Gedenktag/Ausstellung

Franz Mazura 100: Bilder und Fotos im Schloss Neckarhausen

Als Bassbariton mit großem Stimm- und Spieltalent machte Farnz Mazura musikalisch Weltkarriere. Seine kreative Seite für die Bildenden Kunst beleuchtet nun bis 14. Juli 2024 eine Ausstellung in Edingen-Neckarhausen

Von 
Ralf-Carl Langhals
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„Der Sänger sitzt.“ Franz Mazura im Jahr 2010 seinem vor seinem Porträt von Walter Stallwitz. © Manfred Rinderspacher

Edingen-Neckarhausen. Da sitzt er. Wie er leibt und lebt. Oder lebte, denn leider ist Franz Mazura 2020 im Alter von 95 Jahren gestorben. Er fehlt. Alter ist kein Kriterium, war für ihn, den sympathisch-bodenständigen Weltkünstler, nie eines. „Ich freue mich, Neues anzufangen, und höre nie auf, zu lernen“, sagte er zu seinem 90. Geburtstag.

Wer den ersten Raum im Neckarhausener Schloss, wo ihm bis 14. Juli eine ebenso umfangreiche wie ergiebige Ausstellung gewidmet ist, betritt, den lächelt er verschmitzt, wach und interessiert an. „Der Sänger sitzt.“ So kommt es seinen Wagner-Fans in den Sinn, denn so heißt es in Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ humorig. Als Meister trat er noch mit 93 an der New Yorker Met auf.

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Von
Peter Jaschke
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Das Foto von Manfred Rinderspacher ist gut gewählt, denn es erzählt viel. In jenem alten Lehnsessel und am Schreibtisch dahinter saß einst auch Wagners Witwe Cosima. Der Bayreuth-Recke in seinem Element. Neben der Lehne ist im Neckarhausener Wohnzimmer eine Madonna aus Lindenholz zu sehen, die auf Mazuras katholische Spiritualität verweist. An der Wand dahinter hängt ein Gemälde von Walter Stallwitz, dem Mannheimer Maler, den er stets bewunderte, das ihn in gleicher Pose zeigt. Das großformatige Foto stellt Franz Mazura somit ideal in all seinen Welten vor.

Die Weltstimme mit Gefühl für Pinsel und Zeichenstift

Besucher, die ihn nicht kannten, gibt der Raum viele Informationen, darüber, wer er war und wofür er berühmt war. Der legendäre Opernsänger arbeitete mit Regisseuren wie Peter Stein, Harry Kupfer, Otto Schenk oder Patrice Chéreau. Wenn der Bassbariton mit warmem Autoritätstimbre sang, standen am Pult Karl Böhm, Simon Rattle, Daniel Barenboim, Horst Stein, Hans Wallat, James Levine, George Solti oder Pierre Boulez.

Die Ausstellung

  • Die von Susanna Mazura-Grohmann und Dieter Grohmann kuratierte Schau umfasst Aquarelle, Pastelle, Tuschezeichnungen, Fotografien und Gravuren. Sie trägt den Titel „Franz Mazura zum 100. Geburtstag – Die Sängerlegende abseits der Bühne mit Foto, Pinsel und Zeichenstift“.
  • Zu sehen ist die Ausstellung von 27. April bis 14. Juli samstags, sonntags und an Feiertagen jeweils von 14 bis 18 Uhr im Schloss Neckarhausen, Hauptstraße 389, 68 535 Edingen-Neckarhausen.
  • Zu sehen sind auch Auszeichnungen, Plakate und Autogrammkarten des Opernsängers Franz Mazura (1924-2020). Ferner umfasst die Ausstellung auch exemplarische Bild- und Tonaufnahmen seines internationalen musikalischen Wirkens. Informationen und Anfragen sind unter fm100ausstellung@gmail.com möglich. rcl

 

Am 22. April wäre der „Sänger-Schauspieler“ Franz Mazura, so der treffende Titel einer 2004 zu seinem 80. Geburtstag herausgegebenen Festschrift, 100 Jahre alt geworden.

Eine Vitrine zeigt einige seiner zahlreichen Auszeichnungen und Ernennungsurkunden: Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Kammersänger, Ehrenmitglied des Nationaltheaters und des Richard-Wagner-Verbandes Mannheim-Kurpfalz, Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg, Klassik-Grammys und der renommierte Theaterpreis „Der Faust“ für sein wahrlich umfangreiches wie respekteinflößendes Lebenswerk.

„Wir beleuchten seine Sänger-Biografie recht kurz, Opernfreunden ist das weitgehend bekannt oder bei Wikipedia nachlesbar, aber wir wollen ja eine weitere Facette seiner Persönlichkeit vorstellen“, sagt Tochter Susanna Mazura-Grohmann, die mit ihrem Mann Dieter Grohmann die Ausstellung liebevoll wie sinnvoll aus dem väterlichen Nachlass heraus geordnet und kuratiert hat.

In insgesamt sechs repräsentativen Schlossräumen erleben Besucherinnen und Besucher einen umtriebigen und vielseitig begabten Künstler, der auch als Fotograf, Zeichner und Aquarellmaler Beeindruckendes hinterlassen hat.

War 1990 auf dem Cover zum „Wozzek“-Programm: Mazuras „Gefangener“(1955) © Mazura-Grohmann

Die mit spitzem Tuschestift perspektivisch und detailfreudig gezeichnete Feste Hohensalzburg seiner Heimat Salzburg belegt die Begabung eines damals Neunjährigen. Attestiert man seinen Skizzen im U-Boot-Logbuch aus Kriegstagen noch eine gewisse jugendlich-naive Verspieltheit, sind die Brüche durch die Erfahrungen in Krieg und britischer Kriegsgefangenschaft stilistisch unübersehbar. Ausgezehrte, gebrochene Menschen umreißt er mit wenigen Kohle- oder Tuschestrichen zu Charakterstudien Leidender. Vielleicht widmete er sich auch deshalb in den 1950er Jahren ganz im Geiste der Zeit eher Abstraktem - auch dies mit Qualität.

Seiner Faszination durch Bäume gibt der Natur- und Neckarhausener Schlossparkfreund später behände mit sensibel kolorierten Aquarellen Ausdruck. Auch mit dem Fotoapparat versuchte Franz Mazura jetzt, das Wunder des Lebens zu erfassen: Ganz im Kleinen mit frostgezuckerten Blüten oder überlebenswilligen Insekten, die in Eicheln wahre Kunststücke schaffen. „Ich war nie nur Sänger“, sagte Franz Mazura in einem Interview über sich selbst.

Ein Gespür für Mensch und Natur zeichnen den Kammersänger aus

Deshalb reiste er auch nie nur als Sänger. Der intime Blick auf vermeintlich Beiläufiges, etwa auf Wildblumen in den Wäldern um Bayreuth, reiste immer mit. Den weiten Blick über den New Yorker Central Park konnte Mazura im Mayflower Hotel (im Engagement an der Met) seit 1980 über Jahrzehnte genießen - und malerisch wie fotografisch über vier Jahreszeiten atmosphärisch dicht festhalten. Seine späte Liebe zur Lyrik, die er stets passend zum Thema aus seiner in grüner Plastikhülle verwahrten Zettelwirtschaft hervorkramte und glänzend rezitierte, passt da durchaus ins Bild. Bekannt war Franz Mazura für sein Einfühlungsvermögen, das hier nicht nur Rollengestaltung meint. Höchst treffend sind daher auch seine Karikaturen der internationalen und lokalen Theaterprominenz, denen der letzte Raum gewidmet ist. Eine davon zierte 1992 zum Abschied von Generalintendant Arnold Petersen gar das Titelblatt dieser Zeitung.

Lässig in Haltung und Strich: „Akt“ aus den 1950er Jahren. © Mazura-Grohmann

Zuhause war das weltenbummelnde Multitalent in Edingen-Neckarhausen, wo er von 1964 bis zu seinem Tod am 23. Januar 2020 gerne lebte - bekannt, geschätzt und engagiert in Wirtshäusern, Vereinen und Kirchengemeinden.

Der tägliche Spaziergang im Schlosspark, seine Leidenschaft für Sport - und seine Liebe zur Linsensuppe - zeichnen dort über seine Kunst hinaus das Bild eines Mannes und Familienvaters, der zuhause bescheiden blieb, bei Wolfgang Wagner in Bayreuth „Meister Franz“ hieß und für den Dirigent James Levine schlicht „Jimmie“ war.

Mit Franz Mazura, das zeigt die exzellente Ausstellung einmal mehr, hat die Region nicht nur einen Weltkünstler, sondern vor allem auch einen bemerkenswert neugierigen Menschen verloren. „Ich freue mich, Neues anzufangen, und höre nie auf, zu lernen.“ Lernen wir von ihm …

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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