Ein überzeugendes Gesamtkonzept für die Festliche Operettengala im Musensaal des Rosengartens: So lautet die Antwort des Nationaltheaters auf seine aktuelle Spielstättenproblematik.
Ein Ort mit Tücken
Besondere Herausforderung für die Verantwortlichen: Auf einer allein schon durch das - zweifelsohne sehr gut aufgelegte - Orchester belegten Bühne einen klanglich und visuell anspruchsvollen Abend zu gestalten. Thomas Hermann und Claudia Plaßwich aus der Operndirektion haben mit einigen gezielten Regiekniffen die limitierte Statik des Musensaals weitgehend außer Kraft gesetzt und die sechs Gesangssolisten des Ensembles wirkungsvoll in ein lebendiges Bühnengeschehen gestellt.
Ein Bloomaul mit Witz
Die freche, gewitzte und selbstironische Moderation von Joachim Goltz hebt den Unterhaltungswert noch einmal deutlich an, die legendären Conferenciers Barbara Schöneberger, Hans-Joachim Kulenkampff und Thomas Gottschalk lassen grüßen. Mit erfrischenden Zwischenbemerkungen bindet der über die Grenzen gefeierte Bariton und als Mannheimer „Bloomaul“ zudem in der Regionalkultur fest verankerte Botschafter seiner Heimatstadt die einzelnen Elemente der Gala zusammen.
Operetten und Küsse
Verspielter Einstieg des Nationaltheater-Orchester mit der Ouvertüre des „Zigeunerbarons“ von Johann Strauss. Klarinettenmelodien, rhythmisch illustrierende Streicherpassagen und natürlich die abwechslungsreichen Walzervariationen geben den tänzerischen Grundton für die Aufführung am Vorabend des Silvestertags an. Aufmerksam und gestisch äußerst aktiv, leitet Salvatore Percacciolo, erstmals als Erster Kapellmeister am Dirigentenpult, das Ensemble.
Erster solistischer Höhepunkt der Schatzwalzer „Ha, seht, es blinkt, es winkt, es klingt“. Herausragend die Ukrainerin Julia Faylenbogen mit ihrem warmen, kräftigen Mezzosopan. Stimmlich sehr präsent und erfrischend selbstbewusst Frédérique Friess (Sopran) und der mit durchweg gutgelaunter Ausstrahlung agierende Tenor Jonathan Stoughton.
Natürlich bilden Melodien von Johann Strauss oder Franz Léhar keine tiefgründigen Liebeszenarien ab, doch ist es ja gerade das „operettische Rumknutschen“, wie Joachim Goltz süffisant dem Mannheimer Publikum mitteilt, das den Reiz der musikalisch gehobenen Populärkultur von vor 100 Jahren ausmacht. Er selbst mimt dazu in der Arie „Ich hab sie nur auf die Schulter geküsst“ den empörten Oberst Ollendorf aus Carl Millröckers „Bettelstudent“ und deutlich engagierter im verliebten Tête-à-tête („Lippen schweigen“) den Graf Danilo in Léhars „Lustiger Witwe“.
Partnerin ist dort Sopranistin Seunghee Koo im betörend azurblauen Kleid. Ihre Auftritte an diesem Abend sind hinreißend, unter die Haut geht die Walzer-Arie „Meine Lippen, die küssen so heiß“ aus der 1934 komponierten musikalischen Komödie „Giuditta“. Irakli Kakhidze zeigt seinen hellen Tenor in zwei Arien aus dem „Land des Lächelns“. Etwas verhalten noch seine Darstellung als Prinz Sou-Chong mit dem eindringlichen „Dein ist meine ganzes Herz“. Zusammen mit Frédérique Friess im Duett „Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt“ entströmt seiner Stimme wieder die gewohnt intensive Ausdrucksstärke.
Solisten vor besonderer Herausforderung
Die Solisten stehen im Musensaal freilich vor einer besonderen Herausforderung. Das aus dem gewohnten Graben auf die Bühne „aufgestiegene“ Orchester ist in voller Besetzung akustisch deutlich dominant. Obschon Salvatore Percacciolo die Instrumentalisten in ihrer Dynamik mit sanfter Hand zügelt, ist es für das Nationaltheater-Publikum ein ungewohntes Hörerlebnis. Mezzosopranistin Julia Faylenbogen kommt damit bestens zurecht. Sie brilliert mit leidenschaftlichem Gestus und souveräner Intonation in der Arie „Spiel auf deiner Geige“ aus Robert Stolz klassischem Operettenwerk „Venus in Seide“ - mühelos in Harmonie mit dem Musiker-Ensemble.
Das Orchester wiederum, einmal in der diesem Zusammenhang ungewohnten Hauptrolle auf den Geschmack gekommen, mit zwei fantastischen, schwungvoll und schmissig vorgetragenen Polkas. Bei „Johann Strauss’ „Unter Donner und Blitz“ haben sich auch die Beleuchter etwas einfallen lassen: Das Saallicht flackert stilecht im Rhythmus. In ansteckender Feierlaune zeigt sich im Lauf des Konzerts zunehmend auch Dirigent Salvatore Percacciolo, der fast im Stile eines Rockstars seine Streicher, Bläser und besonders Perkussionisten rhythmisch antreibt. Anrührend und eher sentimental eingefärbt dagegen das Solo des Violinisten und Ersten Konzertmeisters Arsenis Selalmazidis aus dem zweiten Akt in Lehars „Paganini“.
Zur finalen Zugabe und dem Radetzky-Marsch rollt der mit hohem Tempo der unvermeidliche Neujahrsexpress ein. Moderator Joachim Goltz übernimmt kurzfristig den Dirigentenstab und das Orchester bringt den berauschenden Abend zu einem unfallfreien Ende.
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