Heidelberg. Mendelssohns berühmtes Streichoktett liegt auf den Notenpulten. Gregor Sigl, der die jungen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten während dieser Probe anleitet und coacht, nimmt sich die zwei Cellisten vor, empfiehlt: „Den Bogen nur noch von der Seite an die Saiten knattern lassen!“
Später bittet er die beiden Musiker darum, den „Subwoofer“ zurückzufahren. Bloß nicht zu massiv sein. Schließlich handelt es sich hier um Mendelssohn und seine filigrane Klangwelt. „Katzenpfötig“ müsse man das aufführen, rät Sigl. Ohne schmalbrüstig zu werden: „Wie eine zu leise eingestellte Stereoanlage“ soll es natürlich auch nicht wirken.
Mehr Zeit für das Unterrichten
Gregor Sigl ist also ein Mann mit hohen Ansprüchen. Kein Wunder, schließlich spielt er Bratsche (früher Violine) im als maßstabsetzend eingeschätzten Artemis Quartett – das allerdings mit vielen Umbesetzungen und Schicksalsschlägen leben lernen musste.
Termine des Festivalcampus-Ensemble
- Stadtteilkonzerte im März: (wechselnde Besetzungen, doch immer freier Eintritt): 27. 3.: Jüdische Kultusgemeinde, Weststadt; 31. 3.: Bürgerhaus im Emmertsgrund.
- Stadtteilkonzerte im April: (wechselnde Besetzungen, doch immer freier Eintritt): 1. 4.: Marktplatz vor der Tiefburg, Handschuhsheim; 2. 4.: Bürgerzentrum Kirchheim; 3. 4.: Kreuzkirche, Wieblingen; 4. 4.: Haus an der Lutherkirche, Bergheim; 11. 4.: Marstallcafé, Altstadt; 12. 4.: Schlierbachhalle, Schlierbach.
- Nähere Informationen, auch zu den jeweiligen Interpreten auf der Festival-Homepage unter www.heidelberger-fruehling.de.
Derzeit lässt es seine Tätigkeit sogar ganz ruhen, ob sie wieder aufgenommen wird, scheint offen. „Künftige Konzerttermine werden kommen, oder eben nicht“, erklärt uns Sigl. Dafür hat er jetzt mehr Zeit, zu unterrichten, was er schon seit längerem an der Berliner Hochschule der Künste tut. Und jetzt beim Heidelberger Frühling.
Ersatz für Levits Kammermusik Akademie
Dort gibt es ein frisch formiertes Festivalcampus-Ensemble – das wohl eine Art Ersatz für Igor Levits Kammermusik Akademie sein soll. Vielleicht auf Dauer, aber endgültig entschieden scheint das wohl noch nicht zu sein.
Immerhin 22 Instrumentalistinnen und Instrumentalisten wurden dafür eingeladen, unter ihnen finden sich drei feste Streichquartette, eine Bläserformation und ein paar Einzelmusiker. Zu Letzteren gehört Hans Greve, er spielt Kontrabass, studiert sein Instrument noch an der Freiburger Musikhochschule. Wann wurde er eingeladen?, fragen wir. Genau weiß er es nicht mehr, doch er kann ja auf dem Smartphone nachschauen: Es war im September.
Echte Raritäten sind dabei
Greve hat im Vorfeld Stücke für die „Heidelberger Frühlings“-Aufführungen vorgeschlagen. Echte Raritäten wie Bohuslav Martinus Nonett, ein Stück von 1959. Die Kollegen und Kolleginnen haben das auch getan, die jungen Musiker sollen in Heidelberg „Gestaltungsräume und Aktionsflächen“ bespielen, ist zu hören. Also möglichst intensiv an den Programmen mitarbeiten. Neben Klassikern von Mozart oder Mendelssohn soll immer wieder Zeitgenössisches zum Zuge kommen.
Sogar leicht Skurriles: Andrew Normans „Gran Turismo“ für acht Violinen etwa sei von Autorennen und dem Lärmen von Computerspielen inspiriert, erläutert uns Franziska Spohr, vom Heidelberger Frühling eigens zur Betreuung des Festivalcampus-Ensembles abgestellt. Und „Gran Turismo“ läuft nicht irgendwann und irgendwo: Es wurde schon zum offiziellen Start des „Frühlings“ am Eröffnungsabend in der Neuen Heidelberger Universitäts-Aula gespielt. Auch wenn sich dann ein Stück von Mozart anschloss.
Gratis Konzerte in Heidelberger Stadtteilen
Neben Gregor Sigl gibt es für die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten einen zweiten Coach: Der Brite Matthew Barley, Improvisationskünstler und klassischer Cellist, leitet den Improvisationsworkshop. Und das Erarbeitete floss bereits in eines der Konzerte ein, die gratis in den Heidelberger Stadtteilen gegeben werden – ein Format, das seit dem Festival-„Restart“ nach der Corona-Pause existiert.
Präzise Bogenführung
Im Ganzen wird das Festivalcampus-Ensemble 18 Konzerte geben. Eine stolze Zahl. Ein Riesen-Aufwand. Bei begrenzter Zeit zum Proben. „Es geht nicht um Perfektion“, sagt Gregor Sigl. Was ihn allerdings nicht davon abhält, in den Proben äußerst detaillierte und präzise Hinweise zur Bogenführung einzustreuen oder auch den „Heifetz-Modus“ und damit die Qualitätsansprüche eines legendären Großmeisters der Geige anzumahnen. Kammermusiker dürften nicht einfach reagieren (wie Orchestermusiker), erklärt der Coach, sondern müssten gemeinschaftlich aktiv werden. Agieren. Sigl meint, dass diese Fähigkeit zur Einfühlung auch außerhalb des klassischen Musikbetriebs dringend zu wünschen wäre. Im gesellschaftlich-politischen Bereich.
„Zusammen“ heißt ja auch das Motto für den musikalischen Fünfjahresplan des „Heidelberger Frühlings“. Und das Festivalcampus-Ensemble ist seine Verkörperung.
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