Fans ambitionierter alternativer Popmusik aus der Metropolregion fahren zurzeit bevorzugt ein Stündchen in den Wiesbadener Schlachthof. Auch die Alte Feuerwache hatte zuletzt ein breiteres Angebot. Aber vor allem in den 90er und 00er Jahren war dieses Haus am Rande der Heidelberger Altstadt ein bundesweit strahlender Leuchtturm der Popkultur, an dem unter anderem das Festival Enjoy Jazz entstand. Wie viele Zentren seiner Art in Deutschland wurde es für Kultur quasi zweckentfremdet, das Gebäude blieb trotz aller Erfolge ein Provisorium. So zog es nach einem quälend langen, insgesamt zwölf Jahre andauernden kommunalpolitischen Prozess 2022 in den Heidelberger Süden um. Gesucht wird der zwölfte Buchstabe des soziokulturellen Zentrums, der die vorletzte Leerstelle des Lösungswortes füllt.
Ehemalige Schlachthöfe, Feuerwachen oder Fabrikhallen sind nun mal nicht für die Anforderungen an heutige Veranstaltungshäuser konzipiert gewesen. In dem 1873 errichteten Empfangsgebäude des Bahnhofs Heidelberg-Altstadt war der gleichzeitige Betrieb von Konzertsaal, Theaterbühne und Kino nahezu unmöglich, seit das Gebäude 1995 zum Kulturzentrum wurde. 1983 war es für 2,5 Millionen Mark zu einem städtischen Bürogebäude umgebaut worden.
Verschärfte Sicherheitsauflagen schränkten Jahre später die Besucherkapazität teilweise empfindlich ein, so dass auch die meisten der unter dem altehrwürdigen Dach vereinten soziokulturellen Institutionen irgendwann bereit für etwas Neues waren. Aber die zunächst geplante Sanierung schien dem Gemeinderat zu teuer. Stattdessen wurde eine ehemalige Militär-Reithalle zu einem der modernsten Kulturhäuser der Republik umgebaut. Kostenpunkt: satte 20 Millionen Euro. Die gut investiert erscheinen, wenn man sich dieses für Kultur maßgeschneiderte Schmuckstück anschaut mit seinem großartig klingenden Konzertsaal, dem multifunktionalen Foyer oder dem modernen kleinen Programmkino.
Programmatisch dominieren derzeit soziokulturelle Aspekte, das Hineinwirken in den neuen Stadtteil. Mit Adventsbacken, gemeinsamem Weben, Lesen oder Philosophieren, antirassistischer Arbeit, „fairem“ Brunch und offenen Bühnen. Seine alte popkulturelle Strahlkraft hat der umgetopfte Leuchtturm noch nicht ganz zurück. Aber die Voraussetzungen dafür sind ideal.
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