Mannheim. Eine ganze Menge Menschen hat sich um die kleine Bühne im Untergeschoss des Mannheimer Rosengartens versammelt. Ihre Köpfe und Zehen wippen, die Kopfhörer auf ihren Ohren blinken. Ein Musiker sitzt auf einem Barhocker und zupft auf seiner E-Gitarre, so lautlos für die Vorbeiflanierenden, wie er auch seine Lippen bewegt. Statt Musik liegt das typisch monotone Messe-Grundrauschen in der Luft: eine Melange aus dem Gewirr tausender Stimmen in verschiedenen Sprachen, dem Summen von technischem Equipment, dem Getrappel von Schuhen auf Steinböden und dem Rascheln von Taschen.
Ein Treffpunkt für Musikliebhaber und Designfreunde
Der Guitar Summit ist eine „stille Messe“. Wer es laut mag, kommt bei den abendlichen Konzerten im Mozartsaal auf seine Kosten oder im zum Testlabor umfunktionierten Jazz-Club „Ella &Louis“, wo eine Kakophonie aus unzähligen Saiteninstrumenten und Verstärkern Boxen und Köpfe zum Dröhnen bringt.
Dass überall sonst im Rosengarten entspanntes Flanieren und intensive Fachgespräche in Zimmerlautstärke möglich sind, ist zu einem der Erfolgsfaktoren der Veranstaltung geworden, die nicht nur Musik-Freaks und Gitarren-Nerds aus dem Profi- und ambitionierten Amateurlager anzieht, sondern auch reizvoll für design-interessierte Laien ist, die sich an der skulpturalen Schönheit handgearbeiteter Klangkörper erfreuen wollen.
Franks Sohn Dweezil Zappa setzt auf Marshall-Qualität
13.500 Besucherinnen und Besucher wurden 2024 gezählt. Nun, bei der siebten Auflage, zeichnet sich schon am Samstag ein neuer Rekord ab. Auch mit dem Interesse der Anbieter sind die Veranstalter vom Branchenmagazin „Gitarre & Bass“ zufrieden: Stammgäste sind der Mannheimer Messe auch in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation treu geblieben und mehrere Weltfirmen haben erstmals eine Standfläche gebucht.
Der Guitar Summit
- Der Guitar Summit ist nach eigenen Angaben die größte Messe für Gitarren und Zubehör in Europa. Veranstalter ist die Ebner Media Group aus Ulm, die die Fachzeitschrift „Gitarre & Bass“ herausgibt.
- Bei der siebten Auflage präsentierten knapp 400 Aussteller auf 4.600 Quadratmetern mehr als 600 Marken. Konzerte, Workshops und Masterclass-Kurse ergänzten das Programm.
- Insgesamt schlenderten an den drei Messetagen rund 15.000 Interessierte durch die vier Ebenen des Mannheimer Rosengartens.
- Der nächste Guitar Summit findet vom 25. bis 27. September 2026 im Rosengarten statt. Limitierte Early-Bird-3-Tages-Tickets sind ab sofort über die Website www.guitarsummit.de erhältlich.
Eine davon ist Marshall Amplification. Der britische Hersteller von Gitarrenverstärkern mit Kultstatus präsentiert nicht nur sein riesiges Portfolio in ganz unterschiedlichen Preisklassen, sondern auch Dweezil Zappa, den ältesten Sohn der Musiklegende Franz Zappa. Der 56-Jährige hat das musikalische Talent des Vaters und dessen Faible für technische Innovationen geerbt. Er schwört auf die Qualität made in Bletchley, wie er bei seinen Auftritten am Samstagnachmittag mehrfach betont: zunächst im Interview auf der Bühne von Rock-Antenne, einem der Medienpartner des Guitar Summit, und anschließend auf der I’m Sound-Bühne.
Tournee zum 20. Jubiläum von Zappa plays Zappa
„Wie Weihnachten“, fühle sich der Gang durch den Rosengarten angesichts des riesigen Angebots an, scherzt der Gitarrist und gibt in der etwas stickigen Hörsaalatmosphäre des „sweaty, little room“ im zweiten Obergeschoss eindrucksvolle Kostproben seines Könnens. Immer wieder unterbricht er die Riffs, erläutert, wie er verschiedene Sounds entstehen lässt und beantwortet Fragen – zu technischen Details, aber auch zu seinen Plänen. Eine neue Platte könne er sich schon vorstellen, natürlich, aber die müsse sich auch finanziell rechnen, stellt er klar. In den letzten Jahren habe er vor allem auf den Direktvertrieb seiner Musik über seinen Youtube-Kanal und die eigene Website gesetzt.
Auch sein Projekt „Zappa plays Zappa“, mit dem er in mehreren Tourneen das Vermächtnis seines Vaters ehrte, liege ihm nach wie vor am Herzen: „Ich habe das 2006 begonnen. Heute spiele ich die Musik meines Vaters über einen längeren Zeitraum als er selbst. Das ist eigentlich verrückt“, erzählt er. Zum 20. Geburtstag soll es eine Tournee, auch durch Europa, geben. Dann verabschiedet er sich zum nächsten Termin: der Signierstunde am Marshall-Stand.
Dort wird er schon erwartet. Max aus Frankfurt an der Oder lässt sich ein Autogramm für seinen Vater geben, einen großen Zappa-Fan – von Vater und Sohn. Max selbst hat andere Ziele: Der 20-Jährige spielt in einer Rockband und ist auf der Suche nach einer Baritongitarre. „Hier hab‘ ich viele Anbieter an einem Ort und kann die Instrumente auch gleich anspielen“, begründet er die Reise zur Messe. Am großen Stand des japanischen Branchenriesen Ibanez will er vorbeischauen und einige kleinere Anbieter checken, aber: „Ansonsten hab‘ ich Scheuklappen auf, sonst kauf‘ ich womöglich eine andere E-Gitarre für meine Sammlung.“
In Versuchung könnte ihn Mathias Herbst führen. Der Mannheimer stellt als Blickfang seine „Steampunk“-Gitarre mit aufwändig verbauten Technik-Elementen aus vergangenen Zeiten aus und grinst vergnügt: „Die ist ideal, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen.“ Der studierte Gitarrenbauer war bei allen sieben Summits vertreten. Zum ersten reiste er noch aus London an, wo er mehr als zwei Jahrzehnte lebte und arbeitete. Inzwischen hat er eine eigene Werkstatt im Musikpark, wo er in Handarbeit fertigt und Kurse für Laien zum Bau akustischer Gitarren anbietet.
Einen Raum weiter ziehen die exklusiven Kreationen eines anderen Könners aus der Region die Blicke auf sich: Fast museal präsentiert Jens Ritter seine Werkschau, darunter ein Sammlerstück der Serie „The Eye of Horus“, die Teil der Musikaliensammlung des Smithonian Museums in Washington D.C. ist. Lichtspots lassen die mehr als 11.000 Swarofski-Kristalle einer „Princess Isabella“ funkeln, und auch eine Neuentwicklung hat der Tüftler aus Deidesheim dabei: die erste Gitarre mit einem klingenden Griffbrett aus Acrylglas.
2017 hatte Ritter mitgeholfen, den Guitar Summit aus der Taufe zu heben und in der Musikstadt Mannheim zu etablieren. Heute nutzt er die Messe vor allem, um seine weltweiten Kontakte zu pflegen. Gleiches gilt für René Logemann, der wenige Schritte weiter wunderschöne Hölzer ausstellt: Muschelahorn und Kastanie aus Kanada oder, eine Besonderheit: auffällig gemaserte Zuschnitte aus einem knollenartigen Krebsgewächs eines kalifornischen Mammutbaums. Auch er ist zum siebten Mal beim Guitar Summit: „Wir waren 2017 hier der erste Zulieferer für Tonholz“, erzählt der Chef der in Mannheim gegründeten und heute in Lobbau im Odenwald ansässigen Firma Logemann & Waibel stolz. Als Großhändler, der zertifizierte Nutzhölzer aus dem In- und Ausland vertreibt, schätzt er die Möglichkeit zum Netzwerken mit internationalen Gitarrenbauern, die er beliefert.
Auf außergewöhnliche Hölzer, gerne mit Vorleben, setzt Stefan Richter, der seit 2019 in Schwetzingen Gitarren und Bässe baut. Eine Aussteuertruhe aus dem Jahr 1763 mit auffälligen Schnitzereien hat er ebenso zum Klingen gebracht wie Treppenstufen und Handläufe aus Mahagoni. „Wenn ich es recycle, verwende ich auch Tropenholz, ansonsten nur Holz aus Europa“, stellt er klar. „Wir haben uns der Nachhaltigkeit verschrieben.“ Ein Instrument mit reliefartiger Oberfläche fällt besonders ins Auge – sind das Kaffeebohnen? Ja, bestätigt der Schreiner und Gitarrenbauer: „Das Material besteht aus gepresstem Kaffeesatz mit einem wasserbasierten Binder – hundert Prozent biologisch abbaubar.“ Die Klangeigenschaften seien hervorragend, attestiert er dem von einem Chemiker entwickelten Rohstoff: „Nachhaltigkeit klingt super.“
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