearbeitet. So ist eine Vertrauensbasis entstanden, auf der man immer wieder aufs Neue aufbauen kann. Dann kann man mitunter auch verrückte Dinge wagen und sehen, ob sie funktionieren.

Mads Mikkelsen: Weltstar aus Dänemark

  • Von Kopenhagen nach Hollywood und zurück: Mads Mikkelsen (58) ist auch nach seinem internationalen Durchbruch als Bond-Gegenspieler in „Casino Royale“ (2006) der Heimat Dänemark treu geblieben. Und das, obwohl man ihn immer wieder für Hollywood-Blockbuster haben will - für die Marvel-Verfilmung „Dr. Strange“ (2016), „Rogue One: A Star Wars Story“ (2016) oder „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (2023).
  • Mikkelsen glänzte auch als Charakterdarsteller in europäischen Filmen, so in der Sozialsatire „Der Rausch“ (2020) unter der Regie von Thomas Vinterberg, die ihm den Europäischen Filmpreis einbrachte.
  • Diesen Preis erhielt er nun erneut für die Rolle im neuen epischen Historiendrama „King’s Land“. Er spielt dort den ehemaligen Soldaten Ludvig, der in Jütland im 18. Jahrhundert von einem sadistischen Gutsherren bekämpft wird. ull

Sie leben mit Ihrer Familie in Kopenhagen. War ein Umzug nach Los Angeles nie ein Thema? Nicht einmal nach Ihrem internationalen Durchbruch?

Mikkelsen: Nein. Als es in Hollywood für mich so richtig losging, hatten wir zwei kleine Kinder. Meine Frau und ich haben uns daher schon sehr genau überlegt, wie wir das handhaben. Meine Kinder hatten eine sehr schöne Zeit in der Schule und einen guten Freundeskreis. Da wollten wir sie auf keinen Fall herausreißen. Und es ist ja nicht so, als würden viele Filme direkt in Los Angeles gedreht werden. Ich war in den letzten Jahren viel unterwegs, in London, Schottland, Deutschland, Tschechien und sonst wo auf der Welt. Und währenddessen sollte meine Familie ohne mich in L.A. bleiben? Das wäre doch totaler Blödsinn.

Sie waren schon gut zehn Jahre als Schauspieler erfolgreich, bevor Sie als Gegenspieler von James Bond in „Casino Royale“ gecastet wurden. Das war schon ein großer Karriereschub, oder?

Mikkelsen: Machen Sie Witze?! Absolut! Allerdings war ich sehr überrascht, dass ich den Part als Le Chiffre überhaupt bekommen habe. Denn beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, welcher Bond-Film mir am besten gefällt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch keinen einzigen 007-Film gesehen. Also log ich das Blaue vom Himmel herunter. Dann hatte ich auch Angst, dass die Leute Probleme mit meinem Akzent haben könnten. Aber die haben sich damals alle auf Daniel Craig eingeschossen, der James Bond ja zum ersten Mal spielte. Er war ihnen zu blond, zu klein, seine Nase passten ihnen nicht und so weiter. Da lief ich - Gott sei Dank - unter dem Radar mit. Und was für ein Triumph „Casino Royale“ dann war! Daniel hat seine Sache hervorragend gemacht. Er ist mein Lieblings-Bond.

Sie begannen Ihre Karriere als professioneller Tänzer. Warum sind Sie ins Schauspielfach gewechselt?

Mikkelsen: Ehrlich gesagt, wollte ich nie Schauspieler werden. Wenn ich aus einem Bruce-Lee-Film herauskam, wollte ich Bruce Lee sein (lacht). Und nicht der Schauspieler Bruce Lee. Ich war damals ziemlich orientierungslos und wusste nicht wirklich, was ich machen wollte. Ich komme aus der Arbeiterklasse. Da war es schon schwierig, meinen Freunden zu verklickern, dass ich nach der Schule Leichtathlet oder Tänzer werden wollte. Aber eines Tages sah ich, dass andere Tänzer eine Drama-School besuchten und da dachte ich, das probiere ich auch mal aus. Also ging ich auf die Schauspielschule im Aarhus Theater. Danach trat ich am Theater in ein paar Nebenrollen auf.

Und dann liefen Sie vor fast 20 Jahren dem Filmemacher Nicolas Windig Refn über den Weg…

Mikkelsen: … was ein totaler Zufall war. Nicolas bereite damals gerade seinen ersten Spielfilm „Pusher“ vor. Und wollte dafür partout keine Schauspieler, sondern Amateure. Er konnte aber niemanden finden, der für den Film geeignet war. Da schlug ihm jemand mich vor. Und er dachte: Oh Gott - ein Tänzer?! Aber ich hatte einen guten Straßen-Dialekt drauf, den er mochte. Also gab er mir die Rolle des drogensüchtigen Tonny. Eine Rolle, die ich dann acht Jahre später in „Pusher II“ noch einmal gespielt habe. Was mir damals sehr gefallen hat, war, dass wir uns als Cast und Crew alle zusammenraufen mussten, um wirklich etwas auf die Beine stellen zu können. Wenn ich in Dänemark drehe, ist dieses Gemeinschaftsgefühl eigentlich immer noch sehr stark ausgeprägt.

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Wie hat denn Ihre Agilität als Tänzer Ihre Schauspielerei beeinflusst?

Mikkelsen: Ich glaube, ich habe ein sehr gutes Verständnis für meinen Körper. Ich lege immer sehr viel Wert auf den physischen Aspekt einer Figur. Ist diese Person schwer oder leicht, wendig, behäbig oder gravitätisch? Ohne die Physis zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Aber Geist, Seele und Körper beeinflussen sich doch ständig gegenseitig. Und das in eine gewisse Balance zu bringen und auszudrücken, ist mir schon wichtig.

Die körperliche Fitness kam Ihnen sicher auch bei dem Fantasyfilm „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ zugute: Sie lieferten sich auf dem Dach eines rasenden Expresszuges einen spektakulären Kampf mit Harrison Ford.

Mikkelsen: (Lacht) Na ja, da waren schon meist Profi-Stunt-Leute am Werk. Aber wann immer es geht, bin ich auch für extremen Körpereinsatz zu haben. In solchen Blockbuster-Movies mitspielen zu können ist für mich immer ein großartiges Erlebnis - und auch ein bisschen surreal. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit Harrison Ford gemeinsam vor der Kamera stehen würde. Schließlich bin ich mit seinen Filmen aufgewachsen. Oder mit denen von Scorsese und Francis Ford Coppola. Damals hatte Dänemark noch niemanden auf der Landkarte. Auch deshalb freut es mich ungemein, dass in den letzten Jahren dänische Film international an Renommee gewonnen haben. „King’s Land“ wurde ja sogar für einen Oscar nominiert. Oder „Der Rausch“, der vor drei Jahren den Oscar als bester internationaler Film tatsächlich gewonnen hat.

Wie gehen Sie denn mit solchen großen Erfolgen um? Wird man da nicht gierig nach mehr?

Mikkelsen: Überhaupt nicht. Als ich mit der Schauspielerei anfing, habe ich mir vorgenommen, nicht zu ehrgeizig, zu verbissen zu sein, um vielleicht die ein oder andere Traumrolle zu ergattern. Stattdessen habe ich versucht, mein Bestes zu geben bei dem Projekt, an dem ich gerade beteiligt war. Ich verstehe jedes Engagement als ein Sprungbrett zum nächsten. Ich fokussiere nicht auf das, was sein könnte, sondern auf das, was ist. Und gehe darin voll auf.

Welche Rolle würden Sie gerne einmal spielen?

Mikkelsen: Ich weiß, dass ich keinen Hamlet in mir habe. Aber einen Zombie in einem coolen Zombie-Film würde ich schon mal gerne spielen. Ich wäre dann aber der gute Zombie.

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