Mannheim

Epiphaniaskirche Feudenheim: Kulturraum für bürgerschaftliches Engagement

Vor knapp zehn Jahren stand die Epiphaniaskirche in Feudenheim vor der Schließung. Ein Förderverein nahm die Sanierung selbst in die Hand. Pfarrerin Dorothee Löhr und Werner Besier über eine Erfolgsgeschichte

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Karsten Kammholz und Dirk Jansch
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Interview in Epiphanias (v.l.): Dirk Jansch, Werner Besier, Pfarrerin Dorothee Löhr und Karsten Kammholz. © Christoph Blüthner

Feudenheim. Frau Löhr, Herr Besier, Ende 2014 stand die Epiphanias-Kirche vor dem Abriss. Ein Gutachten stellte einen Sanierungsbedarf von 1,8 Millionen Euro fest. Die Evangelische Kirchengemeinde Mannheim zog daraufhin die Reißleine. Sie wollten das damals so nicht hinnehmen. Was macht Epiphanias so erhaltenswert?

Werner Besier: Wir sind als alte Feudenheimer an diese Kirche gebunden und lieben sie, das ist ganz klar. Man muss wissen, als damals der Adolf-Damaschke-Ring neu bebaut wurde, waren die neuen Bewohner fast ausschließlich evangelische Christen aus dem Osten. Und die beiden Architekten Lange und Mitzlaff haben die Kirche auch so gebaut, dass sie eine Heimstadt finden. Deswegen ist die Kirche nach außen hin geschlossen. Es ist wie eine Burg, und dieser Schutzraum hat eine Geschichte.

Dorothee Löhr: Die Epiphaniaskirche ist ja ein „Mannheimer Quadrat“ mit den biblischen Maßen des himmlischen Jerusalem: 24x24m im Grundriss. Und es war ja damals schon bekannt, dass der von Mitzlaff und Lange entworfene Teil der Kunsthalle abgerissen werden sollte. Und wenn man da reinging, hat man gemerkt, dass er vorher eine Kirche gebaut hatte. Das hatte mit der Empore schon eine sakrale Wirkung. Und wir haben dann immer spekuliert, ob das diese Kirche wertvoller macht, wenn ein andere Lange-Mitzlaff-Bau abgerissen wird oder ob sie zu der Gruppe der Gebäude gehört, die sowieso abgerissen wird.

Das Gesamtensemble der Kulturkirche Epiphanias mit Glockenturm und dem Gemeindehaus (rechts), das für Wohnbebauung weichen soll. © Christoph Blüthner

Der Saal im neuen Epiphanias-Anbau wird nach Horst Engelhardt benannt. Mit seiner Spende über 1,2 Millionen Euro hat er 2015 einen ganz wesentlichen Beitrag zur Rettung der Epiphaniaskirche geleistet. Wie kam es zu dieser großzügigen Geste?

Besier: Wir hatten im Vorfeld als Bürgerinitiative „Rettet Epiphanias“ Unterschriften gesammelt und im Januar 2015 den Verein „Förderer von Epiphanias Feudenheim“ gegründet.  Zur Gründungsversammlung kam dann Horst Engelhardt persönlich. . .

Löhr: Ich kann mich noch genau erinnern. Das war ein Dienstag, und ich kam von der Vesperkirche. Dort hatte ich gepredigt über den Satz „Lass es jetzt geschehen“. Das hat Horst Engelhardt zwar nicht gehört, aber er hat es wörtlich genommen, hat den Hörer in die Hand genommen und gesagt: „Frau Pfarrer, ich habe es in der Zeitung gelesen, Sie bekommen 600.000 Euro.“ Das war natürlich ein enormer Rückenwind. Engelhardt kam dann zur Gründungsversammlung, und bevor wir zusammen einzogen, hat er mich am Ärmel gezupft und hat gesagt: „Wir haben noch mal nachgerechnet, wir können unsere Spende verdoppeln.“

Wir sind schon oft aus den Sitzungen raus und haben überlegt: Wie sollen wir denn das jetzt schon wieder schaffen?
Werner Besier Vorsitzender der Förderer von Epiphanias

Besier: Ich war total überrascht, als er dann aufgestanden ist und das öffentlich verkündet hat. Und als er uns beiden dann die Spende überreicht hat, war das ein sehr erhebender Moment.

Wäre die Sanierung auch möglich gewesen ohne diese Spende?

Besier: Also damals hätten wir es sicherlich nicht geschafft, aber die Spenden haben danach massiv zugenommen. Es waren natürlich kleinere Spenden, aber in der Summe macht es halt doch viel aus.

Blick in den Flur des neuen Anbaus. Hier befindet sich ein größerer Aufenthaltsraum, der nach Mäzen Horst Engelhardt benannt ist. © Christoph Blüthner

Was gab denn den Ausschlag, dass die Ekma zugestimmt hat?

Besier: Wir mussten ein Konzept und Wirtschaftspläne aufstellen. Den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten – ich weiß nicht mehr wie viel. . .

Löhr: Es war so wie ein Hürdenlauf, die Hürde wurde immer ein Stückchen höher gelegt, und man hat sich gewundert – wir haben uns auch gewundert -, dass wir sie alle genommen haben. 

Besier: Wir sind schon oft aus den Sitzungen raus und haben überlegt: Wie sollen wir denn das jetzt schon wieder schaffen? Dann haben wir beim Landesamt für Denkmalpflege einen Antrag auf Unterstützung für diese Sanierung gestellt, und die haben das auch zugesagt. In dieser Sache hat uns auch der damalige Kirchenbauamtsleiter Eichhorn sehr unterstützt, von dem wir die notwendige Unterschrift erhalten haben. Insgesamt haben wir für die Kirche und den Turm 120.000 Euro vom Denkmalschutzamt Baden-Württemberg bekommen. 

Löhr: Frau Dr. Ryll war ein Fan dieser Kirche. Sie hat bewirkt, dass das Ensemble überhaupt zum Denkmal erklärt worden war. 2008 haben wir den ersten Tag des offenen Denkmals hier gefeiert.

Besier: Der damalige Ältestenkreisvorsitzende Walter Becker-Bender hatte das beantragt.

Die Epiphaniaskirche ist – auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal in Mannheim – seit jeher barrierefrei.
Dorothee Löhr Pfarrerin

Wie kam die Idee der Kulturkirche auf?

Besier: Wir hatten viele Gemeindemitglieder, unter anderem die  Organistin Ursula Trede-Boettcher, die sehr in der Musik lebten. Und es gab auch vorher Konzerte, aber in deutlich geringerer Menge, als wir es jetzt haben.

Löhr: Wir hatten einen Plan, dass es acht Konzerte gibt, die Ursula Trede-Boettcher vorbereitet mit ihren internationalen Kontakten in die Musikwelt, und dass es drei Ausstellungen gibt. Einmal im Monat war ein festlicher Abendmahlsgottesdienst geplant. Und einmal im Jahr einen Familiengottesdienst, der an Epiphanias gebunden war.  Epiphanias hat sich aber vor allem wegen der Akustik des Raumes für Kulturveranstaltungen angeboten. Wir haben also schon sehr früh angefangen, das zu profilieren.

Besier: Auf dieser Grundlage haben wir das Konzept „Liturgie – Kultur – Soziales“ entwickelt und der Ekma vorgelegt.

Wie viele Veranstaltungen haben Sie im Jahr?

Besier: Wir haben im September 2017 den Gestattungsvertrag geschlossen und im Oktober mit der Sanierung der Kirche angefangen. 2018 hatten wir schon 252 Veranstaltungen, davon 66 Konzerte. Der Höhepunkt war 2021 – als noch während Corona, da hatte wir 362 Veranstaltungen. Es waren zwar nur 25 Konzerte, aber dafür 210 Proben und – ganz wichtig – 45 Tonaufnahmen. 2023 lagen wir bei 256 Veranstaltungen.

Der neue Anbau (rechts) soll perspektivisch den Epiphaniasgemeindesaal ersetzen. © Christioph Blüthner

Die hohe Zahl der Tonaufnahmen spricht schon dafür, dass die Epiphaniaskirche auch von Experten für ihre Akustik sehr geschätzt wird.

Besier: Tonaufnahmen hatten wir vorher gar nicht. Sie haben für uns den großen Vorteil, dass die Tonmeister, die selten aus Mannheim kommen, die exzellente Akustik der Epiphaniaskirche weit über Feudenheim und die Region hinaus bekannt machen. Wir haben jetzt Musiker aus dem Elsaß gehabt oder aus dem Wuppertaler Raum. . .

Löhr: Wir hatten auch schon einen niederländischen Chor zu Besuch.

Besier: Mittlerweile haben wir Anfragen, wo wir einfach sagen müssen: Das geht nicht. Es kommen ja auch noch die hiesigen dazu. Das Nationaltheater macht Tonaufnahmen oder das Kurpfälzische Kammerorchester. Das macht jetzt auch seine Abo-Konzerte bei uns, weil der Rittersaal momentan nicht bespielbar ist.

Erhaltenswerter Kirchenbau

  • Die Epiphaniaskirche wurde im Jahr 2008 vom Regierungspräsidium Karlsruhe, Ref. Denkmalpflege als Kulturdenkmal erfasst. Sie steht aus künstlerischen, wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse.
  • Das Architekturbüro Lange & Mitzlaff war viele Jahrzehnte in Mannheim tätig und lieferte u.a. auch die Entwürfe für den Erweiterungsbau der Kunsthalle, der Dresdener Bank in P 2 oder der Gewerbeschulen am Neckarufer.
  • Ende 2014 wurde bekannt, dass die Evangelische Kirche Mannheim wegen dringend notwendiger Sanierungsarbeiten nicht in der Lage ist, die Feudenheimer Epiphaniaskirche auf Dauer zu erhalten.
  • Daraufhin gründeten Anfang 2015 engagierte Feudenheimer den Verein „Förderer von Epiphanias“, der sich um die Zukunft der Epiphaniaskirche bemüht.

Das heißt, das Konzept „Kulturkirche“ ist voll aufgegangen.

Löhr: Ich aus meiner Perspektive kann das voll bestätigen. Wir sind manchmal in der Falle unseres Erfolges (lacht). Die Kirche ist Sonntagvormittags für Gottesdienste reserviert, aber Termine unter der Woche müssen nun deutlich rechtzeitiger geplant werden. Spontan kann man höchstens mal in eine Lücke rutschen.

Besier: Wir schaffen es eigentlich immer, dass wir alles unterkriegen. Und unser Konzept ist ja viel breiter gefächert. Wir sind liturgisch, kulturell und sozial aufgestellt. Wir hatten 2022 mit Eintritt 18 Veranstaltungen und ohne Eintritt 20. Und Klassenabende der Musikhochschule 33 ohne Eintritt. Diese soziale Komponente ist ganz wichtig in unserem Konzept. Wir wollen niederschwellig sein. Jeder ist herzlich willkommen und soll geben, was er will, und wenn er es nicht kann, ist das auch nicht schlimm.

Löhr: Und das sieht dann so aus, dass ein Mensch mit einem Handicap vielleicht kein ganzes Konzert anhören kann und dann erst in der Pause kommt oder in der Pause geht und trotzdem mit glänzenden Augen geht, weil er ein bisschen Musik mitbekommen hat.

Besier: Das ist sehr schön, weil bei diesen Menschen eine große Dankbarkeit entsteht. Es ist ortsnah, die können hierherlaufen, auch mit dem Rollator. . .

Löhr: . . .und die Epiphaniaskirche ist – auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal in Mannheim – seit jeher barrierefrei.

Welche Funktion wird der Anbau haben?

Löhr: Der Anbau war mehr oder weniger die Notlösung, weil das Gemeindehaus wegfällt. Ein Symphonie-Orchester muss ja auch seine ganzen Instrumente-Kästen irgendwo unterbringen und sich einspielen. Die Musiker brauchen einen Nebenraum – auch einen Ort, an dem sie sich umziehen können. Auch die Toilettenanlage für bis zu 400 Personen, die Platz haben in der Kirche, musste neu  erstellt werden um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden.

Es ist ja auch eine sinnvolle Aufgabe von Kirche, das gesellschaftliche Leben mitzugestalten und auch Raum zu geben für alles bürgerschaftliche Engagement. Ich denke, das können wir vielleicht noch mehr lernen.
Dorothee Löhr Pfarrerin

Was passiert mit dem Gemeindehaus?

Besier: Das wissen wir noch nicht.

Löhr: Aber wir haben jetzt alle Hausaufgaben erfüllt. Die beiden Häuser sind nicht mehr bewohnt, die Kirchendienerin ist ausgezogen, die Pfarrerin ist ausgezogen, der Kindergarten ist umgezogen. . .  Das Gemeindehaus benutzen wir genauso kräftig weiter und freuen uns an jeder Woche, die wir es noch nutzen dürfen.

Besier: Aber deswegen war es für uns wichtig, dass wir autark werden und den Übergang gut hinbekommen. Wir haben im September 2021 angefangen zu bauen, und dann kam alles dazwischen, was man nicht brauchen kann: Preissteigerungen, die Corona-Pandemie mit unglaublich vielen und permanenten Krankmeldungen. Das hat uns unheimlich viel Zeit und Geld gekostet. Es ist alles behindertengerecht und unter ökologischen Gesichtspunkten gestaltet worden. Da haben wir großen Wert draufgelegt, um da auch ein gutes Raumklima zu bekommen.

Löhr: Wir rechnen mit weiteren Anfragen, weil das natürlich ein sehr schöner Raum ist. Der Kammerchor Cantabile hat schon angekündigt, seine Proben vom Epiphaniashaus in den Anbau zu verlegen.

Besier: Was wir nicht mehr haben werden, sind parallel stattfindende Proben oder Veranstaltungen. Wir haben gedämmt, was geht, aber das wird im Anbau nicht mehr möglich sein.  

Die von der Ekma in Gang gesetzte Transformation 2032 soll das kirchliche Angebot reduzieren, gleichzeitig aber auch neue Formen kirchlichen Lebens sowie Spielraum für kreative Ideen eröffnen. Wie verorten Sie die Kulturkirche Epiphanias in diesem Prozess?

Besier: In diesem Zusammenhang ist der Kooperationsvertrag ganz wichtig, den wir im vergangenen Jahr zwischen der Evangelischen Gemeinde Feudenheim und der Kulturkirche Epiphanias geschlossen haben.

Löhr: Der beinhaltet ein Sondervermögen „Förderkreis Kulturkirche Epiphanias“. . .

Besier: . . .in dem auch die Ekma eine Stimme hat, und der als Blaupause auch für andere Kirchengemeinden dienen kann.

Löhr: Da kommen die Mieteinnahmen rein, und es ist genau festgelegt, wofür die genutzt werden dürfen. Ein Teil der Einnahmen fließt auch in die Gemeindekasse.

Besier: Es gibt auch schon mehrere Gemeinden, die in diese Richtung Überlegungen anstellen. Wir sind überzeugt, dass wir gesichert sind, dass das ganz lange so laufen wird. Das Entscheidende ist: Wir kosten die Ekma ja nichts mehr.

Löhr: Die Epiphaniaskirche ist zwar als rote Kirche eingestuft worden, also es fließen keine Kirchensteuermittel mehr hier rein, aber Epiphanias ist finanziell besser ausgestattet als alle anderen Kirchen, weil sie erstmalig einen richtigen Baurückhalt hat und Mieteinnahmen generiert.  

Aber läuft sie irgendwann ohne kirchliche Trägerschaft?

Löhr: Das ist nicht geplant. Unser Problem in der Region Ost ist eher ein personelles. Drei von sieben hauptamtlichen Stellen sind vakant. Wir haben zwar viel bürgerschaftliches Engagement, um das zu überbrücken, aber wenn diese Stellen nicht wiederbesetzt werden, dann wird irgendwann auch die Standortfrage wieder gestellt werden. Ich denke aber, dass wir in Feudenheim die Bespielung beider Kirchen mit einer Pfarrstelle jetzt noch eine Weile halten können. 

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Was können anderen Kirchen aus dem Prozess lernen, denn Sie hinter sich gebracht haben?

Löhr: Ich denke schon, dass die Transparenz der Kooperationspartner und der Geldflüsse notwendig ist. Und es ist wichtig, dass es verlässliche Kooperationspartner sind. Das haben wir mit den abgeschlossenen Verträgen klar formuliert. Es ist ja auch eine sinnvolle Aufgabe von Kirche, das gesellschaftliche Leben mitzugestalten und auch Raum zu geben für alles bürgerschaftliche Engagement. Ich denke, das können wir vielleicht noch mehr lernen. Das muss man auch ein bisschen üben und sich bewusst machen, dass Kirche nicht ein Verein ist, wo andere sagen: Wir gehören ja gar nicht dazu. Vielleicht müssen wir da auch Modelle finden über Kirchensteuer-Mitgliedsbeitragssyssteme hinaus.

Besier: Das Entscheidende ist, dass ein Konzept entwickelt wird. Dazu braucht man natürlich Partner. Ohne Konzept einfach mal anfangen, das ist, glaube ich, schwierig.

Löhr: Und es braucht Personen, die voll dahinterstehen.  

Besier: Richtig. Es braucht kompetente Leute aus dem Gemeindeteam, aus dem Ältestenkreis, die sich engagieren, aber auch von außen kommend. Dieses bürgerliche Engagement ist ja schon vielerorts vorhanden. Man muss es nur so weit weiterentwickeln, dass man auf festen Füßen stehen kann.

Löhr: Ich glaube auch, dass wir große öffentliche Räume brauchen. Das Bewusstsein dafür wächst momentan. Schulen zum Beispiel fragen regelmäßig an, ob sie die Kirche nutzen dürfen. Große öffentliche Räume muss eine Gesellschaft unbedingt haben und vorhalten. Das ist eigentlich naheliegend, dass das die Kirchen sind. Das waren sie eigentlich schon immer.

 

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