Porträt

Gabriele Hoffmann ist Expertin für Kinderbücher

Von 
Katharina Koser
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Gabriele Hoffmann erklärt, was ein gutes Kinderbuch ausmacht. Im Regal hinter ihr ist ein Teil ihrer Sammlung zu sehen. © Katharina Koser

Wenn man das Haus betritt, in dem Gabriele Hoffmann wohnt, fühlt man sich beinahe selbst wie die Hauptfigur eines Kinderbuchs, die sich auf eine Reise in fremde Welten begibt. Hinter der hölzernen Doppeltür geht es durch den Windfang einige Stufen hinauf, dann folgt eine weitere Tür zum Treppenhaus, eine dritte führt in die Wohnung. Oder besser: in das Bücherparadies, in dem es Tee und Aprikosenkuchen gibt und Eichhörnchen ans Fenster kommen, um sich füttern zu lassen.

Schon im Flur türmt sich das Wissen der Welt bis unter die hohen Altbaudecken. Zum Staunen bleibt keine Zeit, denn Gabriele Hoffmann empfängt einen herzlich: „Schön, dass Sie da sind!“ Es geht ins Wohnzimmer, wo ein kleiner Schreibtisch vor einem großen Fenster mit beeindruckenden uralten handgestickten Gardinen steht. Doch der größte Schatz steht in den Regalen.

Expertin für Kinderbücher

  • Gabriele Hoffmann hat eine Buchhändlerlehre in Regensburg absolviert und arbeitete anschließend beim Weinheimer Verlag Beltz & Gelberg, bevor sie in Heidelberg Diplom-Pädagogik studierte.
  • 1980 gründete sie die Kinderbuchhandlung „Leanders Leseladen in Mannheim, 1988 kam die Filiale in Heidelberg dazu. Der Mannheimer Laden wurde 1993 verkauft, die Buchhandlung in Heidelberg ging 2014 als Marke an Schmidt & Hahn über.
  • Im Jahr 2000 gründete und stiftete sie den Kinderbuchpreis „Heidelberger Leander“, der seit 2014 unter ihrer Beratung von Schmidt & Hahn verliehen wird.
  • Sie organisiert unter anderem Buchausstellungen, berät Pädagoginnen und Pädagogen und hält Seminare für Verleger, Lektorinnen und Buchhändler.
  • Gabriele Hoffmann lebt mit ihrem Mann in Heidelberg.
  • www.leseleben.de kako

Gabriele Hoffmann ist Diplompädagogin und Kinderbuchexpertin. Fast könnte man sie Missionarin nennen: Eine Missionarin der Sprach- und Leseförderung. In der Branche ist sie seit Jahrzehnten bekannt. Und auch ein bisschen gefürchtet, denn ihr Urteil hat Einfluss. 1980 gründete sie die Kinder- und Jugendbuchhandlung „Leanders Leseladen“ in Mannheim, die ausgesuchte Literatur für die jungen Leserinnen und Leser anbot. 1988 kam die Filiale in Heidelberg dazu. Das Besondere: Die Bücher in ihrem Sortiment wurden von Kindern getestet. Das kam gut an.

Sprache ist der Schlüssel

Die Kinderbuchexpertin ist davon überzeugt, dass das Lesen Welten eröffnet, wie es kein anderes Medium vermag. Sie verteufelt Fernsehen und Internet nicht, aber beobachtet mit Sorge, wie das Buch immer mehr verdrängt wird: „Wenn Sie einen Film oder eine Serie anschauen, dann sehen Sie anderen Menschen dabei zu, wie sie etwas erleben. Wenn Sie ein Buch lesen, dann sind Sie selbst die Hauptfigur.“

Auch wenn sie die Buchhandlung mittlerweile aufgegeben hat, weil die Arbeit so viel Zeit beanspruchte - das Sortiment der Heidelberger Filiale in der Plöck ist inzwischen in die Buchhandlung Schmitt & Hahn in der Hauptstraße integriert -, bleibt Hoffmann ihrer Mission treu. Seit 40 Jahren steht sie in Kontakt mit Erzieherinnen, Eltern, Lehrerinnen, Autoren, Illustratorinnen und Verlegern. Auf dieser Basis gibt sie Buchempfehlungen, hält Seminare und berät Menschen, die beruflich mit Kindern zu tun haben. Auch in dieser Zeitung empfiehlt sie regelmäßig Bücher auf der Kinderseite.

„Sprache ist der Schlüssel, sich selbst, die Welt und das Leben in einem tieferen Sinn lesen, verstehen und gestalten zu können“, liest man in der Broschüre über „Leseleben“, den Verein zur Förderung der Lese- und Sprachkultur bei Kindern, den Hoffmann gegründet hat. Einen Mitstreiter hat sie in ihrem Mann, Hans-Bernhard Petermann, der an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Bereich Philosophieren mit Kindern lehrt. Er erstellt auch die Videos für die Webseite leseleben.de, in denen Gabriele Hoffmann ihre Kinderbuch-Favoriten bespricht.

Ein besonders großes Herz hat sie für Kinderbuchklassiker, für deren regelmäßige Neuauflage sie sich einsetzt. „Es gibt Eltern, die kennen die Raupe Nimmersatt nicht mehr. Das ist einfach schade“, sagt sie. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht offen ist für neue Kinderliteratur - und für Veränderungen in der alten, etwa wenn es um unter rassismuskritischen Gesichtspunkten problematische Stellen geht: „Dass Pippi Langstrumpfs Vater in der Neuauflage ein Südseekönig ist, ist völlig richtig.“

Aber was ist es denn nun, was ein gutes Kinderbuch ausmacht? „Zunächst einmal muss es für die Kinder lesbar sein“, erläutert Hoffmann. Lesbar meint nicht unbedingt die Schrift: Inhalte müssen verständlich sein, auch in Bilderbüchern. „Die Welt mit den Augen der Kinder sehen“ lautet das Motto ihrer Seminare. Ein Kind muss sich selbst in der Geschichte wiederfinden, es muss die Dinge, die gezeigt werden, wiedererkennen. „Naturalistische Bilder, die Erwachsene vielleicht als etwas altmodisch empfinden, stellen für Kinder eben die Realität dar“, erläutert Hoffmann.

Selbst in den Büchern blättern

Dazu ist es sinnvoll, wenn Gegenstände so gezeigt werden, wie sie auch im Alltag gebraucht werden. Als Beispiel zeigt Hoffmann zwei Bücher, mit denen erste Wörter gelernt werden sollen. Eines zeigt eine leere Bratpfanne, in dem anderen brutzelt in der Pfanne ein Spiegelei. „So erlebt das Kind die Pfanne: wenn sie in der Küche benutzt wird. Das entspricht seiner Erfahrungswelt.“

So akademisch muss man allerdings beim Kauf gar nicht vorgehen. „Nehmen Sie sich viel Zeit. Suchen Sie sich eine Buchhandlung, in der es eine Leseecke mit einem schönen Sessel gibt. Blättern Sie in dem Buch, lesen Sie ein paar Seiten“, rät Hoffmann. „Wenn Sie sich mit dem Buch wohlfühlen, dann wird es bestimmt auch dem Kind gefallen.“

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