Mannheim. Seit ihrer Gründung 2018 in Mannheim haben sich die South West Oldtime All Stars dem traditionellen Jazz verschrieben. Ihr neues Album „Celebrating The Duke – Nutcracker Suite“ präsentiert Duke Ellingtons Adaption von Tschaikowskis „Nussknacker“. Posaunist Felix Fromm spricht im Interview über seine Neuarrangements.
Herr Fromm, warum haben Sie sich aus dem großen Oeuvre von Duke Ellington für die „Nutcracker Suite“ entschieden?
Felix Fromm: Als ich das erste Mal Ellingtons Big-Band-Bearbeitung der weltberühmten „Nussknacker-Suite“ von Tschaikowski hörte, war ich sofort fasziniert. Wir haben mit unserer Band bereits drei CDs aufgenommen, auf denen wir uns mit der Musik von Louis Armstrong auseinandersetzen. In unserer neuen Aufnahme wenden wir uns dem großen Duke Ellington zu. Allerdings wollten wir auf keinen Fall eine Ellington-Platte mit den bekannten Hits wie „Satin Doll“ oder „Take The A Train“ machen, sondern mit Stücken, die eventuell dem Publikum nicht so bekannt sind. Durch den Ursprung des Werkes (klassische Ballettmusik) hoffen wir, auch das Interesse von Zuhörern zu wecken, die vielleicht gar nicht so viele Berührungspunkte zum Jazz haben. Außerdem glaube ich, dass jeder ein paar Melodien des Originals kennt. Hinzu kam, dass ich das Originalwerk von Tschaikowski liebe.
Wie viel Tschaikowski steckt noch in der Ellington- Bearbeitung?
Fromm: Sehr viel. Aber Ellington hat Passagen kreiert, die im Original nicht vorhanden sind, etwa eigene Interludes komponiert. Die Themen – „Der Nussknacker“ weist ja viele weltberühmte Melodien auf – hat er teilweise auch nicht in der originalen Abfolge arrangiert. Ellington und sein Kompagnon Billy Strayhorn haben Themen aus verschiedenen Sätzen miteinander kombiniert, die bei Tschaikowski nicht verbunden sind. Die Geschichte, die dem Original zugrunde liegt, kann man bei der Ellington-Version auch nicht nachvollziehen. Für mich sind es eher Momentaufnahmen und Stimmungen, die hier entstehen. Ein Geniestreich Ellingtons ist, wie er Tschaikowskis Melodien so bearbeitet hat, dass sie im Swing funktionieren und swingen.
Oldtime-Experte eröffnet Festival in Speyer
- Felix Fromm (47) studierte von 1997 bis 2002 Jazzposaune und Arrangement in Mannheim, als Fulbright-Stipendiat weitere zwei Jahre in New York unter anderem . bei Steve Turre.
- Er lebt in Weinheim und ist seit 2021 Mitglied der hr-Big Band des Hessischen Rundfunks.
- Die South West Oldtime All Stars gründeten sich 2018 in Mannheim und spezialisieren sich auf traditionellen Jazz. Fromm hat ihr Album „Celebrating The Duke – Nutcracker Suite“ (Galileo) arrangiert. Außer Fromm wirken mit: Martin Auer (Trompete), Gary Fuhrmann, Jürgen Zimmermann, Oliver Leicht (Saxofone, Klarinetten), Johannes von Ballestrem (Piano), Thomas Heidepriem (Bass), Paul Höchstädter (Drums).
- Konzerte: 22. August, Jazz im Rathaushof, Speyer (Louis-Armstrong-Programm) zur Eröffnung des Oldtime Jazz Festivals, 5. September, Studiobühne, Fürth/Odenwald, 6. September, Hack-Museum Ludwigshafen („Nutcracker“). Infos unter www.swoas.com. gespi
War es für Sie eher reizvoll oder eher herausfordernd, die Orchester-Arrangements für ein Oktett zu reduzieren?
Fromm: Beides. Bei Ellington kommen zusätzlich zur Rhythmusgruppe vier Trompeten, drei Posaunen und fünf Holzbläser zum Einsatz, die teilweise nicht im Unisono spielen, sondern gesetzt sind. Da muss man sich genau überlegen: Wie kann man das für insgesamt nur fünf Bläser so umwandeln, dass es noch spielbar ist und für diese Besetzung gut klingt. Im Blech arbeiten wir mit vielen verschiedenen Dämpfern, und die Saxofonisten haben wir mit Doublings versehen, also Klarinette, Bassklarinette, Flöte, Alt- und Tenorsaxofon. Das hat geholfen, verschiedene Klangfarben zu schaffen.
Wie hält man bei so einem Projekt die Balance zwischen dem Respekt vor der Ellington-Tradition und der eigenen Individualität?
Fromm: Als Arrangeur vertraut man den Musikern, dass sie starke musikalische Persönlichkeiten mit ihrer eigenen Klang- und Improvisationsästhetik sind. Für die Aufnahme wählten wir demzufolge Musiker aus, die sich mit Ellington, Swing und der Tradition der Jazz History auseinandergesetzt haben, gleichzeitig aber das Material auf ihre eigene Weise interpretieren. Es gab nie die Vorgabe: Das muss jetzt genau wie Johnny Hodges oder Lawrence Brown klingen. Als Jazzmusiker will man nicht kopieren, man lässt sich inspirieren und geht dann spielerisch mit der musikalischen Sprache der jeweiligen Stilistik um.
Ist es nicht auch so, dass Ellingtons Musik von vornherein jegliche Automatismen verhindert, zu denen viele Jazzmusiker heute neigen? Man kann doch bei diesen Stücken keine wilden Tempoläufe spielen.
Fromm: Das stimmt. Dieser Stilistik liegt eine besondere Ästhetik zugrunde, die man auch erfüllen sollte. Man muss sich mit dieser Musik intensiv auseinandersetzen und die Sprache lernen, die in den Soli bei Ellington oder auch Armstrong verwendet wird. Es wäre nicht passend, wenn man ein Bebop-Solo spielen würde. Von vielen Musikern, die traditionellen Jazz als primitiv und einfach zu spielen abtun, wird oft unterschätzt, wie viel musikalischer Inhalt in der Stilistik des Swing oder des New-Orleans-Jazz steckt. Man kann das gut mit Sprachen vergleichen. Du kannst nicht Englisch sprechen, wenn du kein Grundvokabular hast. Genauso kann man nicht Ellington spielen, wenn man bestimmte Phrasen nicht kennt. Man muss sich das gründlich erarbeiten.
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