Heidelberger Schlossfestspiele

Elias Grandys Abschied endet nicht als Schnulze

Sein Hemdkragen steht lässig offen, als Elias Grandy vor das Philharmonische Orchester in Heidelberg tritt. Es ist sein Abschiedsabend, jedenfalls im Amt des Generalmusikdirektors

Von 
Hans-Günter Fischer
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Grandy und OB Würzner. © Reichardt

Heidelberg. Ist er wirklich schon im Urlaubsmodus angelangt? Sein Hemdkragen steht lässig offen, als Elias Grandy vor das Philharmonische Orchester tritt. Es ist sein Abschiedsabend, jedenfalls im Amt des Generalmusikdirektors. Und auch die Kulisse strahlt Urlaubsatmosphäre aus: Es ist ein Open-Air-Konzert im Heidelberger Schlosshof.

Grandy muss an diesem sehr speziellen Abend auch ein bisschen reden und nach Möglichkeit sogar Gefühle zeigen, das erwartet man bei solchen Anlässen. Der Dirigent wird dem gerecht und räsoniert wie die Figur der Marschallin im „Rosenkavalier“ von Richard Strauss über „die Zeit, das sonderbare Ding“. Sie ist in den doch immerhin acht Jahren, die Elias Grandy Generalmusikdirektor war, mal wieder rasend schnell vergangen.

Aber er erinnert sich noch an das Stück, das ganz am Anfang seiner Heidelberger Jahre stand - als er beim Philharmonischen Orchester vorzuturnen, vorzudirigieren hatte: mit Brahms’ „Haydn-Variationen“, die nun auch am Abschiedsabend das Konzert eröffnen. Zeigt der Komponist hier doch, wie das choralartige Thema durch die mannigfachen Abwandlungen bei der Wiederkehr am Schluss ein anderes geworden ist. Geläutert durch den Faktor Zeit.

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Das alles kommt sehr klangmächtig daher. Es liegt am Widerhall der alten, hohen Schlossmauern, zum Teil indessen auch an künstlicher Verstärkung, deren Umfang allerdings von Stück zu Stück verschieden sei, wie man uns sagt. Die große Schlussszene im zweiten Akt von Mozarts „Figaro“ benötigt derlei Hilfsmittel wohl kaum. Was insbesondere für den Gesang gilt, ihn bestreiten gleich acht Sänger (und natürlich Sängerinnen), die auf ihre Art erneut den Lauf der Zeit andeuten: Einige von ihnen haben das Theater der Stadt Heidelberg inzwischen hinter sich gelassen, sind aber für das Konzert noch einmal an den alten Wirkungsort zurückgekommen.

Grandy zeigt als Mozart-Dirigent Format

Nicht nur deshalb ist es eine beachtliche Ensembleleistung. Dass rein stimmlich niemand weit heraussticht oder alles überglänzt, kann tendenziell als Tugend gelten. Und Grandy zeigt als Mozart-Dirigent Format: Er legt in diesem großen Spiel über Beziehungsirrungen und -wirrungen, über das ewige „Wer hat gerade was mit wem?“ die psychologischen Befindlichkeiten auf die orchestrale Analyse-Couch.

Den „Rosenkavalier“ von Strauss hätte er gern in Heidelberg gemacht, erzählt der Dirigent. Zum Abschied reicht es immerhin zur großen Suite aus dieser Oper. Grandy lädt sie mächtig auf, seine Kontrastmittel in Sachen Tempo und Dynamik scheuen die Extreme nicht. Manchmal bewegt er sich am Rand zum Manierismus. Aber es ist eher nicht der Strauss der bitonalen Glitzer-Schichten mit Celesta, Flöte und Oboe. Eher will er schon im „Rosenkavalier“ am Abgrund tanzen, in die große Weltkriegskatastrophe taumeln. Was dann in Maurice Ravels „La Valse“ einkomponiert ist. Grandys Aufführung hat diesbezüglich eine klare Haltung. Die Gefahr der Überfeinerung, die bei Ravel bisweilen lauern kann, ist jedenfalls gebannt.

Danach spielt das Orchester für den Dirigenten „Time To Say Goodbye“. Und viele gute Worte gibt es auch. Aber als Schnulze geht der Abend nicht zu Ende, sondern mit der rasend schnellen Johann Strauß’schen Polka „Unter Donner und Blitz“. Ein Feuerwerk. Fast eine Schlossbeleuchtung. Nur aus Tönen.

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