Kino

Nikolaj Arcel kehrt mit "King's Land" zurück zur Historie

Im Historiendrama „King’s Land“, eine Frontier-Western-Variante, erzählt Nikolaj Arcel von der Landfehde zwischen einem adeligen Gutsherren und einem ehemaligen Hauptmann

Von 
Gebhard Hölzl
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Entschlossen tritt Ludvig Kahlen (l., Mads Mikkelsen) dem machthungrigen Gutsbesitzer Frederik De Schinkel (M., Simon Bennebjerg) entgegen. © Henrik Ohsten/Zentropa/dpa

Das skandinavische Kino boomt. Der 2007 verstorbene Ingmar Bergman hat sich mit Meilensteinen wie „Das siebente Siegel“ (1957) oder „Das Schweigen“ (1963) längst seinen Platz im Filmolymp gesichert, für Aufregung unter Cineasten sorgte das von den dänischen Regisseuren Lars von Trier und Thomas Vinterberg entwickelte Manifest „Dogma 95“. Inspiriert von der französischen Nouvelle Vague und dem Neuen Deutschen Film riefen sie darin - anlässlich des 100. Geburtstags der Kinematographie - im Pariser Odéon-Theater zur Erneuerung des Films auf, stellten drei Jahre später mit „Das Fest“ und „Idioten“ die ersten nach diesem Konzept gestalteten Produktionen auf den Filmfestspielen in Cannes vor.

In Deutschland sind vor allem skandinavische Krimis beliebt

Beim breiten Publikum sind hierzulande besonders die unzähligen Kriminalfilme populär, man denke nur an die beinharten Verfilmungen der Romanreihen von Jussi Adler-Olsen, Henning Mankell und Stieg Larsson oder die Erfolgsserie „Die Brücke - Transit in den Tod“, die es zwischen 2011 und 2018 auf vier Staffeln und 38 Folgen brachte - sowie das US-amerikanische Spin-off „The Bridge - America“ mit Diane Kruger als Ermittlerin.

Mads Mikkelsen - Dänemarks (Film-)Exportschlager

Mads Dittman Mikkelsen, 1965 in Kopenhagen geboren, wurde 1996 in seiner Heimat bereits durch seine erste Kinorolle als Junkie/Dealer in Nicholas Winding Refns „Pusher“ bekannt.

Heute ist er der wohl berühmteste Schauspieler Dänemarks und beim nationalen („Dogma“-)Kino - etwa Susanne Biers Psychodrama „Für immer und ewig“ - ebenso zu Hause wie in internationalen Großprojekten.

So war er in der Bestsellerverfilmung „Dina - Meine Geschichte“, in „King Arthur“, im 3D-Actionabenteuer „Kampf der Titanen“ oder Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ zu sehen.

Der endgültige Durchbruch war Mikkelsen, der vor seiner Filmkarriere acht Jahre lang als Profitänzer sein Geld verdiente, 2006 als Bösewicht Le Chiffre im 007-Thriller „Casino Royale“ gelungen. Für seinen Beitrag zum Weltkino wurde der Mime, der als „Hannibal“ (2013 - 2015) im Fernsehen seriell für Aufsehen sorgt und etwa im Western „The Salvation - Spur der Vergeltung“, in „Der Rausch“ oder als „Michael Kohlhaas“ brillierte, 2011 mit dem Europäischen Filmpreis geehrt, im Jahr darauf zeichnete man ihn in Cannes für seinen Part in Thomas Vinterbergs „Die Jagd“ aus.

Der Motorrad-Fan - er besitzt eine seltene 1937er Nimbus - ist seit 2000 mit der Choreografin Hanne Jacobsen verheiratet. Das Paar hat einen Sohn und eine Tochter.

Aktuell kann man in der ARD-Mediathek die norwegische (Endzeit-)Thrillerserie „The Fortress“ abrufen, eine Variante von Christian Alvarts deutsch-dänischem ZDF-Quotenhit „Sløborn“. Unter dem Begriff Nordic Noir fasst man die früher als „Schwedenkrimis“ bezeichneten Arbeiten zusammen, die sich durch ihren pessimistischen Grundton, ihre gebrochenen, vielschichtigen (Anti-)Helden und eine sozialkritische Haltung auszeichnen.

Noir, schwarz und dunkel, ist nun auch „King’s Land“ von Nikolaj Arcel, der nach seinem Misserfolg mit der Stephen-King-Adaption „Der Dunkle Turm“ von Hollywood in seine Heimat zurückgekehrt ist. Wie schon in „Die Königin und ihr Leibarzt“ wendet er sich erneut dem Historiendrama zu. Ida Jessens Roman „Kaptajnen og Ann Barbara“ hat er nach dem gemeinsam mit Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“) verfassten Drehbuch adaptiert. Auf verbürgten Tatsachen basiert die Handlung, die um einen zu allem entschlossenen Mann kreist, der darum kämpft, eine karge Einöde urbar zu machen. Eine Siedler-Story, ein klassischer Topos im US-Kino, durchdekliniert in Dutzenden von Western. Und als solchen kann man diese Produktion durchaus deuten. Folgerichtig lautet der englischsprachige Verleihtitel „The Promised Land“, übersetzt „Das gelobte Land“.

Mads Mikkelsen glänzt in der Rolle des entschlossenen Hauptmanns Ludvig Kahlen

Dänemark. Anno 1755. Der einstige Hauptmann Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) will es zu Ansehen und Reichtum bringen. Dem Befehl seines Königs, Frederick V., Folge leisten, die Jütländer Heide besiedeln und eine Ortschaft gründen. Der pensionierte Soldat strebt nach einem Adelstitel, einem stattlichem Haus mit Bediensteten und gesellschaftlichem Ansehen. Dafür will er das Land kultivieren, eine widerstandsfähige Nutzpflanze säen, die er aus Deutschland mitgebracht hat. Ein gefährliches Unterfangen, bei dem er es mit Wölfen und Straßenräubern zu tun bekommt - und vor allem mit der unberechenbaren Natur.

Als größter Feind entpuppt sich jedoch sein Nachbar Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg). Der adelige Gutsherr beansprucht das an seine Ländereien angrenzende Gebiet für sich, will Kahlen mit allen Mitteln vertreiben. Bald entspinnt sich zwischen den beiden Männern ein erbarmungsloser Streit. Verschärft wird der Konflikt als der örtliche Priester (Gutav Lindh) Kahlen bittet, Ann Barbara (Amanda Collin), die ehemalige Magd des übergriffigen, sadistischen De Schinkel bei sich aufzunehmen. Hinzu kommt, dass Frederiks Braut Helene (Kristine Kujath Thorp), sich zum Neuankömmling hingezogen fühlt ...

Mads Mikkelsen erhält Europäischen Filmpreis für „King’s Land“

Mit dem dänischen Filmpreis wurde das Werk 2023 ausgezeichnet, Mikkelsen für sein Spiel mit dem Europäischen Filmpreis geehrt. Stur und wortkarg gibt er sich als der „Bastarden“ des Originaltitels. Der illegitime Sohn eines Landedelmannes soll er sein. Jemand auf den (Groß-)Bürger und Edelleute herabschauen. Wie De Schinkel, den Bennebjerg („Borgen - Gefährliche Seilschaften“) eindimensional als herzlosen, despotischen Wüterich anlegt.

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Gebhard Hölzl
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Die blutige Auseinandersetzung der Antagonisten steht im Zentrum des Plots, um Klassen und Klassenschranken geht es im Subtext. Um Herren und Leibeigene, um Unterdrückung und Macht. Der sich Kahlen keinesfalls beugen will, schwerer Folter und Bestrafung zum Trotz. Besessen verfolgt er seinen Plan, will sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Wohl auch nicht von dem ausgestoßenen Roma-Mädchen Anmai Mus (Melina Hagberg), dem er zunächst widerwillig Schutz gewährt und das ihm allmählich ans Herz wächst ...

Grandios hat Kameramann Rasmus Videbæk („The Crown“) die raue Landschaft, die den Charakter der Figuren widerspiegelt, eingefangen. Dunkel, kalt, sind die Bilder. Erdig wie der Boden auf den Kahlen mit seiner Hacke eindrischt, derweil De Schinkel an gedeckter Tafel, flankiert von livrierten Dienern, speist. Ihr dort unten, wir da oben ... Körperliches, schweißtreibendes Kino, der Kampf gegen Umwelt und Standesdünkel inszeniert als Drama zwischen Traum und Wirklichkeit, Hass und Liebe, Rache und Vergebung.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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