Klassik

Europa-Hymne mit Enthusiasmus

Sie ist ein mehr als ein Klassiker, "Beethovens Neunte". Im Mannheimer Rosengarten war "das Bekenntnis zur Menschlichkeit" nun am Silvestertag zu hören - mit Orchestermusikern aus Leipzig und dem Beethovenchor Ludwigshafen

Von 
Raimund Frings
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Monolith Beetvoven auf Josef Stiekers 1819 entstandenem Gemälde. © dpa

Schmetternde Trompeten und jubilierende Soprane, aber auch Momente der Besinnung und der Einkehr, die Ingredienzien für einen Jahresausklang können nicht besser sein. Beethovens Neunte zieht: Denn zu der musikalischen Sprache hat der große deutsche Komponist im vierten Satz auch die menschliche hinzugefügt und so für die Welt der Sinfonie ein neues Ausdrucksmittel erschaffen. Und es hat gezogen: voller Musensaal im Rosengarten, erwartungsvolle Besucher im Parkett und auf der Empore. Ausführende sind die Sinfonia Leipzig unter Leitung von Knut Andreas, vier Gesangssolisten und der Ludwigshafener Beethovenchor als regionaler Anker für die Europa-Hymne.

Die Sinfonie beginnt sehr einfach und unscheinbar, fast schwebend. Aus einer unbestimmten Leere bauen sich nach und nach unter stetem Crescendo alle Instrumentengruppen auf: Nun kommt das ganze Orchester unisono mit einem schweren, nachdrücklichen Thema, das dann immer weiter ausgeführt wird. Streicher und Bläser musizieren ernst und konzentriert, wie vom Lineal gezogen, so wie es Beethoven konzipiert hat.

Schwebender Auftakt

Im zweiten Satz „Molto vivace“ lässt sich das Aufziehen einer neuen, besseren Welt - wohlgemerkt im Jahre 1824 - erleben. Frische, überraschende Themen werden in teilweise furiosem Dreivierteltakt ausgebreitet, aufmerksam kommunizieren die Musiker der Sinfonia Leipzig die raschen, kaum wahrnehmbaren Übergänge. Die Blechbläser scheinen nicht ganz homogen besetzt, wenige Male sind Dynamik und Tempo uneinheitlich. Im dritten Satz mit weitgehend raumgreifend gefühlsbetonter Ausführung im Adagio brillieren vor allem die Holzbläser.

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Der vierte Satz mit seinen 25 Minuten und dem euphorischen Ende: Sehnsüchtig vom andächtigen Publikum erwartet. Das Freudenthema und damit den Aufstieg zur Spitze skizzieren die Streicherbässe mit gewohnter Andacht. Beethovenchor und vier Gesangssolisten inszenieren Schillers und Beethovens poetischen Brüdergedanken.

Die Dynamik schraubt sich in wechselnden Tempi und Instrumentierungen bis zur erlösenden Spannungsentladung. Lange vermisste Gänsehautmomente am letzten Tag eines gefühlt angstvollen Jahres. Kein Wunder: Ist doch Schillers „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven in seiner 9. Sinfonie in den musikalischen Adelsstand erhoben worden und hat in der Neuzeit mit seiner Kür zur Europa-Hymne den höchsten völkerverbindenden Lorbeer erlangt.

Dirigent als ruhender Pol

Über weite Strecken überzeugend das Orchester und die Sopranistin Sarah Kollé. Der vielstimmige Ludwigshafener Chor kämpft in der schwierigen Akustik des Musensaals enthusiastisch und bravourös um seinen nicht unwesentlichen Part. Joshua Morris (Bass) erreicht beim Beginn des Bariton-Solos nicht ganz die gewohnte Brillanz, Tenor Kristian Soerensen und Altistin Anne-Victoria Ahumade dringen leider nicht richtig durch den enormen Klangteppich des Orchesters. Knut Andreas als ruhender Pol am Dirigentenpult hält die Fäden unerschütterlich in seinen Händen. Nach ein paar Momenten des Innehaltens verdienter, langanhaltender Jubel.

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