Neuerscheinung

Grandiose Metamorphose von Doc Wenz zum Country-Barden

Der Mannheimer Gitarrist und Sänger Doc Wenz legt mit seiner neuen Band The Melancholics ein eindrucksvolles Debüt-Album vor. Die vier Songs sind nur als Stream erhältlich

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Georg Spindler
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Von Schwermut erfüllt (v.l.): Javier De La Poza, Doc Wenz, Florian Schlechtriemen und Simon Seeleuther. © Damian Irzik

Mannhem. Jochen Wenz hat seiner Bühnenfigur Doc Wenz eine neue Identität verpasst. Früher, als Frontmann der unvergesslichen Mannheimer Pop-Jazz-Truppe Mardi Gras.bb, war er eine schillernde Mischung aus Salon-Löwe, Soul-Shouter und Voodoo-Zeremonienmeister. Jetzt, zehn Jahre nach Auflösung der Band, präsentiert er sich mit seiner neuen Formation Doc Wenz & The Melancholics als weltschmerzerfüllter Country-Barde, der aus der Warte des Alters wehmütig die Dinge des Lebens besingt.

„The EPs Vol. 1“ ausschließlich zum Streamen erhältlich

Wie eindrucksvoll dem Mannheimer Sänger, Gitarristen und Songwriter diese radikale Stil-Metamorphose gelungen ist, zeigt sein neues - ausschließlich als Stream erhältliches - Album „The EPs Vol.I“, das er mit Simon Seeleuther (Pedal-Steel-Gitarre), Javier De La Poza (Bass) und Florian Schlechtriemen (Schlagzeug) eingespielt hat.

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Georg Spindler
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Es sind nur vier Songs - aber es sind musikalische Meilensteine in der Karriere von Doc Wenz. „Ich bin ein melancholischer Kerl und lebe in meiner eigenen Welt der Vergangenheit“, singt er in „Not Anymore“ und gibt damit den Ton der neuen Stücke vor. Mit augenzwinkernder Selbstironie gesteht er, ein mittelmäßiger Tänzer zu sein und zu versuchen, mit der modernen Zeit klar zu kommen. Die Pedal-Steel-Gitarre kommentiert das mit wunderbar weinerlichen Glissandi.

Simon Seeleuther im perfekten Zusammenspiel mit Doc Wenz

Seeleuther ist d i e Entdeckung dieser Platte. Er bringt das Kunststück fertig, die Pedal-Steel, dieses prägende Instrument der Country-Musik, völlig klischeefrei einzusetzen. Das Zusammenspiel der beiden Gitarren - eine lamentierend und wehmütig, die andere, von Doc, schroff und rockig - befeuert den Sound der Melancholics.

Das Rhythmusgespann erdet die Musik mit schweren, aber entspannten Beats auf eine Art, wie man das von alten Neil-Young-Scheiben aus den 1970ern kennt.

Die ganze Klasse der Band zeigt sich in ihrer Coverversion des1969er-Hits „Sugar, Sugar“ von den Archies. Im Original banal und flach, wird er hier - in gedrosseltem Balladentempo - zu einem ergreifenden Lovesong, in dem der Doc das Wunder der Liebe aus der Warte eines reiferen Herren besingt, mit altbekannter, raukehliger Stimme. Obwohl: Sie hat jetzt eine neue Qualität, ist rissiger und wunder geworden, was romantischen Zeilen wie „Ich kann nicht glauben, dass das wahr ist“ eine zusätzliche Portion Expressivität verleiht.

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Wenz lässt seine Gitarre dazu traurig hallen und klirrend schwirren, während die Pedal-Steel schluchzt und schmachtet: große Gefühle im Übermaß.

Wie der Bandchef dann aber bei einem unerwarteten Latin-Epilog das Tempo anzieht und mit seinem metallisch harten Gitarrensolo hochdramatisch aufheizt, das ist schlichtweg grandios. Vier Minuten meisterhafte Popmusik.

Dass die Platte „Volume I“ betitelt ist, nährt die Hoffnung, dass noch mehr nachkommen wird. Bis es so weit ist, dürfen wir uns alle an diesem kleinen, aber sehr feinen Debüt erfreuen.

Redaktion

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