Comedy-Kritik

Geknebelte Redefreiheit: Christian Habekost bürstet die Mannheimer Buga ab

1000 Gäste feiern im Ludwigshafener BASF Feierabendhaus die Premiere des Weihnachtsprogramms “Chakos GoschpelShow” – und die umwerfende Rückkehr des Reverends, der von einer toleranten Bundesgartenschau träumt

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Neues Weihnachtsprogramm von Chako Habekost im BASF Feierabendhaus in Ludwigshafen. © Michael Ruffler

Ludwigshafen. Als Schluss- und Höhepunkt der umjubelten Premiere seines neuen Programms „Chakos Goschpelshow“ im ausverkauften BASF-Feierabendhaus hat Kabarettist Christian Habekost am Freitagabend der Mannheimer Bundesgartenschau (Buga23) noch einmal satirisch den Sombero geradegerückt. Das haben schon viele Komiker getan, seit die Buga den Auftritt einer Seniorinnentanzgruppe der AWO zensieren wollte.  

Bundesweite Schlagzeilen und viel Häme 

Die Begründung, die Damen würden mit folkloristischen Kostümen rassistische Klischees ausschlachten, hatte bundesweit für Schlagzeilen und viel Häme aus einschlägig interessierten populistischen Kreisen gesorgt. Habekost nimmt diese Steilvorlage für Satiriker in Ludwigshafen etwas eleganter auf, bürstet die Buga aber trotzdem ab – mit der ganzen Wucht seiner reanimierten Bühnenfigur The Reverend, im Stil von Martin Luther Kings legendärer „I have a Dream“-Rede (Ich habe einen Traum) 1963 beim Marsch der US-Bürgerrechtsbewegung nach Washington und im Namen der Kunstfreiheit. 

„Vor lauter Wokeness ’nen Knebel um“ 

Als allerletzten Traum dieser insgesamt absolut mitreißenden Schlussnummer präsentierte der zum Bad Dürkheimer konvertierte Mannheimer im schönsten Prediger-Denglisch folgendes Szenario: Er träume davon, dass eines Tages „an north-american Apache, an mexican Mariachi und ein australischer Aborigine“ zusammenkämen – „auf einer großen Bühne auf der Bundesgartenschau together mit einer Seniorentanzgruppe of Mannheim-Rheinau“. Schon die Einleitung erntet langanhaltende Lacher und tosenden Applaus. 

Wirbelnde Sombreros, gezwirbelte Dreadlocks 

„And they will wirbel their Sombreros, and they will wirbel their Kimonos, and they will zwirbel their Dreadlock-Perücken.“ Und dann würden sie ein altes deutsches Volkslied singen: „Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm, es hat vor lauter Wokeness ’nen Knebel um. Sag, wer mag das Männlein sein, das da steht im Wald allein? Es ist die Redefreiheit, ganz still und stumm.“ Noch einmal enormer Jubel. 

Chakos viertes Weihnachtsprogramm

  • Christian „Chako“ Habekost wurde am 27. März 1962 in Mannheim geboren. Er studierte in seiner Geburtsstadt, London sowie Kingston Germanistik, Anglistik und Politische Wissenschaft. Er schloss sein Studium 1991 mit einer Promotion über afro-karibische Performance-Stile ab.
  • Seit 2016 veröffentlicht der in Bad Dürkheim heimisch gewordene Kabarettist mit seiner Ehefrau, der Autorin Britta Habekost, die Regionalkrimis der „Elwenfels“-Reihe.
  • Termine von „Chakos GoschpelShow (Auswahl): 1. und 2. Dezember BASF Feierabendhaus Ludwigshafen. 14. Dezember Festhalle Brühl. 20. Dezember Stadthalle Weinheim. 26. und 27. Dezember sowie 6. Januar: Capitol Mannheim. 4. Januar: Stadthalle Hockenheim.
  • Komplette Termin-Übersicht und Vorverkauf im Internet unter: chako.de

Zuvor gab es weitere Träume für Frieden und Toleranz. Etwa davon, dass sich Skinhead-köpfige Jugendliche, kopftuchtragende Palästinenserinnen, trans-queere Hindus und lesbische Jugendliche sich in einem iranischen Sexshop zusammensetzen – und über die Mode und das Wetter sprechen. Herzlicher Lacher.  

Auf die schneefreie Schippe genommen 

Das Hauptthema Weihnachten könnte man durchaus für auserzählt halten. Schließlich werden darüber seit 2023 Jahren Geschichten erdacht, Lieder gemacht, Filme gedreht – und Comedy-Programme. Schon das vierte zum Thema hat allein der Chako Habekost im ausverkauften BASF Feierabendhaus zur Premiere gebracht. Und es ist erstaunlich, wie es dem Wahl-Bad-Dürkheimer immer wieder gelingt, das sogenannte Fest der Liebe aus neuen Perspektiven auf die trotz aller “White Christmas”-Illusionen schneefreie Schippe zu nehmen – und dabei scharfzüngig und nicht unkritisch, aber stets liebevoll mit ihm umzugehen.  

Nicht viel Lametta auf der Bühne 

Um als Voll-Fanatiker durchzugehen, hat Habekost in Ludwigshafen zu wenig Lametta auf der großen Bühne des Feierabendhauses: Zwei Stühle, ein Tischchen, einen aufgeblasenen Schneemann, manchmal den Gitarristen Stefan Kahe und einen bezopften Pfälzer im immerhin festlichen Schwarz als Hauptdarsteller. Der sagt etwas zu oft „Ich liebe Weihnachten! Ich lieb’ das einfach!”, um es ernst zu meinen. Aber er nimmt das Thema ernst genug, um echte Weihnachtsfans nicht in die Plätzchen zu spucken. 

Und da die Menschen bekanntlich gern ihr eigenes Gedächtnis beklatschen (und in Ludwigshafen viele aus einer ähnlichen Alterskohorte stammen), bedient er konsequent, gekonnt und oft urkomisch verbindende Nostalgiegefühle. Etwa mit typischen Geschenken für die Jungs in den 70er Jahren: Fort Laramie, die Jean-Höfler-Ritterburg oder natürlich eine Carrera-Bahn. 

“Wollen wir Weihnachten nicht abschaffen?” 

Es werden aber auch fast schon ketzerische Fragen gestellt – wie „Wollen wir Weihnachten nicht lieber abschaffen?“ Wegen Frauenfeindlichkeit, mangelnder Beachtung von LGQBT- und Tierrechten („Ochs und Esel kamen wegen eines kleinen Cis-Mannes nicht an ihre Futterstelle“).  

So mehrdeutig, wie sein Umgang mit Weihnachten und Silvester ist schon der Titel „GoschpelShow“. Natürlich steht Habekosts freche „Gosch“ im Mittelpunkt, der er das beste von mehreren Gedichten an diesem Abend widmet. Gospel erklingt nur einmal, kurz vor Schluss in Form der in dieser Zeit gut gewählten Friedenshymne „Down By The Riverside“. 

Call and Response für Gosch und Gospel 

Aber ein Stilmittel des spirituellen, afroamerikanisch geprägten Musikgenres ist ein roter Faden der Show: Call and Response – das Zusammenspiel der passionierten Ausrufe von Prediger oder Vorsängerin mit den bestätigenden Antworten aus der beseelten Gemeinde. Wenn Habekost ganz zu Beginn darum bittet, seine Witze trotz allgemein verbreiteter Empfindlichkeiten als Satire und Humor zu verstehen, kündigt er eine zweistündige Lebensbeichte an. Auf jedes „Weeschtwieschmeen“ folgt ein kollektives „Hojoh“. Und wenn er dann ausruft: „Erbarme dich meiner, oh Herr“ antwortet das Publikum lautstark „Ist ja gut“.  

Indianerkostüm als "rassistischer Sondermüll"

Meist geht es da um kulturelle Aneignung etwa in Form von Indianerkostümen, die er als Kind nicht sofort als „rassistischen Sondermüll“ entsorgt habe. Das treibt er als The Reverend im Talar eines Gospel-Predigers nicht nur mit seiner Breitseite Richtung Buga auf die Spitze. Da erreicht die ohnehin exzellente Stimmung unter den 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern noch einmal neue Spitzen. 

Semantisch steht hinter Gospel , eigentlich „good spell“ – was gute Nachricht oder Geschichte bedeutet. Auch das passt. Denn trotz allem bleibt Habekost positiv, der Abend funktioniert als Unterhaltung Krisen, Krieg und das Herummurksen der Bundesregierung komplett auszublenden. 

Am Ende zeigt sich der 61-Jährige heilfroh, über die „Rückkehr des Lebens in die Kulturhäuser“ nach der Pandemie und wies darauf hin, wie dankbar man sein könne „für jedes friedliche Stündchen, denn das ist nicht selbstverständlich in dieser Welt.“ Hauptsächlich hat Habekost zwei Stunden lang Weihnachtsbräuche- und -Macken buchstäblich Revue passieren lassen. Mit einer fulminanten Mischung aus Comedy, Gedichten, Raps und Liedern, die teilweise von Gitarrist Stefan Kahe kongenial begleitet wurden.  Da hatte Habekost im Vorab-Interview nicht zu viel versprochen.

Chako spielt die „GoschpelShow“, mit seiner Gosch in der Hauptrolle, noch bis 7. Januar fast in der gesamten Kurpfalz, „wenn die Weihnachtsbäume wirklich auf die Deponie kommen“. 

Weitere Termine (Auswahl): 

14. Dezember Festhalle Brühl. 20. Dezember Stadthalle Weinheim. 26. und 27. Dezember sowie 6. Januar: Capitol Mannheim. 4. Januar: Stadthalle Hockenheim. Mehr; chako.de

Früher mag mehr Lametta gewesen sein, Chako Habekosts viertes Weihnachtsprogramm verspricht trotzdem eine bunte Mischung aus Satire, Besinnlichkeit und Liedern, die mit „Kurpälzer Gosch den Goschpel verkünden“. © Hyp Yerlikaya

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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