Mannheim. Seit 2017 ist der Guitar Summit im Mannheimer Rosengarten eine stetig wachsende Erfolgsgeschichte. Aber ein Gitarrengipfel, Europas größte Veranstaltung für Saiteninstrumente – ist das nicht nur etwas für Profis, Sammler, Instrumentenkundler und Nerds? Wir haben den Frankenthaler Hobby-Musiker Sascha Mascali beim Gang durch vier Stockwerke mit 550 Ausstellenden begleitet. Und abends Weltklasse-Musiker wie den australischen Fingerpicking-Virtuosen Tommy Emmanuel oder Star-Gitarrist Mike Dawes auf der Bühne des Mozartsaals erlebt. Hier der Link zum aktuellen Live-Programm am Samstag und Sonntag: guitarsummit.de
Der 50-Jährige Mascali spielt und singt seit Jahrzehnten auf semi-professionellem Niveau und besitzt unter anderem zehn Gitarren. Aber auch für normalere Verbraucher kann sich der Besuch lohnen: allein wegen des erlesenen Live-Programms, bei dem sich bis Sonntag absolute Virtuosen die Klinkenstecker auf mehreren Bühnen in die Hand geben. Aber es reicht schon, nur durch die Gänge zu schlendern. Denn der Guitar Summit bietet einfach enorm viel fürs Auge: Bildschöne Instrumente, originelle Designs, prachtvolle Farben, und allerlei technische und handwerkliche Randphänomene funktionieren ähnlich anregend wie eine Kunstausstellung. Neue musikalische Sachlichkeit, wenn man so will.
"Egal auf welchem Niveau, man kann als Gitarrist immer noch dazu lernen“
Aber Messen sind auch immer ein Ort des Austauschs. Der Vorteil beim Guitar Summit ist eine erstaunliche Wohlfühlatmosphäre: Egal ob Profi, Amateurin, Laie, blutige Anfängerin, Ausstellerin – hier treffen permanent Gleichgesinnte aufeinander und leben ihren Enthusiasmus im Gespräch aus. Mascali ist kaum 30 Meter weit gekommen, schon entdeckt er an einem Stand Bernd Kiltz und macht dem populären Online-Gitarrenlehrer aus Eschborn Komplimente für einen seiner Kurse.
Es entwickelt sich ein kurzes Fachgespräch, mit null Smalltalk-Faktor. An dessen Ende steht die Erkenntnis: „Egal auf welchem Niveau, man kann als Gitarrist immer noch dazu lernen“, so Kiltz. Und im Rosengarten ist keine Hierarchie zu spüren, die sich an der Spielqualität bemisst: „Auch, wenn du denkst, du müsstest eigentlich deine ganze Ausrüstung verkaufen, wenn du hier manche Leute auf der Bühne hörst“, sagt Mascali lachend.
Ins Vakuum der 2019 beendeten Musikmesse Frankfurt gestoßen
Der vielbeschäftigte Physiotherapeut mit eigener Praxis ist zum ersten Mal beim Guitar Summit, der 2017 im Rosengarten vom Verlag des Fachmagazins „Gitarre & Bass“ gegründet wurde. Vorher war der Sänger und Gitarrist „mindestens zehnmal“ bei der Musikmesse in Frankfurt. Aber die hat bereits 2019, also vor der Pandemie, das Zeitliche gesegnet. In dieses Vakuum expandiert die Mannheimer Messe hinein. Florian Stolpe, Managing Director des Guitar Summit, berichtet im Vorübergehen von stetig wachsender Aussteller- und Publikumsresonanz. Im Vorfeld sei die Nachfrage so groß wie nie gewesen. „Ich kann aber noch keine abschließende Zahl nennen“, sagt Stolpe. Es sei der Anfang des ersten Tages. Und für Samstag, Sonntag und die Masterclasses gibt es noch Karten für Kurzentschlossene (https://www.guitarsummit.de/tickets/). Next-Mannheim-Chef Christian Sommer, der das Drei-Tages-Event 2017 mit initiiert hat, schildert bei der nächsten Zufallsbegegnung seinen Eindruck vom Start der 2024er-Auflage: „Am ersten Vormittag war noch nie so viel los.“
„Das hier ist wie ein großer Süßigkeitenladen. Nur, dass die Süßigkeiten ziemlich teuer sein können“
Dazu trägt ein weiterer Wohlfühlfaktor im Rosengarten erheblich bei: weitgehende Stille. Das loben Mascali und Sommer unisono. Messen sind mitunter stressig genug, bei der Frankfurter Musikmesse sorgte das Testen von Gitarren, Schlagzeugen und so weiter für eine infernalische Dauerbeschallung wie im Glockenturm eines gewaltigen Doms. „Das ist hier wesentlich angenehmer“, berichtet der Metal-gestählte Mascali. Wer seinen Sound brüllen laut hören und körperlich spüren möchte, kann das trotzdem tun. Er muss dafür nur quasi in den Keller. Das ist im Rosengarten bekanntlich der Jazz-Club Ella & Louis, wo massenhaft Equipment zum Testen aufgebaut ist. Christian Sommer, selbst Gitarrist und mit leuchtenden Augen unterwegs: „Das hier ist wie ein großer Süßigkeitenladen. Nur, dass die Süßigkeiten ziemlich teuer sein können“, sagt er lächelnd.
Mit die teuersten Exemplare, teilweise im fünfstelligen Euro-Bereich, dürfte man beim pfälzischen Gitarrenbauer Jens Ritter finden. Der wartet 2024 mit einer speziell designten Glamour-Gitarre auf, die sich an der Optik des speziell designten Ducati-Motorrads orientiert, über dem sie hängt. Dazu gibt es eine mit Otto Waalkes entworfene Ottifanten-Gitarre. Speziell, aber amüsant. Für solche extravaganten Modelle ist vermutlich der Gitarren-Humidor am Nachbarstand gedacht, vermutet Mascali. Weltfirmen wie Yamaha oder Ibanez haben hier genauso ihre Stände wie winzige Gitarrenbauer. Das Angebot umfasst nicht nur Gitarren, Bässe, Mandolinen, Banjos und andere Saiteninstrumente, sondern auch alle Bauteile bis zum rohen Holz. Und natürlich Zubehör wie Kabel, Gurte, Gehörschutz, Plektren, rohes Holz, Saiten. Besonders fasziniert ist Mascali von einem riesigen Verstärker der Firma Engl mit rotglühenden Röhren: „Dieser Anblick ist einfach schön. Ich liebe dieses Glühen.“ Es gibt einfache Kleinigkeiten, etwa einen Stand für die unterschiedlichsten Plektren. Und einen Blick in die Zukunft und Gegenwart der Virtual Reality (VR), wenn mit Kopfhörer und VR-Brille gerockt wird.
Eigentlich wollte er sich nach neuen Pickups umschauen: „In meiner aktuellen Coverband Reezling spielen wir bis auf Linkin Park mehr Pop und Rock, statt Metal. Da ist meine jetzige Ausstattung eigentlich zu heftig.“ Aber viele andere Eindrücke sind stärker. Letztlich steuert er gezielt Stände der Firmen an, von denen er schon Equipment besitzt: zunächst den von MGH, von dem seine erste Metal-Axt stammt. Später Lakewood, für dessen hochwertige Akustikgitarre er sich nach langem Ringen mit sich selbst entschieden hat: „Die 2000 Euro habe ich nie bereut.“ Was er auch der Mitarbeiterin am Stand mitteilt. Die will so vielen hier nicht unbedingt etwas verkaufen, sondern teilt das positive Feedback mit ihrem Kollegen. Noch ein euphorisches Fachgespräch… Ähnlich ist es beim Kult-Verstärkerhersteller Orange. Man könnte ewig reden und – mit Kopfhörern – Dinge ausprobieren.
Christoph Melzer, Ali Neander - man trifft permanent Bekannte aus der regionalen Musikszene
Und man trifft permanent Bekannte aus der regionalen Musikszene. In einer Ecke klampft leise Mascalis Jugendfreund Christoph Melzer, den man unter anderem von seiner Zusammenarbeit mit Laith Al-Deen oder Xavier Naidoo kennt. Das Fachsimpeln geht weiter: Was tun mit dem exzellenten, aber teuren und ebenfalls Metal-affinen Riesenverstärker, der nur in der Garage steht? Ist eine von Melzers überschüssigen Strat-Gitarren das, was Mascali noch in seiner Sammlung fehlt? Schon trifft man Ali Neander, den virtuosen Gitarristen der Rodgau Monotones. Der geht mit Genießeraugen durch die Gänge und bescheint dem Guitar Summit: „Er hat sich gut entwickelt.“ Auch bei den Eintrittspreisen, fügt der Hesse an. Wobei 69 Euro für drei Tage mit viel Live-Programm im Vergleich zu Ticketpreisen bei großen Konzerten doch recht zivil anmuten.
„Bist Du Sascha Mascali von Ghictal? Ich höre immer noch eure CD von vor über 20 Jahren.“
Auch an Wolfgang Reibls Stand 3 Saiter kommt Mascali ins Gespräch mit einem Musikerkollegen. Gleichzeitig erklärt der Gitarrenbauer höchst kundig, wie sich seine dreisaitigen Gitarren, die zum Teil aus Retro-Mercedes-Radkappen bestehen, auf uralten Blues und dessen Wurzeln in Afrika beziehen. Sie klingen fantastisch. Und kaum sind wir ein paar Meter weiter, eilt Reibl noch mal auf Mascali zu – und outet sich als Fan der sphärischen Rockmusik von dessen uralter Band mit dem klingonischen Namen Ghictal: „Bist Du Sascha Mascali von Ghictal? Ich höre immer noch eure CD von vor über 20 Jahren.“ Besser könne der Tag nicht mehr werden, sagt der Frankenthaler. „Ich muss gleich mal meine alten Jungs anrufen.“
Nach etwa drei Stunden muss Mascali los. Am Abend steht ein Heimspiel mit seiner Band Reezling auf dem Programm. Sein Fazit des ersten Besuchs beim Guitar Summit: „Ich bin sehr überrascht, wie unterhaltsam es ist. Wie viele Leute man trifft. Jetzt habe ich noch mehr Bock auf unseren Auftritt heute Abend!“ So verpasst er die Konzerte, die ab dem Nachmittag beginnen und jeweils 45 Minuten dauern. Man kommt selten auf die Idee, dass es eigentlich Werbeveranstaltungen sind, bei denen internationale Virtuosen Gitarren und andere Ausrüstung ihrer Partner vorführen wie Fußball-Profis ihre Schuhe oder Trikots. So präsentiert der britische Weltklasse-Gitarrist Mike Dawes am Abend im komplett gefüllten Mozartsaal nicht nur umwerfende Akustik-Versionen des Foo-Fighters-Hits "Everlong", von Princes "Purple Rain" oder Bob Dylans "All Along The Watchtower". Er macht auch klar, dass die Gitarren, die er seit elf Jahren live oder im Studio ausschließlich benutzt, "20 Kilometer entfernt von hier" gebaut werden: bei Andreas Kunz in Dannstadt.
Die Fingerpicking-Virtuosen Tommy Emmanuel und Mike Dawes begeistern auch Metal-Fans
Überstrahlt wird sein Auftritt noch von der Haupt-Live-Attraktion des gesamten Gipfels: den 45 Minuten der australischen Fingerpicking-Legende Tommy Emmanuel. Mit einem gewaltigen stilistischen Spektrum von der New-Age-Ballade über ein mitreißendes Beatles-Medley bis zum Blues oder einem Percussion-Feuerwerk auf der Gitarre demonstriert der 69-Jährige, dass eine Gitarre wie eine komplette Band klingen kann. Aber für sein Spiel braucht man eigentlich drei Gehirne. Dabei groovt Emmanuel enorm und kann rocken wie ein Naturereignis. Das auch im Duett mit Dawes bei einer durchschlagenden Version von Nirvanas "Smells Like Teen Spirit". Da jubeln auch die Metal-Fans im Publikum. Besser kann's nicht werden. Auch wenn sich zum Abschluss des Freitagsprogramms eine All-Star-Formation um Jared James Nichols mit kompoetentem Bluesrock redlich bemüht.
Am Sonntag spielen Gregor Meyle, Phil X von Bon Jovi und es gibt ein Abschlusskonzert mit Rockband Heavysaurus für Kinder im Mozartsaal
Der Guitar Summit läuft noch bis Sonntag weiter. Neben der Messe bietet das Live-Programm Kurzentschlossenen allein am Samstag rund 40 Live.Events auf sieben Bühnen. Darunter ein 45-minütiger Auftritt von Bass-Ikone Jonas Hellborg mit Bobby Vega und Ana Patan als Gast ab 18.30 Uhr. Zuletzt folgt ab 21 Uhr das Koch Marshall Trio, das unter anderem von Jared James Nichols und Phil X erneut zu einer All-Star-Band verstärkt wird. Der Live-Sonntag beginnt um 12 Uhr mit einem intimen Konzert von Songwriter Gregor Meyle & Martin Seeliger mit Lakewood-Gitarren. Bon Jovis Gitarrist Phil X lässt ab 15 Uhr von sich hören. Die große Bühne gehört einer Art Familienprogramm. Zu, Abschluss gibt es im Mozartsaal Metal für Kinder von der Dino-Band Heavysaurus. An die Guitar-Summit-Besucher von morgen wird also auch gedacht.
Kinder zahlen für das Tagesticket am Samstag 19 Euro, für das Family Special am Sonntag 29 Euro. Erwachsene können an der Tageskasse Karten für 49 Euro (Samstag) und 33 Euro (Sonntag) erwerben. für die Masterclass-Workshops werden jeweils 119 Euro fällig.
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