Auch das lerne man „on the road“, unterwegs also, sagt Erika Stucky: „Vielleicht ist jetzt Sushi und Fondue nicht die supergeeignetste von allen Kombination. Aber eigentlich kannst du fast alles kombinieren, wenn du’s nur einigermaßen ehrlich meinst und wie so ein Gebet anpackst. Dann geht verdammt viel zusammen, was man sich nicht vorher vorstellen kann.“ Nun kann man sich eine ganze Menge vorstellen, wenn man schon einmal ein Konzert der der US-amerikanisch-schweizerischen Jazzsängerin, Akkordeonistin und Performerin besucht hat, die auch heuer wieder zum Jahresende - eine Tradition, die man nicht missen mag - die vollbesetzte Alte Feuerwache in Mannheim besucht; wobei sie kongenial von Terry Edwards, unter anderem an Gitarre, Trompete und Saxofon, sowie Nelson Schaer, vornehmlich am Schlagwerk, begleitet wird.
Performance wörtlich verstanden
Das Musizieren (was bei Stucky auch immer in den freundschaftlich verbundenen Bereich der Performancekunst gleitet) scheint ihr so leicht und souverän wie das Atmen von der Hand zu gehen. Beim Einatmen mag ein Stück noch eine wunderbar straßen-staubige Variation von „Why Don’t We Do It In The Road?“ der Beatles sein. Beim Ausatmen verwandelt es sich in eine Garagen-Funk-Rock-Version von Stevie Wonders „Superstition“. Und dazwischen schauen noch einmal die Beatles mit „Helter Skelter“ vorbei. Wobei alles, was die Sängerin mit ihrer Stimme und ihrer Persönlichkeit umhüllt, in einer Art künstlerischem Kernumwandlungsprozess zu einem originären Stucky-Werk wird.
„Roadshow“ hat sie ihr aktuelles Programm genannt: eine Straßentheater- oder Präsentationstour. Sie ist dafür um die Welt gereist, zu den hawaiianischen Vulkan-Observatorien oder ins hochgelegene Königreich Bhutan, was Videoaufnahmen illustrieren. Und sie hat Geräusche, „Road Sounds“, aufgenommen - von Schafsglocken bis zum Klang des Planeten Mars - und daraus ein „Soundgewebe“ geknüpft, das nun subtil (Stucky: „Ihr werdet’s wieder vergessen, es ist psychoakustisch“) das Geschehen auf der Bühne unterlegt.
Dazu hat sie 35 Jahre alte Songs aus ihrer „Kurt-Weill-Phase“ ausgegraben, damals, als sie aus den USA an die Schauspielschule in Paris kam. Seit 30 Jahren habe sie etwa ihr Stück „Everybody Wants To Touch Me“ nicht mehr gesungen, das hier schleppend-kaprizös, mit sprödem Soul und akrobatischer Vokalkunst erklingt.
In „Roach-Hotel“ singt Stucky aus der Binnenperspektive einer Kakerlake, die einem Schein-Hotel buchstäblich auf den Leim geht. Reichlich toll ist auch der zunächst bis auf Gesang und Klatsch-Rhythmik skelettierte Klassiker „Black Betty“, der sich alsbald zu packend schroff gedrechselten Bluesrock auswächst.
Nach einer letzten Solo-Jodel-Zugabe schultert die Sängerin ihren Rucksack (an den auch ein Paar Schuhe geknüpft sind) und verlässt die Bühne. Stucky zieht eben einfach weiter. Ein gutes neues Jahr möge ihr folgen.
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