Mannheim. Helle Flammen lodern heftig empor, dichter Nebel wabert herum, rieselnder Schnee setzt sich auf grüne Tannen, es regnet und stürmt, es knallt und glitzert - und immer erfährt man, in welchem Stück diese verblüffenden Effekte eingesetzt werden. Die große Technikshow, gleich zweimal vor vollbesetztem Haus aufgeführt, ist einer der Höhepunkte beim Theaterfest des Nationaltheaters.
„Zeigen, was die Bühne alles kann“, so Schauspieler Matthias Breitenbach als Sprecher, ist das Ziel der Show. Inszeniert als Computerspiel mit ständig schwieriger werdendem Level, erlebt Statist Julius Steyer im Schnelldurchlauf, was Bühnentechnik und Beleuchtung alles können und in welcher Inszenierung das Publikum das dann sehen kann. Da dreht sich die Bühne, da zerplatzt mit einem Knall der „Zerbrochene Krug“, schneit es im Tanzabend „Christmas Rhapsody“ oder weckt das flammende Schwert Vorfreude auf „Lohengrin“.
„Immer wieder faszinierend, was auf der Bühne passiert“, kommentiert der Kulturbürgermeister Thorsten Riehle bei der Eröffnung des Theaterfests, „das verdient viel Publikum“. Viel Publikum - das erfüllt sich an diesem Tag, denn die Resonanz auf das Theaterfest, das erstmals in der Oper am Luisenpark stattfindet, ist sehr groß. Flammen sind aber nicht nur auf der Bühne zu sehen. Riehle spürt, dass bei vielen Theatermitarbeitern und auch bei Theaterfans nach der Ankündigung städtischer Spamaßnahmen „die Hütte brennt“, wie man sagt.
Mannheims Kulturbürgermeister: Kulturelle Vielfalt nicht zerstören
Riehle geht darauf ein, indem er über die „dramatische Situation“ der städtischen Finanzen spricht. Doch auch wenn die Stadt in erster Linie Pflichtaufgaben erfüllen müsse, betont er doch die Bedeutung der Kultur, und das dürfe man nicht gegeneinander ausspielen. Die Stadt habe „nicht die Absicht, die kulturelle Identität und Vielfalt zu zerstören“ und sie habe „nicht vor, die Kultur so zu beschädigen, dass wir nicht mehr von kultureller Vielfalt sprechen können“. Dafür erhält der Bürgermeister ebenso kräftigen Applaus wie für die Ankündigung, dass die Generalsanierung des Theaters am Goetheplatz zu Ende geführt werde. „Dazu gibt es keine Alternative“, betont er, seien doch schon 85 Prozent der Aufträge vergeben und die Finanzierungslücke liege nur noch bei 25 Millionen Euro. Und zur Spielzeit 2028/29 werde man zurückkehren, versichert Riehle.
„Das tut sehr gut“, antwortet der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs dem Bürgermeister, der mit ihm sowie den vier Spartenintendanten das Theaterfest eröffnet. Dabei dankt Pröllochs den Freunden und Förderern des Nationaltheaters sowie dem Richard-Wagner-Verband für die generelle Hilfe wie für die Mitarbeit beim Theaterfest. „Wir brauchen sie in schwierigen Zeiten“, so Pröllochs. Der Richard-Wagner-Verband will etwa das „Lohengrin“-Bühnenbild finanzieren. 21.000 Euro hat er schon zusammen, und damit die Summe wächst, verkaufen die engagierten Damen viele kreative Kleinigkeiten und 50 von Helga Heinold gekochte Gläser Marmelade und nehmen gleich noch weitere 300 Euro ein.
Attraktionen im Freien leiden unter dem plötzlichen Regen
Dieser Stand und viele weitere der vielen Aktivitäten im Freien, insbesondere für Kinder, leiden dann allerdings unter dem plötzlich einsetzenden heftigen Regen. Im Klötzchenparadies sind alle Hölzer nass, und der Lesezug startet erst gar nicht. Umso dichter ist das Gedränge in der Oper am Luisenpark, wo sich eine Warteschlange beim Tanzworkshop bildet, wo Kostüme bestaunt und eine Probe vom Ballett mitverfolgt werden kann, Holzbläser des Nationaltheaterorchesters die Gäste unterhalten oder die künftigen Stars vom Internationalen Opernstudio singen. Pfiffig reagieren die Mitglieder vom Kinderchor auf den Regen. Sie und ihre Eltern haben immerhin 40 Kuchen gebacken, hat Dirigentin Anke Kober gezählt, „auch mein Mann hat einen gebacken“. Weil ihr Stand im Freien ist, laufen die Kinder nun eben mit Tellern durch die Zuschauermengen und verkaufen ihn.
Getränke gibts beim Stand der Requisite. Monika Kratschmann und ihre Kollegen zeigen, was es auf der Bühne zu trinken gibt – und was nicht. Aus der Grappa-Flasche kommt aber nur stilles Wasser, Sekt ist Sprudelwasser mit ein wenig Apfelsaft, Rotwein Wasser mit Kirschsaft, und bei Aperol Spritz hilft Lebensmittelfarbe, verrät sie an ihrer gut bestückten Bar. Bei einer Aufführung habe der Weißwein aber plötzlich grün geschimmert, „obwohl der sonst immer mit Wasser und Apfelsaft funktioniert“, erzählt sie. „Dann habe ich eben Pfefferminztee gekocht“, so die Requisiteurin, die schon über 30 Jahre am Nationaltheater tätig ist.
Seit 2018 Mitglied im Schauspielensemble ist Sarah Zastrau. An dem Werkstattcontainer, in dem sie sitzt, bildet sich auch immer eine Menschentraube. Immerhin kann man da in die Zukunft schauen - nun ja, humorvoll-augenzwinkernd. Als Sarathustra legt sie dem Publikum die Karten und bewährt sich zugleich als Bauchrednerin. Am Nationaltheater gibts eben viele Talente...
Mannheimer Nationaltheater: Teuflische Schauspielerin und Hilfe mit Traubenzucker
Da darf auch der Nachwuchs nicht fehlen: Victoria Nardi, Maskenbildnerin im zweiten Lehrjahr, demonstriert am Stand der Theater-Ausbilder, wie aus einem Sänger ein Papageno im blauen Federkleid wird. „Super vielfältig und sehr cool“ sei es, eine Ausbildung am Theater zu machen, schwärmt sie. Daher zeige sie ihr Können auch gerne am Theaterfest. „Die Leute sind sehr interessiert, super nett!“, sagt sie. Das bestätigt Schauspielerin Ragna Pitoll, die sich als Mephistopheles unter das Publikum mischt und es zum Würfelspiel animiert. „Ich habe das Gefühl, hier sind ganz viele sehr treue Menschen“, freut sie sich über die direkte Begegnung mit den Zuschauern, „vor allem viele Kinder“. Und trotz des Regens reagierten alle „sehr, sehr nett!“
„Sehr großes Interesse“ registriert ebenso Judith Völkel, die ein ungewöhnliches Produkt verkauft: die kugelrunden Hängelampen, die im Haus am Goetheplatz im Oberen Foyer hingen. Binnen eineinhalb Stunden veräußert sie aber doch nur drei, denn sie sind zu schwer, um mal eben schnell mitgenommen zu werden - aber noch gibt es welche.
An einer gelben Warnweste erkennbar, mischt sich Annabel Gärtner unter die Besucher. „Sofort-Seelsorge“ steht darauf. „Naja, das ist das, was ich auch in den Proben mache“, erzählt die Souffleuse. „Ich bin für die Leute da, frage, wie es ihnen geht, und manchmal braucht die Seele auch ein bisschen Zucker“. Nur ist sie jetzt eben für das Publikum da statt für die Schauspieler und verteilt da Traubenzucker. Die Leute seien sehr an dem Berufsbild interessiert „und auch sehr begeistert über das Fest“.
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