Worms. Um es vorwegzunehmen: Große Namen von Schauspiel-Promis fallen noch keine in den 80 Minuten im Kultur- und Kongresszentrum „Das Wormser“. Dafür ist es wohl noch zu früh. Und es ist natürlich in Worms gute (?) Sitte, die Aufmerksamkeit von Schauspielfreunden, Medien und Öffentlichkeit in zig weiteren Veranstaltungen über das Jahr häppchenweise zu verstärken.
Wie Marketing geht, weiß man in Rheinhessen wie bei kaum einem anderen Festival. Klappern gehört freilich ebenso zum Handwerk wie gute Freunde. Mit diesen feiert man im gut gefüllten Mozartsaal publikumswirksam den Auftakt zur Werbekampagne und Festspielsaison 2024.
Geschäftsführer Sascha Kaiser begrüßt Förderer, Kuratoriumsmitglieder und Sponsoren ebenso gewohnt herzlich wie das Leitungsteam. Freundeskreis-Vorsitzende Sabine von Ehrlich-Treuenstätt bringt es auf den Punkt: Ihr Verein ist eine echte Fangemeinde mit gut 1000 Mitgliedern, die nicht nur gewichtiger finanzieller, sondern vor allem vorderster ideeller Sponsor der Nibelungenfestspiele sei. Was bleibt da Oberbürgermeister Adolf Kessel und dem Künstlerischer Leiter Thomas Laue, als sich dem jovialen Dankesreigen munter anzuschließen.
Nibelungenfestspiele in Worms 2024: Land gibt 70 000 Euro mehr
Dass sowohl die Begeisterung für das Spiel vor dem Dom als auch dessen Bedeutung für Worms, Region, Land, die Republik und den gesamten deutschsprachigen Raum - also fast urbi et orbi, der Stadt und dem Erdkreis - gar nicht hoch genug einzuschätzen sei, befinden hernach nicht nur Intendant Nico Hofmann, sondern vor allem die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz, die nach einem langen Tag im Mainzer Plenarsaal von ihren beiden Nebensitzerinnen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt beneidet worden sei, am Abend nach Worms fahren zu dürfen.
Spiel vor dem Dom: 12. bis 28. Juli 2024
- Die Wormser Nibelungenfestspiele zeigen von 12. bis 28. Juli 2024, jeweils 20.30 Uhr, die Uraufführung des Auftragswerks „Der Diplomat“ des Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel in der Regie von Roger Vontobel.
- Der Vorverkauf für die Inszenierung 2024 startet mit einer Weihnachtsaktion: Wer bis Heiligabend, 24. Dezember, 12 Uhr, Tickets für die Nibelungen-Festspiele kauft, erhält für Sonntags-, Montags-, Dienstags- und Mittwochsvorstellungen 15 Prozent Rabatt auf alle Kategorien. Regulär kosten die Tickets je nach Kategorie zwischen 29 und 139 Euro.
- Ticket-Hotline: 01805/33 71 71 (0,14 € /Min. Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/Min), von Montag bis Freitag, 9 bis 20 Uhr, samstags 9 bis 18 Uhr sowie an angeschlossenen Ticket-Vorverkaufsstellen.
Herzliche Grüße von „den vielen Fans auf der Regierungsbank“ sind das eine, Geschenke unter guten Freunde eine andere. Und Katharina Binz liefert es unter Applaus gleich ab: Die Landesregierung hat die Förderung der Nibelungenfestspiele von bisher 680 000 Euro auf stolze 750 000 Euro, also um 70 000 Euro erhöht. Wenn das keine gute Nachricht ist.
„Mit welcher Liebe und Klugheit die Festspiele aufgenommen werden, ist beeindruckend“, findet Nico Hofmann. Auch die „bundesweite Erregung, die durchaus mal für Gesprächsstoff sorgt“ ordnet er unter Kichern im Saal ein: Auch die Genauigkeit, mit der in den Medien durchaus kritisch hingeschaut werde, stärke das Festival enorm, ermögliche dieser „Resonanzraum“ doch eine noch hochkarätigere Auseinandersetzung mit dem Stoff.
Nibelungenfestspiele in Worms führen "Der Diplomat" auf
Dieser Resonanzraum ist für Thomas Laue, der mit Blick auf sein Festival seinen „Spaß daran hat, eine Fankurve zu haben“, die Brücke zu inhaltlichem Festspielgeschehen. Er bittet die „Erfolgsautoren“ Feridun Zaimoglu und Günter Senkel auf die Bühne und hat somit einen Running Gag gezündet, werden doch von nun an alle auftretenden Personen mit dem Vorwort „Erfolgs“ versehen.
In der Tat war das Autorenduo mit „Siegfrieds Erben“ bereits im Nibelungentexteinsatz. Schon 2018 zeigten sie (einen in Worms nicht selbstverständlichen) bemerkenswert genauen Blick auf jene leidverursachenden Emotionen des Menschen, die menschenfeindliche Handlungen und gar Kriege auslösen. Regie führte damals, wie dann auch wieder 2022 bei Ferdinands Schmalz’ „hildensaga“, kein geringerer als der Erfolgsregisseur Roger Vontobel, der nun auch 2024 wieder vor dem Dom inszenieren wird.
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Das Stück heißt „Der Diplomat“ und meint Dietrich von Bern, der seine Krone und sein Land verliert, weil er sich weigert, in einer blutigen Schlacht darum zu kämpfen. Stattdessen wird er zum Botschafter Etzels und zum Vermittler zwischen dessen Hunnen und dem Burgunderreich - und nicht zuletzt zu Etzels Brautwerber um Kriemhild.
Nibelungenfestspiele 2024 fragen: Ist Utopie naiv?
In „Der Diplomat“, das macht Günter Senkel schnell klar, wird es dabei nicht nur um die Intrigen und Ränkespiele rund um Siegfried, Hagen, Kriemhild, die Burgunder und den Hunnenkönig Etzel gehen, sondern vor allem auch um die politisch höchst aktuelle Frage, wie sich ein Krieg verhindern lässt, den eigentlich keiner will und der trotzdem unvermeidbar erscheint. „Es ist ein unheimlich relevantes Stück geworden“, ordnet Nico Hofmann ein und schnell ist die Talk-Runde bei der aktuellen politischen Lage, der Rolle und den Möglichkeiten der Diplomatie.
Es sei schockierend, wie das Lernen aus der eigenen Familiengeschichte, aus den Erzählungen und Erfahrungen der Kriegsteilnehmer und -opfer zunehmend ignoriert werde, wie sich Menschen gedankenlos Gedankengut schön redeten, als hätte es Faschismus und Zweiten Weltkrieg nie gegeben.
Ob der Glaube an die Möglichkeit einer Veränderung als Utopie, Naivität oder reale Chance zu bewerten sei, weiß auch Feridun Zaimoglu nicht so genau, verweist aber auf die Resonanzräume zwischen Herrschern und Beherrschten und gibt „als Bergpredigt-Hippie“ der Gewaltfreiheit durchaus eine Chance. Wie es ausgeht, werden wir am Abend des 12. Juli 2024 vor dem Wormser Dom erfahren...
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