Mannheim. Drei Clowns sitzen beim Betreten bereits auf der Bühne: Einer, mittig im Stuhl, nestelt an seinen kanariengelben Fontänen-Haaren, die anderen starren aus den Fenstern. Sie knurren, bellen, flüstern, zischen – mit grotesker Mimik, die zwischen Komik und Bedrohung schwankt. Über der Szene erscheinen die Buchstaben „DIE“. Erst später wird daraus „Endspiel“. Dann setzt Clov (Bruno Akkan) tonlos an: „Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende.“
Mit der Premiere im Studio Werkhaus eröffnet das Nationaltheater Mannheim seine Spielzeit 2025/26. Als Ausbildungsbetrieb ermöglicht das Haus seinen Assistenten Inszenierungen unter professionellen Bedingungen. Jonas Mangler nutzt diese Chance, und greift mit Samuel Becketts „Endspiel“ nach einem Brocken des absurden Theaters, uraufgeführt 1957.
Groteskes Clownsspiel zwischen Lachen und Grauen
Hamm (Eddie Irle), der blinde, gelähmte Hausherr, Clov (Bruno Akkan), sein zynischer Diener, der sich nicht setzen kann, sowie Hamms Eltern Nagg (Matthias Breitenbach) und Nell (Almut Henkel), die in Mülltonnen hausen, bilden das Figurenquartett. Zwischen Fluchtversuch, Todeswunsch und Routinen drehen sie sich im Kreis. Selbst das Sterben will nicht gelingen.
Mangler macht daraus ein groteskes Clownsspiel. Der Clown, seit antiken Bestattungsriten Begleiter an der Schwelle zum Tod, wird hier zum Sinnbild: Er erleichtert das Lachen im Angesicht des Endes und konfrontiert zugleich mit unbequemen Wahrheiten.
Die Inszenierung überlagert Stimmen und Gesten: Während Hamm seine Tiraden hält, schreit Nagg nach Brei, Nell verliert sich in Erinnerungen, Clov zischt, singt, stolpert. Man weiß kaum, wo man hinschauen soll. Gerade in diesem Übermaß entfaltet sich die absurde Komik, im Scheitern, Ordnung zu schaffen, wo keine mehr ist.
Ein Ensemble, das Beckett trägt
Getragen wird der Abend von einem spielfreudigen Ensemble: Eddie Irle zeigt einen Hamm, der zwischen tyrannischem Größenwahn und zitternder Hilflosigkeit schwankt; Bruno Akkan lässt Clov mit scharfkantiger Körperlichkeit zwischen Slapstick und bitterem Ernst changieren; Matthias Breitenbach und Almut Henkel gestalten Nagg und Nell als fragile Reste einer Vergangenheit, die nur noch in Erinnerungsfetzen aufblitzt.
So wird die Bühne zur Arena eines letzten Spiels. Hamm betont: „Jetzt spiele ich!“, und macht das Theater selbst zum Bild der menschlichen Bedingungen. Am Ende bleibt er allein zurück, Clov geht vielleicht, vielleicht nicht. Hamm ringt sich noch „ein bisschen Poesie“ ab: „Du flehtest nach der Nacht; sie naht: sie ist schon da.“ Ein letzter Funken Schönheit, sofort wieder verschluckt von Routine.
Jonas Mangler gelingt eine packende, grotesk-komische wie tief ernste Begegnung mit Beckett. Eine Inszenierung, die das Publikum fordernd ins Leere blicken lässt, und zugleich zeigt, dass das Nationaltheater Mannheim seine Rolle als Ausbildungsstätte ernst nimmt: Hier erprobt eine neue Theatergeneration ihre Gegenwart, ungeschönt, sperrig, sehenswert. Und wenn der letzte Satz verklungen ist, bleibt etwas von den Clowns im Raum hängen, ein schiefes Lachen, das noch nachzittert im Dunkel dieses „Endspiels“.
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