Kommentar

Eher ein Karrieremakel

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Jörg-Peter Klotz © Manfred Rinderspacher

Dass Xavier Naidoo sich neben Dieter Bohlen in die Jury der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) setzt, ist eine kleine Sensation. Schon allein deshalb, weil der Mannheimer und sein Kompagnon Michael Herberger ihr Fernsehengagement bei „The Voice Of Germany“ 2011 unter anderem damit begründet haben, dass die damals neue VOX-Castingshow so ziemlich alles anders mache als „DSDS“ und „Popstars“.

Dort wurden die Sänger auf dem Weg zu kurzlebigen Pop-Kunstprodukten regelmäßig verbal niedergemacht. Die „The Voice“-Kandidaten sind dagegen tatsächlich respektvoll und ohne Fokus auf Äußerlichkeiten beurteilt worden, außerdem traten sie mit einer Top-Liveband im Rücken auf. Ein Kontext, auf den sich ernsthafte Musiker guten Gewissens einlassen konnten. Jetzt ist DSDS plötzlich eine gute Adresse für Talentförderung. Was schert mich mein Geschwätz von gestern - das haben schon größere Geister gesagt und praktiziert.

Halbe Bankrotterklärung

Inzwischen hat Dieter Bohlen aber etwas umgedacht, agiert mitunter fast väterlich und kanzelt niemanden mehr brutal ab. Deshalb ist Naidoos lukrativer Karriereschritt auch nur eine halbe moralische Bankrotterklärung. Ob man sich als Deutsch-Soul-Pionier und Türöffner einer ganzen Liedermacherwelle in eine von Jury-Mitgliedern wie Heino, Bruce Darnell, Michelle oder Kay One mitgeprägte Reihe stellen will, ist letztlich Geschmackssache. Aus musikalischer Sicht ist das durchaus ein weiterer Karrieremakel.

Da Naidoo schon vor Jahren vorhergesehen hat, dass man statt auf Plattenproduktionen auf das gesamte Entertainment-Spektrum setzen muss, ist der Schritt zu RTL wirtschaftlich natürlich vernünftig. Nach seinen politischen Irrflügen bleiben ihm im Fernsehbereich ja nur die Privatsender, wie das Debakel um seine Direktnominierung für den Eurovision-Song-Contest 2015 durch den NDR gezeigt hat.

Sein Image als Musiker und Talentförderer wird von der RTL-Show eher nicht profitieren. Denn in 15 Staffeln hat DSDS nur zwei nachhaltig erscheinende Sängerkarrieren hervorgebracht: die von Schlagerstar Beatrice Egli und dem - 2013 früh ausgeschiedenen - Deutschpopsänger Wincent Weiss. Umgekehrt ist Naidoos Engagement für RTL ein echter Coup - zumal der ganz große Shitstorm wegen dessen Hang zu Verschwörungstheorien erstmal ausblieb. Aber der umstrittene Sänger garantiert Schlagzeilen. Und abgesehen von Star-Produzent Mousse T. sitzt mit dem Mannheimer zum ersten Mal seit Thomas M. Steins Zeiten 2002 bis 2004 ein echtes musikalisches Schwergewicht und Alphatier dem „Pop-Titan“ Bohlen gegenüber. Das kann durchaus interessant werden und den Quoten-Sinkflug der Sendung stoppen.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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