Mannheim. Als „Hilferuf Mannheimer Künstler*innen“ ist die Initiative deklariert. „Räume für die Kunst!“ lautet die nachdrückliche Überschrift der Online-Petition, die Kunstschaffende kürzlich formuliert haben und die sie, wie berichtet, an die Stadtspitze sowie die Fraktionen des Gemeinderats adressierten. Merkliche Bewegung kam in die Angelegenheit bislang aber noch nicht, wie die federführenden Initiatoren Barbara Hindahl und Claus Stolz im Gespräch mit dieser Redaktion bestätigen.
Bekräftigende Reaktionen habe es aber durchaus gegeben, sagen sie mit Verweis auf die Internetseite „openpetition.de“, wo ihr Aufruf unter dem Stichwort „aus-fuer-druckwerkstaetten-atelierhaus-und-freie-kunstakademie?“ mitsamt zugehörigen Kommentaren nachzulesen ist. Die Petition fasst drei Anliegen zusammen. Alle betreffen Institutionen der bildenden Kunst in Mannheim, alle verbindet, dass man neue Räume braucht. Das ist in allen drei Fällen schon lange bekannt, war Gegenstand diverser Unterredungen und Presseberichte. Aber die Zeit, um gute Lösungen zu finden, wird nun wirklich knapp, wie die Initiatoren der Petition betonen.
Die Druckwerkstätten des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) sollen bis Mitte des Jahres die angestammten Räumlichkeiten in der Alten Feuerwache frei geben, weil das Kulturzentrum selbst mehr Platz benötigt. Das Gebäude im Mühlauhafen, das als Zwischendomizil und zeitweiliger Ersatz für das vormalige Atelierhaus in der Boveristraße dient, ist in diesem Herbst zu räumen, und die Freie Kunstakademie muss als Folge eines neuen Bäderkonzepts spätestens im Verlauf des kommenden Jahres aus dem Herschelbad im Quadrat U 3 ausziehen.
Die 1985 gegründete private Kunstakademie, die auch eine Jugendkunstschule betreibt, benötigt Räumlichkeiten in einer Größe von mindestens 1200 Quadratmeter, barrierefrei und idealerweise in zentraler Lage, sagt die Direktorin Juliane Huber. Man brauche „dringend die Unterstützung der Stadt“, gut vorstellbar sei, so Huber, auch eine gemeinsame Lösung mit den freien Künstlern, die zudem die Druckgrafik des Berufsverbandes einschließt.
Mieten für Atelierräume gestiegen
Ateliers, Werkstätten und Akademie unter einem Dach? Das könnten sich auch Hindahl und Stolz gut vorstellen, sie räumen der Idee aber keine Präferenz ein. Ihnen geht es mit ihrer Initiative auch ums große Ganze, denn die bildende Kunst sieht sich angesichts einer breiten und breit unterstützten Musikszene sowie des Nationaltheaters, das der Stadt sei je lieb und teuer ist und durch die anstehende Sanierung noch erhebliche Extrakosten verursacht, an den Rand gedrängt - eine Einschätzung, die sie mit großen Teilen der freien Szene darstellender Künste übrigens durchaus teilt.
Diese Institutionen müssen umziehen, wissen aber nicht wohin
- Die Druckwerkstätten des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) sind seit 1981 in der Alten Feuerwache untergebracht, das Kulturzentrum beansprucht den Platz nun für sich. Bis zu 150 Jahre alte Druckmaschinen stehen hier auf etwa 400 Quadratmetern.
- Die Freie Kunstakademie Mannheim muss ihre Räume im Herschelbad infolge eines neuen Bäderkonzepts der Stadt verlassen. Die private Hochschule bildet zum Freien Künstler (in acht Semestern zum Diplom) und im Fach Kunstpädagogik aus. Zudem betreibt die 1985 gegründete Institution eine Jugendkunstschule.
- Neue Räume suchen auch die Kunstschaffenden, die ihre Ateliers im Alten Güteramt im Mühlauhafen haben. Das Gebäude dient als Ersatz fürs alte Trafowerk, das bis zum vergangenen Jahr genutzt wurde.
- Die Stadt kauft jährlich Arbeiten regionaler Künstler an (für insgesamt ca. 11 000 Euro). Zudem gibt sie bis zu 200 Euro pro Monat Mietzuschuss; Budget hierfür: 36 000 Euro.
Vielfalt wirke überhaupt befruchtend, kulturelle Vielfalt ebenso, und zu dieser trügen nicht zuletzt die bildenden Künste bei und fänden damit auch überregionale Resonanz, an der der Stadt ja stets gelegen sei, sagen die Initiatoren. Und Hindahl, die selbst an der Freien Kunstakademie lehrte, betont, dass alle in der Petition Genannten sich auch um die Kunsterziehung verdient machten. Viele Künstler böten meist mäßig honorierte Kurse an. Die Gesellschaft profitiere, aber die Künstler lebten oft am Existenzminimum.
Dafür freilich trägt nicht vor allem die Stadt Verantwortung. Für ein Künstler- und Atelierhaus indes sollte sie schon sorgen, sagt Fotokünstler Stolz. Wie alle Mieten seien auch die für Atelierräume stark gestiegen und für viele freie Künstlerinnen und Künstler unbezahlbar. Man wünsche sich moderate Mieten in verkehrsgünstiger, zentraler Lage - und biete eine Beteiligung an den Kosten auch in Form von Kunstwerken an.
Verbunden wird damit die Idee, einen städtischen Ankaufsetat und eine städtische Sammlung regionaler Kunst im größeren Maß zu etablieren. Die Szene ist um kreative Ideen auch in solcher Hinsicht nicht verlegen. Mit Blick auf die Petition - und besonders auf die Zukunft der Werkstätten - sagt Hindahl: „Vieles geht nur mit öffentlichem Druck.“
Findet die Kunst aber damit Gehör bei kommunalen Verantwortlichen? Der für Kultur zuständige Bürgermeister Michael Grötsch sagt, er habe durchaus Verständnis für die Anliegen. Die Stadt wolle an einer Lösung mitwirken, die genannten drei Themen seien aber unterschiedlich zu bewerten und mit jeweils unterschiedlichen Bedürfnissen verbunden. „Dafür Räume unter einem Dach zu finden, ist schwer“, sagt der Bürgermeister im Gespräch. Eine passende Immobilie stehe der Stadt derzeit weder dafür noch für die Anliegen separat zur Verfügung. „Wir befinden uns allerdings bezüglich leerstehender Immobilien in Gesprächen, um eine Lösung anbieten zu können.“ Da diese mit einer deutlichen Steigerung der finanziellen Mittel in dem Bereich verbunden sei, müsse ihr aber auch der Gemeinderat zustimmen.
Kunstszene findet Engagement der Stadt unzureichend
Bei der Freien Kunstakademie sieht Grötsch auch das Land in der Pflicht, um zu einer Lösung beizutragen. Und in Sachen Druckwerkstätten erwartet er vom BBK mehr Initiative und Mitwirkung, um räumliche Alternativen zu finden. Dass die Stadt insgesamt zu wenig tue für die freie Szene der bildenden Künstlerinnen und Künstler, sieht Grötsch nicht. Als sichtbares Gegenbeispiel nennt er das Ausstellungshaus Port 25 in der Hafenstraße, das nicht zuletzt regionale Kunst präsentiert. Über das Kulturamt würden Atelierförderungen gewährt, die auch von den Künstlern auf Raumsuche beantragt werden könnten. Und einen städtischen Ankaufsetat für regionale Kunst gebe es ja seit drei Jahren auch wieder - im vergangenen Jahr wurden nach Auskunft der Verwaltung damit Arbeiten Mannheimer Kunstschaffender im Wert von 11 000 Euro angekauft.
Die Kunstszene indes empfindet das städtische Engagement als unzureichend. „Die Realität ist, dass die Stadt kaum Geld für die bildende Kunst ausgibt“, sagt Manfred Binzer, der sich federführend um die Belange jener Künstlerinnen und Künstler kümmert, die im Atelierhaus Altes Güteramt im Mühlauhafen arbeiten. Er spricht von „städtischer Mangelwirtschaft“. Falls Mannheim seine Künstler im Stadtraum halten wolle, müsse einfach mehr getan werden.
Der Vermieter des Atelierhauses, Alexander Doering und seine Firma ANUNDO Wohnen & Service, lässt unterdessen wissen, dass er im April mit den Künstlern über eine mögliche Verlängerung sprechen möchte. Das könnte in Sachen neues Atelierhaus etwas Luft verschaffen. Die Situation der bildenden Kunst in der Stadt müsste sich nach Meinung ihrer Repräsentanten aber grundsätzlich deutlich verbessern. (mit dms)
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zur Vielfalt gehört Kunst!