Interview

Dirigentin Rakitina: "Der Titel ,Maestra' ist okay"

Die Dirgentin Anna Rakitina leitet zum ersten Mal das Philharmonische Orchester Heidelberg. Das Konzert, das Werke von Haydn, Mahler und Britten umfasst, findet am 9. Mai im Mannheimer Rosengarten statt

Von 
Hans-Günter Fischer
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Würde auch gerne als Orchesterleiterin arbeiten: Dirigentin Anna Rakitina. © Robert Torres

Mannheim. Das beliebte Thema „Eine Frau als Dirigentin“ haben wir nicht weiter angesprochen, es wirkt mittlerweile doch etwas abgedroschen. Wenn es sich, zum Glück, nicht fast erübrigt hat: Anna Rakitina etwa macht völlig selbstverständlich Karriere, auch wenn sie in ziemlich jungen Jahren schon erstaunlich viele Top-Orchester dirigiert hat. Vorrangig in Nordamerika.

Doch mittelprominente Angebote zieht sie gleichfalls in Erwägung, eben erst hat sie ein Gastspiel bei den Bochumer Symphonikern gegeben. Und am 9. Mai wird sie zum ersten Mal beim Philharmonischen Orchester Heidelberg gastieren, das als Spätfolge der Stadthallen-Sanierung einen kleinen „Frühlingsausflug“ unternimmt: nach Mannheim, in den Musensaal des Rosengartens. Grund genug, die Moskowiterin zu interviewen. Ihre Antworten gab sie auf Englisch.

Frau Rakitina, sind Sie erfreut, wenn man Sie „Maestra“ nennt?

Anna Rakitina: Mir ist zwar „Anna“ lieber, aber „Maestra“ ist schon auch okay.

Sie sind bereits mit etlichen berühmten Sinfonieorchestern aufgetreten, beispielsweise in New York, Chicago und Los Angeles. In Boston waren Sie die Assistentin des Kollegen Andris Nelsons, bei einem gefeierten Orchester, dessen Sound als „europäischer“ als bei den anderen US-Klangkörpern gilt. Ist das tatsächlich so?

Rakitina: Ich hatte wirklich dieses Privileg, mit vielen „Major Orchestras“ der USA zu arbeiten. Und jedes einzelne hat selbstverständlich seine eigenen, ganz unverwechselbaren Qualitäten.

Anna Rakitina und das Konzert

  • Anna Rakitina, geboren 1989, stammt aus einer ukrainisch-russischen Familie. Auf Gesangs- und Geigenunterricht folgte ein Dirigierstudium: in Moskau, später in Hamburg. Einen Doktorgrad in Musikologie besitzt sie ebenfalls, das Thema ihrer Arbeit war das Zeitverständnis in den Werken von Sergej Rachmaninow. 2019 bis 2023 war sie beim Boston Symphony Orchestra als Assistentin Andris Nelsons‘ tätig.
  • Mannheimer Konzert: Am 9. Mai um 20 Uhr wird sie im Musensaal des Rosengartens mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg und dem Gesangssolisten Yannick Debus Haydns 101. Sinfonie, Mahlers „Kindertotenlieder“ sowie Brittens „Sinfonia da Requiem“ aufführen. HGF

Wie oft haben Sie das Bostoner Orchester dirigieren dürfen, und von welchem der Konzerte haben Sie die stärksten Eindrücke?

Rakitina: Ich hatte wegen der Corona-Pandemie, die unseren Planeten lahmlegte, erst mit Verspätung mein Debüt. Doch ich war glücklich, dass ich in den Folgejahren immer jeweils eine Abo-Woche mit dem Bostoner Orchester übernehmen durfte - und auch jeden Sommer ein Konzert beim Festival in Tanglewood. Daneben gab es schöne kleinere Projekte mit den kammermusikalischen Ensembles. Ich erinnere mich deshalb gern an diese Zeit. Nicht nur an die Momente, als ich auf dem Podium stand, sondern auch daran, wie ich als Konzertbesucherin den einzigartigen Orchestersound genießen durfte. Und natürlich war mein Tanglewood-Debüt etwas Besonderes in meinem Leben. Ich trat mit dem Pianisten Jean-Yves Thibaudet auf, später dirigierte ich noch die „Enigma-Variationen“. Sehr am Herzen lag mir auch die Aufführung der siebten Sinfonie von Jean Sibelius - die ich immer schon geliebt habe.

In Heidelberg haben Sie jetzt ein weniger berühmtes Sinfonieorchester vor sich. Wird die Sache dadurch einfacher?

Rakitina: Das weiß ich nicht, ich komme ja zum ersten Mal hierher.

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Im Januar sind Sie schon mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz aufgetreten. Welchen Eindruck hatten Sie?

Rakitina: Konzertmeisterin Yi-Qiong Pan hat mich mit ihrem Solo inspiriert. Wir spielten Rimski-Korsakows „Scheherazade“, jede ihrer Solo-Linien klang dabei verblüffend schön. Aber natürlich hatte auch der Harfenist Xavier de Maistre im Konzert von Ginastera einen Riesenauftritt.

Würden Sie gern als Orchesterchefin arbeiten?

Rakitina: Sehr gern sogar, doch die Bedingungen für die Verbindung müssten stimmen. So, dass alle Seiten damit glücklich werden können.

Mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg werden Sie Brittens „Sinfonia da Requiem“ aufführen. Soll das auch eine Friedensbotschaft sein?

Rakitina: Diese Programmidee stammt nicht von mir, aber ich mag sie sehr. Obwohl es auch um dunkle Seiten geht. Wir können Brittens Stück als Friedenswunsch verstehen, doch es handelt ebenso von Schmerz und Trauer.

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Sie persönlich haben sich schon früh gegen den Ukraine-Krieg positioniert. Was meinen Sie: Wird dieser Krieg auch die deutsch-russischen Beziehungen zerstören, die immer „speziell“ gewesen sind, besonders auf der kulturellen Ebene?

Rakitina: Der Krieg wirkt stets zerstörerisch, nicht nur für die von Ihnen angesprochenen Beziehungen. Was wir erleben, ist erschütternd. Und die Leute, die sich heute noch für Frieden einsetzen, für kulturellen und sozialen Austausch - wo auch immer -, machen sich um diese Welt wirklich verdient.

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